Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Krieg im Kongo: „Ihr habt uns lang genug terrorisiert!“
> Die UNO im Kongo unternimmt einen letzten Versuch, die FDLR-Kämpfer zum
> Ende des Krieges und zur Rückkehr nach Ruanda zu bewegen.
Bild: Die FDLR-Kämpfer von Kanyabayonga im Ostkongo beim Gebet vor der intern…
KANYABAYONGA taz | Der Hubschrauber landet, die Kämpfer stehen stramm. In
Reih und Glied schließen sie die Augen und blicken zu Boden, als einer laut
betet: „Gott, wir erwarten deine Antwort auf unsere Geduld, erhöre unsere
Gebete und helfe uns!“ – „Amen“, antworten die Krieger im Chor. Dann
salutieren sie vor den Besuchern.
Eine Delegation der UN-Mission im Kongo (Monusco), kongolesische
Regierungsvertreter und ein Vertreter der SADC (Entwicklungsgemeinschaft
des Südlichen Afrika) sind in die Berge geflogen, um die ruandische
Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zu überreden,
nach Jahren des Krieges im Ostkongo in ihre Heimat Ruanda zurückzukehren.
Über 80 FDLR-Kämpfer hausen derzeit in einem UN-Lager in der Kleinstadt
Kanyabayonga in der Provinz Nord-Kivu, gemeinsam mit über 200 ihrer Frauen
und Kinder.
Das UN-Lager liegt auf einem Hügel oberhalb der Stadt. Es besteht aus
weißen Zelten, in denen die Kämpfer mit ihren Frauen auf dem nackten Boden
schlafen. Gekocht wird in großen Töpfen unter einem Wellblechdach.
Es ist ein Provisorium: Im Mai 2014 hatte die FDLR die freiwillige
Entwaffnung ihrer rund 1.300 Kämpfer angeboten. Die UNO und die SADC hatten
ihnen ein Ultimatum bis 2. Januar 2015 gesetzt, alle Truppen zu entwaffnen.
Weil bis jetzt nur 337 Kämpfer übergeben wurden, rüsten sich UN-Blauhelme
und Kongos Armee für Militärschläge.
## Zahlreiche Kinder sind krank
Doch was passiert mit den bereits entwaffneten FDLR-Kämpfern? „Wir sind
verantwortlich für ihr Wohlergehen, vor allem für die Kinder und Frauen“,
sagt Adriaan Verheul, Chef des Demobilisierungs- und
Repatriierungsprogramms der UN-Mission. Erst vergangenes Wochenende starb
ein zweijähriges Mädchen im Lager, zahlreiche Kinder sind krank. Die
meisten sind nicht geimpft, ihr Immunsystem nach wochenlangen Märschen
durch den Dschungel schwach, sie sehen schmutzig und unterernährt aus.
„Die Lager waren als Transitcamps angedacht, von wo aus wir die
FDLR-Kämpfer nach Ruanda repatriieren wollten. Jetzt sind sie alle
übervoll“, sagt Verheul. Denn die FDLR-Kämpfer weigern sich, in ihre Heimat
zurückzukehren. Die UN steckt in einer Zwickmühle: Sie darf die Krieger
nicht gewaltsam abschieben, hat aber auch keine Kapazitäten, sie zu
unterhalten. Was tun?
Adriaan Verheul will es noch einmal versuchen. Der Holländer steht im
beigen Anzug vor dem ranghöchsten FDLR-Offizier im Lager: Oberstleutnant
Deo Nkwishiaka. „Es gibt für euch nur noch zwei Optionen: Entweder wir
bringen euch freiwillig nach Hause oder euch drohen Militärschläge“, sagt
Verheul im diplomatischen Ton. Der FDLR-Oberst verzieht keine Miene. „Wir
sind ja auch für Frieden, aber dazu muss sich Ruanda auf Verhandlungen mit
uns einlassen, sonst gehen wir nicht zurück“, sagt er trotzig. Der Oberst
sagt, was ihm seine Führung draußen aufgetragen hat.
## „Ihr seid Banditen und Terroristen!“
Dann steht der Vertreter von Kongos Regierung auf. Delphin Paluku Masika
platzt der Kragen: „Ihr seid Banditen und Terroristen!“ brüllt er. „Wenn
ihr mit eurer Regierung zu Hause reden wollt, warum gründet ihr dort nicht
eine politische Partei und kämpft für eure Rechte zu Hause? Ihr habt uns
Kongolesen jetzt lange genug terrorisiert!“
Der FDLR-Oberst guckt erschrocken. Bislang stand Kongos Regierung und Armee
hinter der FDLR. Jetzt scheint damit Schluss zu sein. Michael Thabo Senoke
von der südafrikanischen Botschaft ergreift das Wort. Er ist im Auftrag der
SADC da – deren Mitglieder Südafrika, Tansania und Malawi stellen die
Soldaten für die 3.000 Mann starke UN-Eingreiftruppe FIB, die gemeinsam mit
Kongos Armee die FDLR angreifen soll, sobald Kongos Präsident Joseph Kabila
dazu den Befehl gibt. „Wir wollen kein Blutvergießen, aber jetzt sind die
Militäroperationen unausweichlich“, erklärt der Südafrikaner den
ruandischen Milizionären. „Also beschützt eure Kinder und geht freiwillig
nach Hause. Sonst wird Blut fließen.“
FDLR-Oberst Nkwishiaka ist spürbar verunsichert. „Ich habe Anweisungen und
bin meiner Führung treu“, stottert er. Er hat keine Wahl: Wer bei der FDLR
Befehle missachtet, wird unter Umständen mit dem Tod bestraft.
Verheul bricht ab. Stattdessen packt er Fußbälle aus, die er gebracht hat.
„Jedes Mal, wenn ihr eure Kinder damit spielen seht, denkt an meine Worte:
In Ruanda könnt ihr in Würde leben, hier können wir euch nicht in Würde
versorgen. Also trefft die richtige Entscheidung“, sagt er und wirft die
Bälle in die Menge.
23 Jan 2015
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Ruanda
FDLR
Kongo
Martin Kobler
Joseph Kabila
Goma
Martin Kobler
Kongo
Hutu-Miliz FDLR
## ARTIKEL ZUM THEMA
Krieg gegen FDLR im Kongo: Blauhelmtruppe sieht rot
Die UN-Mission setzt die Zusammenarbeit mit Kongos Armee gegen die
ruandische Hutu-Miliz aus. Es gab Streit um einen kongolesischen General.
Ethnologe über Protestwelle im Kongo: „Kabila hat willige Partner“
Der belgische Stadtethnologe Théodore Trefon über die Demonstrationen in
der Demokratischen Republik Kongo und die „skrupellose politische Kultur“
des Landes.
Krieg gegen FDLR im Kongo: Hutu gehen nach Hause
In Ostkongos Wäldern läuft der Krieg gegen die ruandische Miliz FDLR an.
Die UNO sammelt dort die Hutu-Flüchtlinge zur Rückkehr nach Ruanda.
Konflikt im Ostkongo: Die UNO rüstet sich für den Krieg
Mit Militäroperationen soll die ruandische Hutu-Miliz FDLR im Osten
zerschlagen werden. Hilfsorganisiationen befürchten neue Flüchtlinge.
Konflikt im Kongo auf Twitter: Online wird scharf geschossen
Die Militäroperationen der UN-Blauhelme im Kongo gegen die FDLR sollen
beginnen. Der Krieg im Netz ist schon in vollem Gange.
Umgang mit FDLR im Kongo: Taktische Spiele spalten Afrika
Ab Januar drohen Militärschläge gegen die Hutu-Miliz FDLR. Oder auch nicht?
In Ostkongos Wäldern entsteht die Front für einen neuen Regionalkonflikt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.