| # taz.de -- Krieg gegen FDLR im Kongo: Hutu gehen nach Hause | |
| > In Ostkongos Wäldern läuft der Krieg gegen die ruandische Miliz FDLR an. | |
| > Die UNO sammelt dort die Hutu-Flüchtlinge zur Rückkehr nach Ruanda. | |
| Bild: Familienangehörige von FDLR-Kämpfern sammeln sich unter UN-Aufsicht in … | |
| GOMA taz | Godanze Nyasafari streicht sich die krausen Haare zurecht und | |
| guckt in die Kamera. Der Mitarbeiter des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR | |
| drückt auf den Auslöser. Godanzes Foto und Name werden in einer Datenbank | |
| gespeichert. Sie ist Ruanderin, sie sitzt in einem Transitlager in | |
| Ostkongos Provinzhauptstadt Goma, ihr neunmonatiges Baby im Arm. | |
| Sie wirkt erschöpft und nervös. Nach 20 Jahren als Flüchtling im Kongo geht | |
| sie in ihre Heimat Ruanda zurück. | |
| Nyasafari ist die Frau eines Kämpfers der ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
| (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die seit 20 Jahren von Kongo | |
| aus gegen das Regime in Ruanda kämpft. Die 31-Jährige lernte ihren Mann in | |
| einem Flüchtlingslager im Kongo kennen, jahrelang begleitete sie ihn durch | |
| den Dschungel, wo immer er stationiert war. | |
| „Jetzt hat er mir gesagt, ich soll nach Ruanda zurückkehren, denn der Krieg | |
| wird bald beginnen“, sagt sie. „Wir haben große Angst vor den Bomben.“ | |
| Ihr Mann sei den Befehlen seiner Kommandeure gefolgt und habe den Rückzug | |
| tiefer in den Wald angetreten. Sie selbst ist mit Baby und 5-jährigem Sohn | |
| tagelang durch den Busch geirrt, bis sie in der Kleinstadt Kiwanja, 80 | |
| Kilometer nördlich von Goma, eine UN-Station fand. Von dort aus wurde sie | |
| vom UNHCR nach Goma gebracht. | |
| ## Seit zwanzig Jahren in Kongos Wäldern | |
| Die Hutu-Kämpfer der ruandischen Miliz FDLR leben in Kongos Wäldern | |
| zusammen mit ihren Frauen und Kindern, alles ruandische Hutu-Flüchtlinge. | |
| Millionen von Hutu waren nach dem Völkermord an den Tutsi in Ruanda 1994 in | |
| den Kongo geflohen – aus Angst vor der Rache der Tutsi-Rebellen unter dem | |
| heutigen Präsidenten Paul Kagame, die das Land erobert hatten, um den | |
| Genozid zu stoppen. | |
| Wie viele Hutu-Flüchtlinge aus Ruanda heute noch im Kongo leben, ist | |
| umstritten. Das UNHCR hat gemeinsam mit Kongos staatlichem | |
| Flüchtlingskomitee jüngst einen Zensus der Haushalte durchgeführt: rund | |
| 200.000 ruandische Flüchtlinge wurden landesweit gemeldet, so das UNHCR – | |
| viel mehr als bislang vermutet. In diesem Jahr sollen sie registriert | |
| werden, mit Fingerabdrücken. | |
| Die FDLR spielt sich als Schutzmacht all dieser Flüchtlinge auf. Sie hat in | |
| Kongos Dschungel einen Quasistaat im Exil errichtet, mit Armee und einer | |
| zivilen Regierung. Diese betrachtet die Flüchtlinge als ihre „Bürger“, die | |
| es zu schützen gilt, und erhebt den Anspruch, mit Ruandas Regierung zu | |
| verhandeln, unter anderem über die Bedingungen der Rückführung. Ein | |
| Anspruch, den Ruanda und die UNO ablehnen. | |
| ## 200.000 oder 20.000 Flüchtlinge? | |
| Laut FDLR-internen Statistiken aus dem Jahr 2012, die der taz vorliegen, | |
| verwaltete die FDLR damals nicht 200.000, sondern lediglich 12.500 | |
| Zivilisten in Nord-Kivu und rund 6.000 in Süd-Kivu. Viele wurden seitdem | |
| repatriiert, also sind es heute noch weniger, und es sind vor allem die | |
| Familien der Kämpfer. | |
| Auch dies ist ein Dilemma bei den geplanten Militärschlägen gegen die FDLR, | |
| deren Beginn Kongos Armeeführung vergangenen Donnerstag offiziell | |
| verkündete. Je mehr Zivilisten sich bei den FDLR-Kämpfern aufhalten, desto | |
| höher das Risiko, dass es zivile Opfer gibt. | |
| Die Militärschläge sollen mit Unterstützung der UN-Blauhelmtruppen | |
| stattfinden. Die UNO soll sich vor allem um die Zivilisten kümmern. | |
| Im UNHCR-Hauptquartier in Goma herrscht emsiges Treiben. 18 | |
| Auffangstationen sollen in den FDLR-Gebieten errichtet werden, um die | |
| Frauen und Kinder abzuholen. Radiobotschaften sollen den Weg zu den | |
| UNHCR-Sammelpunkten weisen, erklärt Boniface Kinyanjui, beim UNHCR für | |
| Schutz von Zivilisten zuständig. „Wir können in wenigen Tagen rund 20.000 | |
| versorgen und über die Grenze nach Ruanda bringen“, sagt er. | |
| Das Risiko, gibt er zu: dass sich mit den Flüchtlingen auch FDLR-Kämpfer in | |
| Zivil nach Ruanda hineinschmuggeln. Deswegen werde man die Rückkehrer | |
| fotografieren und ihre Fingerabdrücke nehmen. | |
| Sein Team hat sich mit FDLR-Flüchtlingsvertreter Angelo Habumuremyi | |
| getroffen, um zu besprechen, wie man die Zivilisten erreichen könne. Dieser | |
| hat Dörfer im Dschungel genannt, wo die FDLR ihre Kinder und Frauen | |
| untergebracht hat. | |
| ## "Unsere Lage ist katastrophal" | |
| Als die taz Habumuremyi anruft, erzählt er, er würde selbst gerade seine | |
| Frau und Kinder bei Kongolesen einquartieren, damit sie sicher sind. | |
| „Unsere Lage ist katastrophal“, sagt er. Dann bricht die Verbindung ab. | |
| Godanze Nyasafari wird nun nach über 20 Jahren im Busch ihr Heimatdorf | |
| wiedersehen, ihre Mutter und Geschwister. „Ich habe gehört, das Leben sei | |
| dort besser und ich kann meine Kinder in die Schule schicken“, sagt sie und | |
| steigt auf den Lastwagen, der sie nach Ruanda bringt. Dann lächelt sie. Das | |
| erste Mal. | |
| 2 Feb 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Simone Schlindwein | |
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