# taz.de -- 264.-271. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Als die FDLR Ruanda ang… | |
> Der letzte Zeugenauftritt eines Ex-FDLR-Kämpfers führt tief in die | |
> Geschichte zurück, findet aber in einem sich ständig wiederholenden | |
> Verfahrensstreit statt. | |
Bild: Festnahme eines infiltrierten FDLR-Kämpfers in Ruanda 2012: So ähnlich … | |
STUTTGART/BERLIN taz | Das verfahrene Verfahren vor dem OLG Stuttgart gegen | |
Ignace Murwanshyaka uns Straon Musoni, Präsident und 1. Vizepräsident der | |
ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), | |
findet in den Monaten November und Dezember 2014 einen eigenen, aber sehr | |
zähen Rythmus. | |
Jeden Tag lehnt der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart die | |
Anträge der Verteidigung Murwanashyakas ab, die Hauptverhandlung zu | |
unterbrechen, weil der Angeklagte angeblich nicht richtig verteidigt wäre – | |
anstelle seines krankgemeldeten zweiten Pflichtverteidigers Sauer ist ein | |
anderer bestellt worden, Richard Engel, mit dem Murwanashyaka aber nicht | |
zusammenarbeitet. | |
Jeden Tag, oder einen Verhandlungstag später, stellt die verbleibende | |
Pflichtverteidigerin Ricarda Lang dann einen neuen Antrag auf | |
Unterbrechung. | |
Garniert wird das zuweilen zusätzlich mit einem erneuten Antrag auf | |
Ablehnung des gesamten Senats. Es gibt auch noch eine Strafanzeige von | |
Rechtsanwalt Engel gegen seinen Mandanten, ein laufendes Verfahren gegen | |
Engel, einen Entpflichtungsantrag, einen Antrag auf Verfahrenseinstellung | |
und diverse andere Dinge, für die sich nur Juristen interessieren können. | |
„Ich sitze hier wie auf einem Fußballfeld“, beklagt sich Murwanashyaka | |
einmal. Als was genau er sich da empfindet, führt der Hauptangeklagte nicht | |
weiter aus. Als Fußball? | |
## Vergiftetes Klima | |
Ob der ehemalige FDLR-Kader G dieses vergiftete Klima bei seinem | |
mittlerweile dritten Auftritt als Zeuge in Stuttgart wahrnimmt, bleibt | |
offen. Jedenfalls dauert es an jedem seiner drei Vernehmungstage im | |
Dezember eine Weile, bis er aufgerufen und befragt werden kann. | |
Viel Neues hat G auch jetzt nicht zu erzählen. Seine Erinnerungen beziehen | |
sich hauptsächlich auf die Anfangszeiten der FDLR – in der Zeit von 2000 | |
bis 2002, als die Organisation zwar bereits gegründet war, aber die als | |
Guerilla im Ostkongo kämpfenden Hutu-Kämpfer (ALIR I) noch getrennt von den | |
in Kongos Regierungsarmee im Westen des Landes integrierten ruandischen | |
Hutu-Soldaten (ALIR II) agierten. | |
Als wichtigen Moment der Zusammenführung identifiziert der Zeuge die | |
Miltäroperation „Oracle du Seigneur“ – eine Reihe von Anschlägen und | |
Überfällen innerhalb Ruandas ab Mai 2001. | |
Die Kämpfer im Westen seien dagegen gewesen, diese Operation durchzuführen, | |
enthüllt G. Erst sollten die Ost- und West-Flügel zusammengeführt werden. | |
Die Kämpfer im Osten hätten dann beschlossen, es trotzdem durchzuziehen, um | |
rechtzeitig zur Fusion möglichst stark dazustehen, so G. | |
## Die Operation „Orakel des Herrn“ | |
„Diese Operation war gedacht, damit die im Westen nicht nach Osten kommen, | |
um die besseren Führungspositionen zu übernehmen; die im Westen wollten, | |
dass alle militärischen Aktionen gestoppt werden und erst die neue | |
Organisation gegründet wird“, erklärt er. | |
„Oracle du Seigneur“ war ein Fehlschlag: es gelang den Hutu-Milizionären | |
nicht, sich in Ruanda festzusetzen. „Als die Operation im Oktober zu Ende | |
ging, waren viele gestorben oder gefangen“, sagt G. „Die Moral der Soldaten | |
war unten.“ | |
Danach habe man sich von offenem Krieg gegen Ruanda abgewendet – das hätte | |
nur weitere Kämpfer verheizt; „die Führer fürchteten, allein imWald zu | |
bleiben“. Also: „Die Idee des Krieges galt nicht als erste Lösung. Aber sie | |
redeten weiter von Krieg damit die Regierung von Ruanda einen Dialog | |
akzeptiert“. | |
G wird nach derzeitigem Stand der letzte ehemalige FDLR-Kämpfer aus Ruanda | |
sein, den das OLG Stuttgart als Zeugen anhört. Die Verhandlung rückt jetzt, | |
überschattet vom Dauerstreit zwischen Verteidigung und Senat, in seine | |
möglicherweise interessanteste Phase: die Vorlage von Asservaten und | |
Originaldokumenten aus dem Innenleben der Milizenführung. | |
## „Die Kasse ist komplett leer“ | |
Dazu gehört das Militärstrafgesetzbuch des militärischen FDLR-Flügels FOCA | |
(Forcs Combattantes Abacunguzi) und Reisekostenabrechnungen. Murwanashyaka | |
hat detaillierte Listen über seine Ausgaben angefertigt: einmal rund 15.000 | |
Euro, einmal rund 15.000 US-Dollar. Das schließt viele Telefonkosten ein, | |
Reisen nach Uganda, nach Rom, in die Demokratische Republik Kongo – Hinflug | |
von Frankfurt über Paris nach Kinshasa am 28. April 2005. | |
2.800 US-Dollar – viel weniger als eigentlich gedacht – zahlte der | |
FDLR-Präsident im Kongo an seine Kämpfer aus, als er sie bei dieser Reise | |
vor Ort besuchte. Deswegen gibt es hinterher Fragen über die Verwendung des | |
Geldes. | |
„Die Kasse des Presidef ist komplett leer“, steht auf einem Zettel vom 7. | |
Dezember 2006. Christophe Mahoro habe bei seiner Flucht die komplette Kasse | |
von Süd-Kivu mitgenommen. Auf einem weiteren Zettel schreibt Murwanashyaka: | |
„Das ganze Geld war nie in meinen Händen. Das Geld hat Major Muhanga | |
verwendet.“ | |
## Der Präsident und das Militär | |
Es gibt auch ein Telegramm von Murwanashyaka, in dem er wie schon oft in | |
Telefonaten verlangt, dass internationale Unterhändler bitte mit ihm reden | |
sollten, nicht mit anderen: „FDLR und FOCA sind eine einzige Einheit“. | |
Das widerspricht der Verteidigungslinie, die beispielsweise Musonis | |
Anwältin in Reaktion auf das FOCA-Militärstrafgesetzbuch vertritt, wonach | |
der militärische Flügel eine völlig separate Organisation gewesen sei und | |
die Angeklagten daher nicht für vom Militär verübte Verbrechen | |
verantwortlich zu machen seien. | |
Die leidige, aber für diesen Prozess zentrale Frage, ob Präsident | |
Murwanashyaka tatsächlich Kommandogewalt über das Militär hatte, wird | |
wieder einmal nicht abschließend beantwortet. Zeuge G erläutert auf | |
Nachfrage, dass Murwanashyaka als Präsident die vom Oberkommando des | |
Militärs verfügten Beförderungen und Bestrafungen „genehmigen“ musste. | |
„Was würde passieren, wenn der Präsident das nicht gemehnigt?“ fragt | |
Murwanashyakas Anwältin. | |
„Er kann keine andere Entscheidung treffen“, antwortet G. „Er hat alles | |
genehmigt, was sie ihm unterbreitet haben.“ | |
26 Jan 2015 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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