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# taz.de -- 273. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Die Weihnachtsansprache
> FDLR-Vizepräsident Straton Musoni betont zum Abschluss des letzten
> Verhandlungstages 2014 noch einmal seine und Murwanashyakas Unschuld.
Bild: „Ich habe nicht alle E-Mails gelesen“: Straton Musoni im Stuttgarter …
STUTTGART taz | Der letzte Prozesstag des Jahres 2014, dem 17. Dezember, im
Verfahren gegen den Präsidenten und den 1. Vizepräsidenten der FDLR
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) vor dem OLG Stuttgart, war
eigentlich schon vorbei und der Vorsitzende Richter hatte schon angehoben,
die Verhandlung bis ins nächste Jahr zu unterbrechen - da ergriff
FDLR-Vizepräsident Straton Musoni, um zum wiederholten Male in diesem
Verfahren eine persönliche Erklärung abzugeben, „in Form einer Einlassung�…
Drei Dinge hatte Musoni zu sagen. Erstens: Die FDLR und ihr militärischer
Flügel FOCA (Forces Combattantes Abacunguzi) seien zwei völlig voneinander
getrennte Organisationen, die hier vor Gericht stehende FDLR-Führung damit
nicht für mögliche FOCA-Verbrechen verantwortlich zu machen. „FOCA war nach
unserem Verständnis souverän“, so Musoni. „Sie hat sich in militärische
Angelegenheiten nicht reinreden lassen, und ich hatte das nie gemacht.“
Die einzige Koordinierungsstelle beider Organisationen sei das Comité
Directeur der FDLR gewesen, also das oberste Führungsgremium, „wo beide
Flügel 50:50 vertreten waren“. Das CD „hat koordiniert, aber nie Befehle an
den militärischen Flügel gegeben. Militärische Aktionen konnten vom CD
weder geplant noch koordiniert werden“.
Dann greift der Ruander noch zu einem Deutschlandvergleich: Die CDU und CSU
bilden eine Union, „aber kann die CSU CDU-Entscheidungen treffen?“
## 1.300 ungelesene E-Mails im Postfach
Zweitens: Über die Tatvorwürfe sei er, Musoni, 2009 „nicht vollständig
informiert“ gewesen; „erst in der Hauptverhandlung habe ich von der
Mehrzahl der Vorwürfe Kenntnis genommen“. Was überrascht, denn zwischen der
Festnahme und der Verhaftung der beiden Angeklagten am 17. November 2009,
als ihnen die Vorwürfe vorgelesen wurden, und dem Beginn des Prozesses in
Stuttgart am 4. Mai 2011 vergingen fast anderthalb Jahre, in denen Musoni
und Murwanashyaka kaum etwas anderes zu tun hatten, als sich auf den Umgang
mit diesen Vorwürfen vorzubereiten.
Musoni aber besteht darauf, von vielen einzelnen Tatvorwürfen im
Tatzeitraum, also im Jahr 2009, damals nichts gewusst zu haben.
Sehr sorgfältig formuliert Musoni seine Einlassung so, dass daraus keine
Leugnung der Tatvorwürfe gegen die FDLR hervorgeht – er bestreitet
lediglich seine eigene Rolle, womit implizit der mitangeklagte Präsident
Ignace Murwanashyaka belastet wrd. Musoni will nicht ausschließen, dass man
ihn doch informiert habe – seine E-Mails habe er „bei weitem nicht alle
gelesen“.
Es müsse technisch nachvollziehbar sein, dass sich zum Zeitpunkt seiner
Festnahme „1.300 ungelesene E-Mails in meinem Postfach“ befanden. „Ich we…
nicht mehr, welche ich gelesen habe, ich weiß aber, was ich gemacht habe,
wenn: Ignace Murwanashyaka gefragt.“
Deutlicher sagt der Vize später nochmal: „Ignace Murwanashyaka hat mir die
allermeisten Informationen nicht weitergegeben“. Es habe innerhalb der FDLR
klare Regeln dafür gegeben, wie mit Beschuldigungen und Vorwürfen umzugehen
sei.
Dann noch ein Seitenhieb: 2007 habe ihm Ignace Murwanashyaka erzählt, dass
ein erstes, im Jahr 2006 gestartetes Ermittlungsverfahren der
Bundesanwaltschaft gegen ihn wegen „Kriegsverbrechen und Terrorgefahr“
ergebnislos eingestellt worden war. „So dachte ich, dass alle Vorwürfe von
deutschen Stellen geprüft waren und es keine Beanstandungen gab“, so
Musoni.
Er sei daher danach davon ausgegangen, „dass wir uns vollständig rechtstreu
und korrekt verhalten“ - die Einstellung des Ermittlungsverfahrens von 2007
gewissermaßen als Gütesiegel für die FDLR, auch bei all ihren späteren
Aktionen.
## Bei Vorwürfen „Murwanashyaka angerufen“
Drittens: Im Tatzeitraum 2008-09 sei er davon ausgeagangen, „dass die
FDLR/FOCA sich an die Gesetze halten und keine Straftaten begehen“. Die
FDLR sei für Musoni eine „legitime“ Organisation gewesen, die Straftaten
ihrer Mitglieder ahndet. „Es ging um die Beendigung der Diktatur in Ruanda
und den Schutz der Flüchtlinge im Kongo. Dies war für mich niemals
moralisch fragwürdig oder strafrechtlich relevant.“
Weiter: „Ich habe weder selbst vertreten noch gehört, dass vertreten wurde,
dass Verbrechen gegen Zivilisten im politischen Kampf geführt werden
sollten. Einem solchen Plan hätte ich nie zugestimmt. Ignace Murwanashyaka
auch nicht“.
Wenn es Vorwürfe gab, „habe ich Murwanashyaka angerufen und gefragt.“ Bei
der Vorbereitung seiner Verteidigung habe er das alles nicht gesagt, weil
er „dachte, es reicht, wenn wir Beweise vorlegen, damit jeder, auch das
Gericht, unsere Unschuld erkennen würde. Murwanashyaka hat nicht daran
geglaubt.“
Deswegen schweigt ja auch der Präsident, und nur der Vize spricht.
## Beförderungen aus Bonn in den Kongo
Die Einlassung, präzisierte Verteidigerin Andrea Groß-Bölting, schrieb sie
bei einem Gefängnisbesuch am 12. Dezember auf und gab sie ihm nochmal zum
Gegenlesen.
Zuvor wurden an diesem Tag unter anderem eine Reihe E-Mails verlesen, in
denen es um Entwürfe von Presseerklärungen der FDLR im Jahr 2009 geht. Dann
eine Rechnung aus dem Jahr 2001, als Straton Musoni sechs verschiedene
FDLR-Stempel anfertigen ließ - bei der deutschen Firma CNC-Graviertechnik.
Rechnungssumme: €84,31.
Und weitere Kommunikation über militärisch Beförderungen innerhalb der
FDLR, die Murwanashyaka im Jahr 2007 von Deutschland aus nach einer
entsprechenden Sitzung des FOCA-Oberkommandos im Kongo vornahm – jener
Organisation also, von der Musoni behauptet, die FDLR habe mit ihr nichts
zu tun.
„Folgende Offiziere sind auf höhere Ränge (Brigadegeneral) berufen: Oberst
Manzi Léon, Amikwe Lepic, Izabayo Déogratias. Tritt am Tag der
Unterzeichnung in Kraft. Bonn, 15. Juli 2007, Ignace Murwanashyaka,
Präsident der FDLR.“
2 Feb 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
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