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# taz.de -- 287. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Richter wollen Anklage verk�…
> Tatvorwürfe, die sich ausschließlich auf Aussagen kongolesischer
> FDLR-Opfer stützen, will das Stuttgarter Gericht nicht weiterverfolgen.
Bild: Sowas reicht nicht, sagen die deutschen Richter: Zeichnung eines Opfers s…
STUTTGART taz | Im Kriegsverbrecherprozess gegen Ignace Murwanashyaka und
Straton Musoni, Präsident und 1. Vizepräsident der im Kongo kämpfenden
ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas),
will der zuständige 5. Strafsenat des Oberlandesgerichtes Stuttgart die
Anklage weiter einschränken. In einer „Anregung“ an die Parteien schlug der
Vorsitzende Richter Jürgen Hettich am 4. März vor, eine Reihe von
Anklagepunkten zu streichen – „auszuscheiden“, wie es im Juristendeutsch
heißt.
Es geht dabei nicht darum, die Tatvorwürfe gegen die Angeklagten zu
reduzieren, die sich auf Tötung, Versklavung, Vergewaltigung und weitere
Kriegsverbrechen sowie Verbrechen gegen die Menschlichkeit gemäß des
Völkerstrafgesetzbuches beziehen. Es geht darum, einige der in der
Anklageschrift zugrundlegelgten Einzelfälle nicht weiterzuverfolgen – wohl
weil die in der bisherigen Beweisaufnahme, die seit fast vier Jahren
andauert, vorgelegten Beweise dafür nicht ausreichen.
Konkret geht es um Angriffe auf Zivilisten, die die FDLR begangen haben
soll, als eine gemeinsame kongolesisch-ruandische Militäroperation gegen
sie am 25. Januar 2009 ihr Hauptquartier Kibua in der ostkongolesischen
Provinz Nord-Kivu erreichte. Laut Anklage wurden bei den Gefechten um Kibua
mindestens 12 Zivilisten von der FDLR „mit Gewehren und Macheten“ getötet
und weitere „mindestens 48“ entführt. Die FDLR musste bei dem Angriff Kibua
räumen – darüber, nicht aber so sehr über die in der Anklage erhobenen
Vorwürfe, haben zahlreiche ehemalige FDLR-Kämpfer im Prozess in Stuttgart
detailliert ausgesagt.
Weiter fallengelassen werden sollen nach Meinung des Stuttgarter
Strafsenats die Anklagepunkte, die sich auf einen Angriff auf das Dorf
Butolonga am 8. Mai 2009 beziehen, bei dem 131 Häuser niedergebrannt worden
sein sollen. Und zuletzt zwei Angeklapunkte, deren Orte die Bundesanwälte
nicht näher benennen, bei denen aber kongolesische Opferzeugen detaillierte
Schilderungen der damit verbundenen Greueltaten gemacht haben – darunter
eine besonders grausame Vergewaltigung.
## Mangelndes "Konfrontationsrecht"
Die Befragung kongolesischer FDLR-Opfer vor dem Stuttgarter Gericht war
anonym unter Ausschluss der Öffentlichkeit erfolgt, per Videovernehmung aus
einem ungenannten Ort in Afrika und ohne dass auch nur die Richter die
Identität der Opfer kannten. Mangels des nötigen „Konfrontationsrechts“
dieser Zeugen durch die Verteidigung gelten die Aussagen solcher Zeugen nun
offenbar nicht als ausreichend, um ohne flankierende Beweismittel einen
Tatvorwurf zu erhärten. Mehrere andere Anklagepunkte sind bereits in der
Vergangenheit vom Senat daher in Zweifel gezogen worden.
Anders als bei vielen anderen solchen Prozessen sind die Opfer in Stuttgart
nicht als zivile Nebenkläger vertreten. Dies hätte ihnen größere Rechte im
Verfahren zugesichert. So aber liegt es nicht in ihrer Hand, ob ihre
Aussagen überhaupt vom Gericht berücksichtigt werden.
## Mildere Anklage für Musoni
Wie der Senat weiter erklärte, wird beim zweiten Angeklagten, dem 1.
FDLR-Vizepräsidenten Straton Musoni, eine Beschränkung der Anklage auf den
Vorwurf der Rädelsführerschaft und Mitgliedschaft in einer terroristischen
Vereinigung angeregt, was unter Paragraph 129a des Strafgesetzbuches fällt.
Der Vorwurf der Vorgesetztenverantwortlichkeit für Kriegsverbrechen im
Sinne des Völkerstrafgesetzbuches, das das Rom-Statut des Internationalen
Strafgerichtshofs in deutsches Recht überträgt, würde dann nur noch gegen
den Hauptangeklagten und offiziell immer noch amtierenden FDLR-Präsidenten
Ignace Murwanashyaka aufrechterhalten werden. In der Anklage werden bisher
beide Vorwürfe „in Tateinheit“ erhoben.
Die Anregung des Senats soll helfen, den seit Mai 2011 laufenden Prozess
schneller zu Ende zu bringen. Bereits vor einer Woche hatte der Senat
erklärt, aus seiner Sicht sei die Beweisaufnahme fast abgschlossen und
könne bis Ende März zu Ende gehen.
Es stehen allerdings noch zahlreiche Beweisanträge der Verteidigung aus,
und auch am 4. März wurden neue gestellt – so einer zur Ladung der
ehemaligen Chefanklägerin der UN-Tribunale für Ruanda und Jugoslawien,
Carla del Ponte, zum Beweis der von der Verteidigung vorgebrachten These,
wonach die UNO bei der Aufarbeitung des Völkermordes in Ruanda nicht
neutral ermittelt habe und ihre Berichte über spätere Verbrechen
ruandischer Hutu-Kämpfer im Kongo daher auch nicht objektiv seien.
Der Prozess geht derweil mit der Verlesung der SMS-Nachrichten
Murwanashyakas an seine Untergebenen im Kongo im Zeitraum 2006-09 weiter.
6 Mar 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
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