# taz.de -- FDLR-Vize in Tansania in Haft: Ein Bauernopfer für den Frieden | |
> Wilson Irategeka, ein politischer Führer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR, | |
> wurde in Tansania festgenommen. Eine Geste in Richtung Ruanda. | |
Bild: Vertriebenenlager in Mweso, Ostkongo: In Mweso desertierte der FDLR-Vize. | |
STUTTGART taz | Wieder einer weniger: Oberstleutnant Wilson Irategeka, | |
zweiter Vizepräsident der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), wurde laut verschiedenen | |
Quellen vergangene Woche in Tansania festgenommen. | |
Irategeka hatte vor zwei Monaten das Hauptquartier des politischen Flügels | |
der FDLR in Bwero, in den Masisi-Bergen in der ostkongolesischen Provinz | |
Nord-Kivu, verlassen. Per SMS hatte er damals erklärt, er benötige | |
medizinische Behandlung im Krankenhaus der nahen Kleinstadt Mweso. Dort kam | |
er nie an. Später hieß es aus FDLR-Kreisen, er sei desertiert und nach | |
Tansania geflohen. | |
Tansania galt bislang als sicherer Hafen für die ruandischen Hutu-Rebellen, | |
die vom Ostkongo aus seit 20 Jahren gegen Ruandas Regierung unter Präsident | |
Paul Kagame Krieg führen und damit die Region destabilisieren. Als im Jahr | |
2012 Krieg im Ostkongo ausbrach, weil Rebellen der Tutsi-geführten M23 | |
(Bewegung des 23. März) zu den Waffen griffen, hatte Tansanias Präsident | |
Jakaya Kikwete seinen Amtskollegen Kagame aufgefordert, mit der FDLR zu | |
verhandeln. In den Augen Kagames gelten FDLR-Mitglieder jedoch als | |
Völkermörder, deren Anführer für den Tod von 800.000 Tutsi in Ruanda 1994 | |
verantwortlich sind. | |
Schließlich schickte Tansania Kampftruppen unter UN-Flagge in den Kongo, | |
die dort halfen, die ruandafreundliche M23 zu besiegen – aber sie weigerten | |
sich, danach gegen die FDLR loszuschlagen. | |
## Gestörte Beziehungen | |
Im Frühjahr 2013 wurde schon einmal ein hochrangiger FDLR-Führer in | |
Tansania festgesetzt: der stellvertretende FDLR-Militärchef General | |
Stanislas Bigaruka. Er hatte sich in Tansania aufgehalten – und verschwand | |
plötzlich spurlos. Später mehrten sich die Angaben, er sei dort von Ruandas | |
Geheimdienst in einer Spezialoperation gefangengenommen worden. Das | |
verärgerte Tansania schwer. | |
Die Festnahme von Irategeka scheint jetzt ein Versuch Tansanias zu sein, | |
die Beziehungen zu Ruanda wieder ins Lot zu bekommen. Erst vor zwei Wochen | |
ernannte Tansania einen neuen Botschafter für Ruanda. Zuvor hatten sich | |
Kagame und Kikwete bei einem Staatengipfel angenähert, auch um | |
Infrastrukturprojekte voranzubringen – Tansania ist das wichtigste | |
Transitland für Ruandas Außenhandel. Tansanias Botschafter Ali Idi Siwa | |
erklärte: „Die beiden Staatschefs haben sich getroffen und die Wogen | |
geglättet, wir beginnen einen neuen Weg und verbessern unsere Beziehungen.“ | |
Irategeka wurde im November 2014 zum zweiten Vizepräsident der FDLR | |
gewählt. Zuvor war er deren Vizegeneralsekretär. Er hatte sich innerhalb | |
der FDLR-Führung für eine breite Koalition mit Hutu-Oppositionellen im Exil | |
stark gemacht. Mehrfach war er im Jahr 2014 nach Tansania gereist, um dort | |
ruandische Exilpolitiker zu treffen. Er hatte in der FDLR-Führung die | |
Initiative der freiwilligen Entwaffnung vertreten: Damit könne das | |
Kagame-Regime zu Verhandlungen gedrängt werden, so die Idee. | |
Über 300 FDLR-Kämpfer übergaben vergangenes Jahr ihre Waffen der UN-Mission | |
im Kongo, aber eine Repatriierung lehnten sie ab und Kagame sah weiterhin | |
keinen Gesprächsbedarf. FDLR-Übergangspräsident Victor Byiringiro zerstritt | |
sich mit seinem Stellvertreter. Dieser bangte daraufhin wohl um sein Leben | |
und machte sich davon. | |
Seine Festsetzung kommt kurz bevor das Oberlandesgericht in Stuttgart | |
darüber entscheiden sollte, Irategeka als Zeugen zu laden. Die Verteidigung | |
von FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka, der seit fast vier Jahren in | |
Deutschland wegen Anführung einer Terrororganisation vor Gericht steht, | |
wollte Wilson Irategeka als Entlastungszeugen laden. | |
Am Montag lehnte der Senat in Stuttgart die Ladung ab. Möglich wäre sie | |
sowieso nicht mehr gewesen. | |
21 Apr 2015 | |
## AUTOREN | |
Simone Schlindwein | |
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