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# taz.de -- Kongos Krieg gegen FDLR-Rebellen: Die Strategie heißt Einkesseln
> In den Bergen nordwestlich von Goma beginnt der Krieg gegen die
> ruandische FDLR-Miliz. Die Armee geht ohne Rücksicht auf die Bevölkerung
> vor.
Bild: Harrt weiter aus: Witonze Nzambonipa, Chef der Vertriebenenlagers.
MWESO taz | Witonze Nzambonipa stützt beim Reden den Kopf mit der Hand, als
habe er Schmerzen. Der Chef des Vertriebenenlagers von Mweso hat eine
Odyssee quer durch Dschungel hinter sich, mit Frau und vier Kindern. Seit
acht Jahren leben sie in einem Lager aus Lehmhütten und Zeltplanen auf
einem Hügel über der Kleinstadt Mweso.
Unterhalb des Lagers schlängelt sich eine matschige Straße durchs Tal. Sie
führt weiter nach Norden – hoch in die Berge und Wälder, wo sich die
Rebellen verstecken. „Wir haben große Angst vor dem nächsten Krieg, aber
auch Hoffnung, dass wir danach endlich in unser Dorf zurückkönnen“, sagt
er.
Nzambonipa kommt aus dem Dorf Kivuye, ein paar Kilometer weiter. Dort
stehen die Kämpfer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte
zur Befreiung Ruandas). In seinem Haus leben ruandische Hutu, Frauen und
Kinder der FDLR-Soldaten. Sie bestellen seinen Acker. Das weiß er von
seinen Nachbarn, die nach Kivuye zurückgekehrt waren – doch wenig später
wieder im Vertriebenenlager aufschlugen. Die Lage sei nicht sicher, sagten
sie. So harrt der Familienvater weiter aus.
Letzte Woche haben offiziell die Militäroperationen der kongolesischen
Armee gegen die FDLR begonnen. Auf den Hügeln nördlich von Mweso beziehen
Soldaten Stellung. Vom Vertriebenenlager aus beobachtet Nzambonipa, wie
täglich Militärfahrzeuge durch Mweso brausen – gen Norden, wo die FDLR
ihren quasi-Staat im Staat unterhält. Die Berge und der Dschungel dort oben
bieten den Hutu-Kämpfern Deckung. Sie kontrollieren die einzige Straße dort
hoch. Damit soll es jetzt bald vorbei sein.
## Ein geheimer Plan
Aber wie? Bis zuletzt zweifelten Diplomaten in der Provinzhauptstadt Goma,
ob eine solche Operation gegen die FDLR überhaupt machbar sei. Es hatte
Unstimmigkeiten zwischen Kongos Armee und der UN-Mission Monusco gegeben.
Seit November war ein gemeinsamer Angriffsplan ausgeheckt worden. Kongos
Präsident Joseph Kabila hatte sich aber geweigert, ihn zu unterzeichnen.
Vergangenen Freitag kam dann Kongos Stabschef General Didier Etumba aus
Kinshasa mit einem eigenen Schlachtplan nach Goma.
Es herrschte Verwirrung: Jetzt war nicht mehr von „gemeinsamen“ Operationen
die Rede, sondern von einer Operation der kongolesischen Armee FARDC „mit
Unterstützung der Monusco“. Das heißt: Die Kongolesen führen, UN-Truppen
geben Rückendeckung und die UN-Mission bezahlt: Lebensmittelrationen,
Benzin, Ausrüstung.
Der geheime neue Plan, in welchen die taz Einblick erhielt, sieht vor, die
Stellungen der FDLR-Kommandanten zu umzingeln und den Ring langsam
zuzuschnüren. Die einfachen Kämpfer und deren Frauen und Kinder sollen sich
ergeben und von der UN in ihre Heimat Ruanda zurückgebracht werden. Als
militärische Ziele bleiben dann FDLR-Militärchef Sylvestre Mudacumura und
der FDLR-Kommandant für die Provinz Nord-Kivu, General Omega, übrig.
Mudacumura versteckt sich einige Dutzend Kilometer nördlich von Mweso in
der Nähe des Dorfes Ihula mit seinen treuesten Kämpfern. Hutu-Flüchtlinge
dienen ihm als menschliche Schutzschilde – eine verzwickte Lage für die
Angreifer. General Omega ist einfacher zu attackieren: Er versteckt und
bewegt sich im Virunga-Nationalpark, Afrikas ältestem Naturschutzgebiet
rings um Goma, mit Spezialeinheiten. Dort gibt es keine Zivilisten, nur
Elefanten und Büffel.
## Die Führer werden ausgeschaltet
Die Idee: Sind die beiden Militärführer ausgeschaltet, ist die strikt
hierarchisch strukturierte FDLR kampfunfähig. Übrig für eine mögliche
Verständigung bleibt dann die politische Führung um den amtierenden
FDLR-Präsidenten Victor Byiringiro.
Aber Vertriebenenchef Nzambonipa ist nicht zuversichtlich. Täglich treffen
neue kongolesische Hutu-Familien in seinem Lager ein, sagt er. „Sie
fürchten, dass sie für FDLR gehalten oder von ihnen als Schutzschilde
missbraucht werden“, erklärt er.
Die ganze Bevölkerung nördlich von Mweso ist auf der Flucht. Seit
Jahrzehnten ist in diesem Gebiet der Staat nicht präsent. Seitdem die
FDLR-Kämpfer sich dort wegen der anstehenden Operationen in die Wälder
zurückgezogen haben, herrscht ein totales Machtvakuum. Im Krankenhaus von
Mweso werden Verletzte mit Schusswunden eingeliefert. In Kitchanga wurden
acht Hutu mit Macheten zerhackt.
Niemand weiß, wer die Täter sind. Klar ist nur: Andere lokale Milizen
rüsten sich, um das freiwerdende FDLR-Territorium einzunehmen.
6 Feb 2015
## AUTOREN
Simone Schlindwein
## TAGS
Hutu
Rebellen
FDLR
Kongo
Polizei
OLG Stuttgart
Kongo
Goma
Frank-Walter Steinmeier
Martin Kobler
Coltan
Joseph Kabila
FDLR
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