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# taz.de -- Entwicklungshilfe im Kongo: Der Abenteuerflugplatz
> Die Piste des Flughafens von Goma war lange verschüttet. Nun übergibt
> Außenminister Steinmeier eine renovierte Teilstrecke.
Bild: Landebahn des Flughafens in Goma (Archivbild, 2007).
GOMA/BERLIN taz | Ein deutscher Minister, der einen Flughafen eröffnen
will, muss nicht in Berlin auf eine Gelegenheit warten. Bundesaußenminister
Frank-Walter Steinmeier reist am Freitag mit einer UN-Sondermaschine als
erster deutscher Außenminister überhaupt in die Millionenstadt Goma –
mitten in Ostkongos Konfliktgebiet –, um dort ein Stück Flughafen feierlich
freizugeben.
Damit zieht Steinmeier einen Schlussstrich unter eines der
abenteuerlichsten Projekte der deutschen Entwicklungshilfe in Afrika. Gomas
Flughafen ist nur noch bedingt funktionsfähig, seit am 17. Januar 2002 der
Vulkan Nyiragongo nördlich der Stadt ausbrach. Eine Spalte in der Erdkruste
öffnete sich, gigantische Lavamassen schossen die Piste entlang, quer durch
die Millionenstadt bis in den Kivu-See.
Große Teile Gomas wurden damals verschüttet, darunter fast die Hälfte der
3,5 Kilometer langen Start-und-Lande-Bahn. Der brennende Lavastrom
verfehlte nur um wenige Meter die Kerosintanks des Flughafens. Das Gefühl,
der Katastrophe um ein Haar entgangen zu sein, prägt das Lebensgefühl in
Goma seitdem noch stärker, als es ohnehin schon der Fall ist.
Bis heute erinnert sich Ernest Lumbu Tshingola, Kongos Beauftragter für die
Flughafenarbeiten, an diesen Tag: „Es war eine enorme Katastrophe, die sich
bis heute auswirkt, denn sie hat Goma wirtschaftlich sehr geschadet“, sagt
er. Der kleine Mann steht mit seinen glänzend polierten Lederschuhen auf
der frisch asphaltierten Landebahn. Der Teer ist noch heiß und klebt an den
Sohlen. Doch das stört Tshingola nicht. Er muss zusehen, dass die
Bauarbeiten fertig sind, wenn der deutsche Minister kommt.
## Internationaler Flughafen bis 2002
Hinter ihm rollen gewaltige Teermaschinen auf und ab. Ein Hubschrauber
landet wenige Meter entfernt. Gleich darauf kommt eine UN-Maschine an, aus
der Blauhelmsoldaten steigen. Nebenan entlädt man Lebensmittel aus einem
Transportflieger des UN-Welternährungsprogramms (WFP). Hochbetrieb inmitten
von Bauarbeiten.
Bis 2002 war Goma ein internationaler Flughafen. Seit Ende der 1970er Jahre
landeten hier große Frachtmaschinen, lieferten Waren an und holten
Rohstoffe ab. Landen können die Maschinen bis heute nur von Süden her, vom
Kivu-See, weil im Norden der 4.700 Meter hohe Nyiragongo-Vulkan in den
Himmel ragt. So düsen die Flugzeuge im Landeanflug knapp über die
Hausdächer der Millionenstadt, wo den Bewohnern der Boden unter den Füßen
wackelt und alle Gespräche pausieren, bis das Motorengebrüll vorüber ist.
Bei allen, die Goma zum ersten Mal besuchen, lösen diese Landemanöver Panik
aus. Daran erkennt man sie leicht, die Frischlinge unter den Mitarbeitern
von Hilfswerken, die in Goma die Mehrheit der weißen Ausländer ausmachen.
Für die Einheimischen dagegen ist der Tiefflug ein Spektakel: Kinder laufen
auf die Gassen, um zu winken. Frauen nennen ihre Babys nach Flugzeugtypen.
Der Name „Douglas“ ist beliebt, denn in den 80er Jahren landeten hier die
gewaltigen Maschinen der gleichnamigen schottischen Frachtfirma.
## Vorbei an erkalteten Lavahaufen
Die Halbierung einer Flugpiste kann einen Kongolesen nicht erschüttern. Der
Flughafen blieb nach 2002 in Betrieb – nur eben etwas anders. Nach dem
Einchecken lief man nicht mehr wie früher zur wartenden Maschine vor dem
Terminal, sondern quetschte sich samt Gepäck in überladene Minibusse, die
sich zuerst an Lavabergen vorbeischlängelten.
Manche Piloten konnten mit der verkürzten Piste nicht umgehen und
bretterten nicht in den Himmel, sondern in den Markt von Goma direkt
unterhalb der Startbahn – mit tödlichen Folgen. Unvergessen der Flug nach
Kinshasa, auf dem das verängstigte Bordpersonal die Passagiere aufforderte,
sich zum Start weit hinten in der Maschine zu versammeln, damit diese so
steil wie möglich abheben und die sechs Meter hohen erkalteten Lavahaufen
möglichst sicher überwinden konnte.
Das war ein Flug der Linie CAA (Compagnie Aérienne d’Aviation), Teil des
Kongo-Geschäftsimperiums des US-Unternehmers David Blattner. Die CAA flog
als einzige Fluglinie nach 2002 weiterhin mit einem Airbus 320 Goma an –
dabei müssen die Piloten aber exakt den Beginn der Landebahn berühren und
dann den vollen Rückschub einlegen, damit die Maschine nicht über die Piste
hinausschießt. Sonst bleibt sie auf dem Flugzeugfriedhof liegen, wie schon
unzählige andere Wracks, auf denen Kinder herumturnen, Ziegen im Schatten
dösen und die Frauen der am Flughafen stationierten Soldaten ihre Wäsche
zum Trocknen aufhängen.
Nun hat Blattners lokale Baufirma Safricas im Auftrag der Deutschen
Welthungerhilfe die Piste wieder ein Stück verlängert: von 2.000 auf 2.665
brauchbare Meter. Insgesamt 14 Millionen Euro Entwicklungshilfe flossen in
dieses Projekt, das im April 2009 feierlich begonnen, ein halbes Jahr
später vom Kongo unfeierlich suspendiert, später fortgesetzt, erneut
suspendiert und jetzt schließlich mit einer zweiten Finanzspritze zu Ende
geführt wurde.
Eigentlich war die Rehabilitierung des Flughafens als Unterstützung der
UN-Truppen im Kongo konzipiert. Die UN-Blauhelmmission Monusco nutzt den
Flughafen als Militärbasis, die kongolesische Armee als Waffenlager – es
ist ein strategisch wichtiger Ort, auch für die Rebellen der M23 (Bewegung
des 23. März), die im November 2012 den Flughafen und dann ganz Goma
einnahmen und elf Tage lang besetzten.
Sie lieferten sich heftige Gefechte rund um die Landebahn, da sie das
Waffenlager plündern wollten. Vergeblich: Die Blauhelme verteidigten zwar
nicht die Stadt, dafür aber den Flughafen. Als die Rebellen abgezogen
waren, errichteten uruguayische UN-Blauhelme aus Sicherheitsgründen eine 8
Kilometer lange und 3 Meter hohe stacheldrahtbewehrte Mauer um das
Flughafengelände. Warum die UNO nicht einfach die Piste instand setzte,
versteht bis heute niemand.
## Noch nicht ganz fertig
Als der Vulkan Goma verwüstete, hatte die Deutsche Welthungerhilfe neben
der UNO als einzige große Organisation Baumaschinen in Goma, die die
gigantischen Lavasteine weghieven konnten. Also kümmerte sie sich nach 2009
auch um den Flughafen. Es kommt relativ selten vor, dass eine deutsche
Hilfsorganisation mit Entwicklungshilfegeldern kommerzielle Bauarbeiten
dieser Art durch ein Subunternehmen durchführen lässt.
Eigentlich war der Auftrag an die deutsch-österreichische Baufirma Strabag
gegangen, die schon in Ruanda jenseits der nahen Grenze das Straßennetz
ausgebaut hat. Aber als 2012 die M23 Goma einnahm, überwogen die
Sicherheitsbedenken. Eine neue Ausschreibung führte 2013 zum Vertrag mit
Safricas.
Doch auch die Welthungerhilfe hatte immer wieder Probleme: Ihrem
langjährigen Leiter in Goma, dem Belgier Patrick Evrard, wurden
Unregelmäßigkeiten vorgeworfen – die er bestreitet –, und er wurde
gefeuert. Und während in mühevoller Arbeit 330.000 Kubikmeter Lavagestein,
das sich zum Teil bis zu fünf Meter hoch türmte, von der Piste abgetragen
wurden, flackerten die Kriege rund um Goma immer wieder auf.
Egal: Die Arbeit ist fast abgeschlossen, und am Freitag übergibt
Bundesaußenminister Steinmeier das Ergebnis an Kongos Regierung. Voll
flugtauglich ist der Flughafen damit noch nicht, denn 500 Meter Piste sind
immer noch nicht ausgebaut. Erst wenn das geschehen ist, kann die Piste
wieder eine Zertifizierung für den internationalen Flugverkehr erhalten.
Zudem fehlen noch ein neuer Kontrollturm und Beleuchtung.
Noch heikler: Die freigeräumte Piste braucht noch die zweite Teerschicht.
Die Kongolesen haben versprochen, diese bis April fertigzustellen. Dann
wird noch die weiße Fahrbahnmarkierung aufgetragen, von der Welthungerhilfe
in Auftrag gegeben. Erst dann ist das deutsche Projekt tatsächlich
abgeschlossen.
Der Kongolese Tshingola freut sich, dass bald wieder große Boeings und
Airbusse landen werden. „Dann kommen hoffentlich auch bald wieder
Touristen, um unseren Nationalpark und den Vulkan zu besuchen“, schwärmt
er. Ethiopian Airlines und Kenya Airways wollen Goma noch in diesem Jahr
anfliegen. Finanzieren soll den endgültigen Ausbau die Weltbank, mit der
Kongos Regierung derzeit noch verhandelt.
Tshingola hofft, dass die Arbeiten in zwei Jahren fertig sind. „Dann können
wir wieder unsere Waren in alle Welt hinausfliegen“, lächelt er und zählt
auf: „Käse, Gemüse, Fleisch, Rohstoffe.“
19 Feb 2015
## AUTOREN
Dominic Johnson
Simone Schlindwein
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