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# taz.de -- 38.-39. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Die Militärs sind schuld
> Die FDLR-Miliz hat Übergriffe an der Zivilbevölkerung im Kongo verübt,
> bestätigt ein Zeuge. Aber dies habe nicht der angeklagte Präsident
> Murwanashyaka zu verantworten.
Bild: Nicht mehr als ein Marionettenkaiser? Ignace Murwanashyaka nach seiner Fe…
STUTTGART taz | Die ruandische Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur
Befreiung Ruandas) beging sehr wohl Plünderungen an der kongolesischen
Zivilbevölkerung in den Gebieten unter ihrer Kontrolle. Dies bestätigte
Séraphin Gasore, ehemaliger Vize-Justizkommissar der FDLR, im Prozess gegen
FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und dessen Vize Straton Musoni vor dem
Oberlandesgericht Stuttgart während seiner Befragung als Zeuge am 14. und
16. November.
Murwanashyaka habe gewünscht, dass Plünderung und Raub als nicht vereinbar
mit den Zielen der Organisation aufhören, doch die FDLR-Soldaten hätten das
nicht befolgt, sagte Gasore, der die FDLR 2007 heimlich verließ und über
Kenia nach Ruanda zurückkehrte. Dies habe sich auch später fortgesetzt –
beispielsweise bei dem Angriff auf das Dorf Busurungi im Mai 2009, einer
der Anklagepunkte gegen die FDLR-Führer: "Sie haben fast die ganze Siedlung
niedergebrannt", bestätigte Gasore und berief sich auf FDLR-Rückkehrer nach
Ruanda.
Die Miliz habe sich an der Zivilbevölkerung "gerächt", nachdem Kongos und
Ruandas Armeen gemeinsam im Januar/Februar 2009 gegen die FDLR vorgingen,
so der Ex-Vizekommissar. "Es ist selbstverständlich, dass der
Zivilbevölkerung die Kooperation mit FARDC und ruandischer Regierung
vorgeworfen wurde."
Als ehemaliger Vize-Justizkommissar der FDLR war Gasore mitverantwortlich
für die Disziplinierung von Kämpfern. Von 2004/05 bis zu seiner Flucht 2007
leitete er das zentrale FDLR-Gericht in Kibua (Distrikt Masisi, Provinz
Nord-Kivu), das Strafen bis hin zur Todesstrafe verhängen konnte – wobei in
seiner Zeit keine Todesstrafen ausgesprochen wurden, so Gasore.
Es habe viele Verfahren gegeben wegen Plünderung ohne Befehl. Oft seien
kongolesische Zivilisten zu den FDLR-Behörden gegangen und diese hätten der
FDLR-Gerichtsbarkeit berichtet, woraufhin Verfahren eröffnet worden seien.
Plünderungen auf Befehl würden aber nicht bestraft, so Gasore; sie seien
eine Überlebens- und Trainingsstrategie gewesen und eine Strafe für die
Zusammenarbeit der betroffenen Bevölkerung mit den Armeen Kongos und
Ruandas. Diese Plünderungen seien auch mit Misshandlungen verbunden
gewesen.
## Ausführliche Befragung
Die ausführliche und akribische Befragung versuchte vor allem, das
Verhältnis zwischen den verschiedenen Instanzen und
Führungspersönlichkeiten der FDLR zu klären. Gasore zeichnete das Bild
einer Organisation, in der eigentlich die Militärs das Sagen haben.
Der Zivilist Murwanashyaka sei nur deswegen überhaupt Präsident der Miliz
geworden, weil Kongos Regierung – die im Jahr 2000, während des laufenden
Kongokrieges, die FDLR-Gründung vorangetrieben und auch den Namen der
Gruppierung vorgeschlagen habe – die Ernennung eines Zivilisten geraten
habe. Murwanashyaka sei ausgewählt worden, weil er die Macht der Soldaten
nicht beschränken würde.
"Es gab keine Anweisungen von Murwanashyaka, die die Armeeführung vorher
nicht beraten hat", so der Ex-Vizekommissar; umgekehrt allerdings habe die
Armeeführung nicht alle Wünsche des Präsidenten umgesetzt. Schon 2004
hätten FDLR-Kämpfer versucht, Murwanashyaka abzusetzen.
Während der von der italienischen katholischen Gemeine Sant'Egidio
vermittelten Gespräche mit Kongos Regierung 2005 trat Murwanashyaka dafür
ein, den Völkermord in Ruanda 1994 anzuerkennen, um mehr Akzeptanz für die
Ziele der FDLR zu erwirken; dies sei aber von den Kämpfern nie akzeptiert
worden. Murwanashyaka habe 2006 Plünderungen an der Zivilbevölkerung
stoppen wollen, die Militärführung habe dies abgelehnt.
Deswegen habe die Militärführung um Mudacumura auch immer zu Murwanashyaka
als Präsident gehalten – damit konnte sie selbst machen, was sie wollte.
"Manchmal haben wir uns gefragt, ob wir ihn brauchen", berichtete Gasore
über die Diskussionen unter den FDLR-Führern im Kongo. "Wenn Murwanashyaka
etwas zu sagen hätte bei den Leuten, dann hätten diese seine Entscheidungen
befolgt."
Redaktion: Dominic Johnson
20 Nov 2011
## AUTOREN
Bianca Schmolze
## TAGS
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
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