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# taz.de -- 44.-45. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Wenn die Hütten brennen
> Ein FDLR-Soldat schildert in Stuttgart Einzelheiten von Angriffen der
> ruandischen Hutu-Miliz auf Zivilisten in den ostkongolesischen Dörfern
> Busurungi und Manje.
Bild: Ein FDLR-Kämpfer in einem kongolesischen Dorf.
STUTTGART taz | Muss der 5. Strafsenat des OLG Stuttgart eventuell die
kompletten Kivu-Provinzen im Ostkongo nachbauen, um den
Kriegsverbrecherprozess gegen die beiden ruandischen Milizenführer Ignace
Murwanashyaka und Straton Musoni zu Ende führen zu können? Im Rahmen der
Zeugenvernehmung eines ruandischen FDLR-Milizionärs am 5. und 7. Dezember
wird zum Teil so ausführlich über Standorte, Laufwege und Entfernungen per
Fußmarsch in Ostkongos Bergwäldern gesprochen, dass man sich wünschte, der
Schwäbische Albverein könnte vor Ort nachsehen.
Die Verteidigung der beiden angeklagten Führer der FDLR (Demokratische
Kräfte zur Befreiung Ruandas) verzichtet schließlich auf die Idee, eine
Kivu-Karte im Maßstab 1:10.000 erstellen zu lassen, nachdem die
Bundesanwaltschaft vorrechnet, diese Karte wäre 10.000 DIN-A4-Blätter groß.
Der Antrag wird abgeändert auf den Maßstab 1:1.000.000.
Wichtig sind diese Fragen bei der Vernehmung von Korporal P. deshalb, weil
der FDLR-Kämpfer lange Zeit in Shario stationiert war – ein von ruandischen
Hutu-Flüchtlingen und FDLR-Kämpfern bewohnter Ort in Nord-Kivu.
Seine Zerstörung durch kongolesische Armeeeinheiten im Jahr 2009 bewog die
FDLR dazu, aus Rache in der Nacht vom 10. Mai 2009 den Nachbarort Busurungi
zu vernichten – und zwar nicht nur die Armeestellungen dort, sondern das
gesamte Dorf samt zahlreichen seiner Bewohner.
Das Massaker von Busurungi ist der schlimmste einzelne
Kriegsverbrechenvorwurf in der deutschen Anklage gegen FDLR-Präsident
Ignace Murwanashyaka und seinen Vize Straton Musoni.
##
## "Viele Leute sind gestorben“
P. war nicht selbst dabei, als die Vorfälle in Shario und Busurungi
geschahen. Im Februar 2009 war er aus Shario nach Nyabiondo gelaufen –
„drei Tage zu Fuß, wenn man schnell läuft“ – um Angehörige zu besuchen.
Aufgrund der damals tobenden kongolesisch-ruandischen Militäroperation
„Umoja Wetu“ gegen die FDLR und späterer militärischer Auseinandersetzung…
konnte er dann nicht wieder zurück, sondern erst im Juli, als sich die Lage
beruhigt hatte.
„Es gab nur noch Wiese, wo es mal Häuser gab“, schildert er, was er sah,
als er damals nach Busurungi kam. „FARDC (Kongos Armee, d.Red) und
Zivilisten waren geflüchtet. Alle Häuser waren niedergebrannt“. Er führt
aus: „Ich weiß, dass viele Leute gestorben sind. Vor allem Zivilisten sind
gestorben.“
Die Einzelheiten des Angriffs der FDLR auf Busurungi schildert P. wie
folgt: „Die FARDC griff Zivilisten an in der Nähe von Shario. Diese
ruandischen Zivilisten waren Essen holen gegangen. Als sie bei der Ernte
ankamen, waren FARDC dort. FARDC schossen auf sie und töteten 4 Zivilisten.
Sie schnitten den toten Zivilisten die Arme ab und zeigten sie überall in
Busurungi herum. Sie sagten, sie hätten Interahamwe (geläufiger Begriff für
ruandische Hutu-Milizionäre, erst in Ruandas Völkermord und später im
Kongo, d.Red) getötet. Die FDLR plante daraufhin einen Angriff auf die
FARDC in Busurungi."
Die Brigade Zenit plante den Angriff, da sie dort in der Nähe war. Sie bat
um Unterstützung, ein anderes Bataillon ging dann hin. Sie bereiteten sich
vor und griffen Busurungi an. Es waren circa 800 – 1.000 Leute. Sie
erbeuteten dort militärische Ausrüstung und Sachen von Zivilisten.“ Die
erbeutete FARDC-Uniformen hätten die FDLR später selbst getragen.
Ähnliches berichtet P. vom nahen Ort Manje, wo es in der Nacht des 20. Juli
2009 ein ähnliches Massaker gab, weil sich die aus Busurungi und Shario
vertriebenen FARDC-Einheiten dort versammelt hatten: 800 FDLR-Kämpfer, so
der Korporal, zerstörten Manje, obwohl sie wussten, dass es dort Zivilisten
gab.
## Leichen zurückgelassen
„Die FARDC griff dort zuvor an, da sie wütend war über Busurungi. Sie
sammelten Kräfte, um FDLR in Shario anzugreifen. Die FDLR war stärker, die
FARDC wichen zurück – wenn es schlimm wurde, suchte die FARDC Zuflucht
dort, wo Zivilisten waren. Als die FDLR Manje angriff, starben dort viele
Zivilisten, da diese keine Erfahrung haben mit Kämpfen.“
„Es war bekannt, dass es in FARDC-Stellungen Zivilisten gab“, erklärt der
Korporal; „bei den FDLR war es auch üblich.“ Erst habe man die FARDC aus
Manje vertrieben, dann die Häuser dort niedergebrannt, weil dort auch
Soldaten drin gewohnt hatten. Dann sei man wieder abgezogen. Die Leichen
der Opfer habe man zurückgelassen.
## Mit 15 Jahren zwangsrekrutiert
Die Einzelheiten über diese beiden Angriffe habe er damals von anderen
FDLR-Soldaten im Feld erfahren, sagt der Korporal weiter aus. Über
Busurungi sei er neugierig geworden, nachdem er das verbrannte Dorf gesehen
hatte, und habe nachgefragt; Manje habe sich kurz vor seiner Rückkehr aus
Nyabiondo ereignet und sei daher Gesprächsstoff gewesen.
Er sagt auch, dass Busurungi, Manje und andere von der FDLR angegriffene
Orte alles Ortschaften waren, „wo die Zivilbevölkerung gegen die FDLR ist“.
P. ist der erste Zeuge, der mit Zeugenbeistand auftritt, weil er ein
einfacher Kämpfer gewesen ist; der 27- oder 28jährige – ob er 1983 oder
1984 geboren ist, wird nicht klar - wurde schon mit 15 von Hutu-Kämpfern
zwangsrekrutiert und diente zuerst im FDLR-Vorgänger ALIR. Er hat
mittlerweile die FDLR verlassen und lebt heute in Ruanda.
Redaktion: Dominic Johnson
13 Dec 2011
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Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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