# taz.de -- 48. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Murwanashyakas Hoffnung | |
> Vor der Weihnachtspause gibt Den Haag der Verteidigung des | |
> FDLR-Präsidenten Auftrieb. Und es wird deutlich, welche Hoffnungen er | |
> 2009 auf Kongos Unzufriedenheit mit Kabila setzte. | |
Bild: Vital Kamerhe sollte unzufriedene Ostkongolesen sammeln: Wahlkampf in Gom… | |
STUTTGART taz | Im letzten Prozesstag des Jahres gegen die beiden | |
FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni vor dem | |
Oberlandesgericht Stuttgart hat die Verteidigung erwartungsgemäß die | |
Entwicklungen beim Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag zum Anlass | |
genommen, um erneut und mit verstärktem Nachdruck die Haftentlassung ihrer | |
Mandanten zu fordern. Folgen hatte das in der Verhandlung am 19. Dezember | |
allerdings keine. | |
Die Richter in Den Haag hatten drei Tage zuvor beschlossen, Callixte | |
Mbarushimana auf freien Fuß zu setzen und ihn nicht wegen Kriegsverbrechen | |
und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzuklagen. Die Beweise gegen den | |
FDLR-Exekutivsekretär, der nach der Inhaftierung von FDLR-Präsident | |
Murwanashyaka im November 2009 faktisch von Paris aus die Rolle des | |
prominentesten FDLR-Führers in Europa übernommen hatte, seien nicht | |
ausreichend, befanden die Richter der 1. Vorverfahrenskammer mit zwei | |
Stimmen gegen eine. Einsprüche gegen den sofortigen Vollzug der Aussetzung | |
des Haftbefehls wurden seither abgelehnt, die Entlassung Mbarushimanas und | |
sein Flug nach Paris wurden noch vor Weihnachten erwartet. | |
Zum Antrag der Verteidigung auf Verlesung der Entscheidung der Den Haager | |
Vorverfahrenskammer sagte die Bundesanwaltschaft, dann müsse auch die | |
abweichende Minderheitenmeinung der Vorsitzenden Richterin verlesen werden | |
- diese hatte an ihren beiden Kollegen scharfe Kritik geübt, sich aber | |
nicht durchsetzen können. Weiter beantragte die Anklage, den Haftbefehl | |
gegen Murwanashyaka und Musoni aufrechtzuerhalten. Bisherige Anträge der | |
Verteidigung auf Haftentlassung sind immer abgelehnt worden, zumal die | |
Hauptverhandlung weiterläuft. | |
Zeugen traten am 19. Dezember in Stuttgart nicht mehr auf. In mehreren | |
verlesenen Telefonüberwachungsprotokollen wurde erneut deutlich, in welcher | |
schwierigen Lage sich die FDLR im Kongo befand, nachdem die gemeinsame | |
kongolesisch-ruandische Militäroperation "Umoja Wetu" im Januar und Februar | |
2009 sie geschwächt hatte. | |
## Durch "Verrat" überrascht | |
Textnachrichten des 2. FDLR-Vizepräsidenten an Murwanashyaka vom 20. April | |
2009 klagen über eine Militäroperation in Nord-Kivu, bei der er selbst fast | |
festgenommen wurde und die erhoffte Entlastung durch die Reservebrigade | |
ausgeblieben sei, da diese sich "in Luft aufgelöst" habe, "ohne Bescheid zu | |
geben". Man sei durch "Verrat" überrascht worden. Viele Militärs der FDLR | |
meldeten sich nicht mehr an die Front, sondern "desertierten" und vollzögen | |
"illegale Ehen, auch Zwangsehen", hieß es; dies führe zu einer Situation, | |
"die vom Wald aus nicht mehr zu kontrollieren ist". | |
Die FDLR fühlte sich, wie aus abgehörten Äußerungen Murwanashyakas | |
hervorging, durch "Umoja Wetu" von Kongos Regierung verraten, suchte aber | |
dennoch danach wieder den Kontakt zu ihr. Am 3. März 2009 ereifert sich | |
Murwanashyaka in einem Gespräch, in Kongo-Brazzaville seien 5000 | |
FDLR-Kämpfer in die Regierungsarmee von Präsident Sassou-Nguesso integriert | |
worden, aber die Eingliederung von 2000 FDLR-Kämpfern in die Armee der | |
Demokratischen Republik Kongo (FARDC) sei gescheitert. "Warum? Weil | |
kongolesische Brüder zu Kabila gingen und ihm sagten: die ruandische Brut | |
ist sehr gefährlich, Bemba oder so werden sie benutzen, um Sie zu stürzen." | |
Wer über all dies Bescheid wisse und auch erneut kontaktiert werden sollte, | |
so der FDLR-Präsident weiter, sei Vital Kamerhe - Kongos | |
Parlamentspräsident, der im Februar 2009 aus Protest gegen "Umoja Wetu" | |
zurücktrat. "Muss in aller Diskretion sein", fordert Murwanashyaka seinen | |
Gesprächspartner auf, bei der Diskussion darüber, Kamerhe erneut zu | |
kontaktieren. | |
## "Diskreter" Kontakt zu Vital Kamerhe | |
Ausführlicher sprach der FDLR-Präsident darüber am 2. Juni 2009 mit Pater | |
Matteo von der italienischen Kirchengemeinde Sant'Egidio, die bereits 2005 | |
Gespräche mit der FDLR eingefädelt hatte. Kamerhe werde im Kongo "verjagt", | |
teilt Murwanashyaka dem Italiener mit: "Sie dürfen nicht erstaunt sein, | |
wenn es eine Koalition gegen Kabila gibt und er wird ein Problem haben, da | |
herauszukommen." In dieser Zeit kämpft Kongos Regierungsarmee FARDC ohne | |
Unterstützung Ruandas gegen die FDLR, in der Operation Kimia II. Nach | |
Murwanashyakas Überzeugung sind die kongolesischen Truppen, die der FDLR | |
dabei gegenüberstehen, aber "zu 80 Prozent CNDP" - die einstige | |
Rebellenbewegung des kongolesischen Tutsi-Generals Laurent Nkunda, die zu | |
Beginn von Umoja Wetu Frieden mit Kabila schloss. | |
"Zu bedauern ist die Zivilbevölkerung, ob ruandische Flüchtlinge oder | |
Kongolesen", warnt der FDLR-Chef. "Es sind nicht FDLR, auch nicht CNDP, die | |
zu bedauern sind. Viele Opfer sind FARDC, die nicht auf der Höhe ihrer | |
Aufgaben sind". Manchmal würden komplette Bataillone mit 1000 bis 1500 Mann | |
in ein Dorf mit 1000 Bewohnern einfallen und erwarten, von der | |
Zivilbevölkerung ernährt zu werden. "Die kongolesische Bevölkerung leidet | |
unter der FARDC und unter dem Krieg." | |
Daraus zieht Murwanashyaka auch seinen Optimismus, dass die Bevölkerung der | |
ostkongolesischen Kivu-Provinzen sich gegen Kabila stellen wird und Vital | |
Kamerhe dabei eine wichtige Rolle spielen wird. Bei Kongos | |
Präsidentschaftswahl 2011 kandidierte Kamerhe tatsächlich gegen Kabila, und | |
wie die anderen Oppositionspolitiker des Landes wirft er Kabila massiven | |
Wahlbetrug vor, der ihn um den Sieg in den Kivu-Provinzen gebracht haben | |
soll. Berichten zufolge hat die FDLR in ihren Einflussgebieten im Kivu zur | |
Wahl Kamerhes aufgefordert. | |
Der Prozess wird am 9. Januar 2012 fortgesetzt. | |
Redaktion: Dominic Johnson | |
23 Dec 2011 | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
116.- 117. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Ich habe 100 Prozent Kontrolle… | |
Wie FDLR-Präsident Murwanashyaka 2008-09 am Telefon mit einem italienischen | |
kirchlichen Vermittler den Krieg seiner Miliz und seine eigene | |
Machtposition analysierte. | |
61. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: "Wir waren erfolgreich" | |
Aus Telefonaten mit seinen Kollegen in der FDLR-Führung geht hervor, wie | |
unnachgiebig FDLR-Präsident Murwanashyaka auf die militärische Schwächung | |
seiner Miliz 2009 reagierte. | |
57.-60. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Schüsse fielen wie Regen | |
Erstmals beschreibt ein Mittäter im Detail den Angriff der ruandischen | |
FDLR-Miliz auf das kongolesische Dorf Busurungi im Mai 2009. | |
53.-56. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Der Zeuge und das Video | |
Kuriose Umstände der Vernehmung eines Ex-FDLR-Kämpfers bringen die Anklage | |
in Bedrängnis. Erstmals wird das Video einer Vernehmung öffentlich im | |
Gerichtssaal gezeigt. | |
49.-52. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Der Zeuge als Opfer | |
Ein ehemaliger FDLR-Meldegänger erzählt - aber nicht so, wie es die | |
Prozessbeteiligten gerne hätten. "Es ist die Pflicht des Zeugen, sich | |
anzustrengen!", meckert die Verteidigerin. | |
Hutu-Rebellen im Kongo: Dutzende Tote in Süd-Kivu | |
Im Osten der Demokratischen Republik Kongo greift die ruandische Hutu-Miliz | |
seit Wochenanfang mehrere Dörfer an und tötete mindestens 26 Menschen. Die | |
Armee schickt Soldaten. | |
Internationaler Strafgerichtshof: Buschkrieger sinnen auf Rache | |
Der Internationale Strafgerichtshof will einen ruandischen Kriegsführer aus | |
der Haft entlassen. Obwohl seine Miliz im Kongo weiterkämpft und | |
einschüchtert. | |
46.-47. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Ziegen und Zivilisten | |
Ein demobilisierter FDLR-Kämpfer erklärt, wie friedlich seine Miliz im | |
Kongo lebte. Und wie rücksichtslos sie kämpfte, als der Frieden vorbei war. | |
44.-45. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Wenn die Hütten brennen | |
Ein FDLR-Soldat schildert in Stuttgart Einzelheiten von Angriffen der | |
ruandischen Hutu-Miliz auf Zivilisten in den ostkongolesischen Dörfern | |
Busurungi und Manje. | |
42.-43. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Das Satellitentelefon im Wald | |
Ein Verbindungsoffizier der FDLR erzählt im Stuttgarter Oberlandesgericht, | |
wie die Führung in Deutschland mit den Militärs im Kongo kommunizierte. | |
Wahlkampf in Ostkongo: Kabila baut auf Sand | |
In Ostkongo herrscht Wahlkampf. "Hauptsache, jemand von hier", heißt es | |
nach Jahren staatlicher Ignoranz und Korruption. Präsident Kabila gelten | |
kaum noch Sympathien. |