# taz.de -- 116.- 117. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Ich habe 100 Proze… | |
> Wie FDLR-Präsident Murwanashyaka 2008-09 am Telefon mit einem | |
> italienischen kirchlichen Vermittler den Krieg seiner Miliz und seine | |
> eigene Machtposition analysierte. | |
Bild: „Kongos Armee wird gegen uns nie militärisch gewinnen“, sagt FDLR-Pr… | |
STUTTGART taz | Einer der wichtigsten internationalen Kontakte der FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) in den Jahren 2008-09 war der | |
italienische Pater Matteo Zuppi, damals Große-Seen-Beauftragter der in | |
Friedensprozessen weltweit involvierten katholischen Gemeinde Sant'Egidio. | |
Der Geistliche, der dieses Jahr zum Weihbischof von Rom ernannt wurde, | |
sprach damals häufig mit FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka in | |
Deutschland, organisierte Treffen im Kongo und war im Sommer 2009 auch an | |
Versuchen beteiligt, ein Vermittlungstreffen zwischen FDLR und | |
kongolesischen Regierungsvertretern in Nord-Kivu herbeizuführen. | |
Abgehörte Telefonate zwischen Pater Matteo und Murwanashyaka wurden am 26. | |
und 28. November als Beweismittel im Prozess gegen Murwanashyaka und seinen | |
Vize Straton Musoni am OLG Stuttgart vorgespielt. | |
Eines geht daraus klar hervor: Murwanashyaka nahm es übel, wenn Pater | |
Matteo oder andere Vermittler direkt mit der FDLR-Militärführung im Kongo | |
um General Sylvestre Mucadumura Vereinbarungen treffen wollten. | |
Dies ist wichtig für die Klärung der Frage, ob Murwanashyaka für | |
militärische Handlungen der FDLR im Kongo verantwortlich ist. „Mudacumura | |
kann nichts tun, ohne mich zu informieren“, stellt Murwanashyaka im | |
Gespräch mit Pater Matteo am 11. Dezember 2008 klar. „Ich habe die | |
Kontrolle meiner Leute 100 Prozent“. | |
## „Wir sind informiert“ | |
Das ist die Zeit, kurz nachdem die Regierungen Kongos und Ruandas einen | |
Deal gemacht hatten: Kongos Regierung hört auf, die ruandische Hutu-Miliz | |
FDLR zu unterstützen – im Gegenzug hört Ruanda auf, die damalige | |
kongolesische Tutsi-Rebellion CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des | |
Volkes) von Laurent Nkunda zu unterstützen. | |
Im Januar 2009 wurde das in die Tat umgesetzt: Ruandas Armee verhaftete | |
Nkunda und Kongos Armee begann zusammen mit Ruanda Militäroperationen gegen | |
die FDLR im Ostkongo. Die Racheaktionen der FDLR an der Zivilbevölkerung in | |
den Kampfgebieten in den Monaten danach sind Hauptgegenstand des | |
Kriegsverbrecherprozesses in Stuttgart. | |
Was dieser Deal bedeutet, weiß Murwanashyaka damals im Dezember 2008 | |
offenbar schon genau. „Ich habe übrigens Informationen, dass die Leute aus | |
Kigali mit kongolesischen Offizieren Angriffe gegen das FOCA-Kommando | |
(FDLR-Militärführung, d.Red) geplant haben“, erzählt der FDLR-Präsident d… | |
offensichtlich von dieser Enthüllung überraschten italienischen Pater. | |
„Das muss man den Kongolesen nicht sagen“, fügt er hinzu. „Sie glauben, … | |
weiß es nicht. Es wird ein Angriff von Kigali und Kinshasa zusammen. Es | |
gibt viele Finde, die wir kennen. Die Kongolesen glauben, wir sind nicht | |
informiert, aber wir wissen es.“ Und er schlussfolgert: „Kagame (Ruandas | |
Präsident, d.Red.) hat sich beim kongolesischen Problem durchgesetzt“. | |
## „Wir greifen überall an“ | |
Ein weiteres Telefonat datiert vom 13. Mai 2009 – wenige Tage nach dem | |
blutigen FDLR-Überfall auf das kongolesische Dorf Busurungi, das schlimmste | |
einzelne der Miliz in Stuttgart vorgeworfene Kriegsverbrechen. | |
Murwanashyaka gibt Pater Matteo eine ziemlich gute Übersicht der Lage. „In | |
ganz Kivu erwarten wir den Beginn des Krieges“, sagt er. „Es gibt überall | |
Angriffe der FDLR gegen die FARDC (Kongos Regierungsarmee, d.Red.) und | |
Angriffe der FARDC gegen die FDLR“. | |
Und der FDLR-Präsident fährt fort: „Wenn die FARDC uns mit Unterstützung | |
von Kigali überall angreifen, wo sie können, dann greifen auch wir sie | |
überall an, wo wir können. Aber wer sind die Opfer? Die Zivilbevölkerung. | |
Die Situation in Nord-Kivu wird sich nie stabilisieren. Die FARDC werden | |
gegen die FDLR nie militärisch gewinnen, auch nicht mit Unterstützung der | |
MONUC (UN-Mission im Kongo, d.Red) und Kigali. Ich frage mich, welche | |
Lösung Kigali im Kopf hat. Das kann 20 Jahre dauern. Es ist die Frage, ob | |
die Zivilbevölkerung das aushalten kann.“ | |
## Sie leben mit den Kongolesen | |
Was das im Einzelnen bedeutet, führt Murwanashyaka ebenfalls | |
unmissverständlich aus. „Zuerst kommen sie (die FARDC) in ein Dorf und | |
machen ihre Stellung mitten im Dorf. Sie leben mit den Kongolesen. Sie | |
greifen die FDLR aus 2-3 Kilometern Entferung an, und sie glauben, dass die | |
FDLR darauf antworten wird. Und wenn die FDLR antwortet, wird es immer | |
Opfer unter den Dorfbewohnern geben. Das ist das große Problem – dass sich | |
die FARDC nicht von der kongolesischen Bevölkerung trennt.“ | |
Die UN-Blauhelme könnten daran nichts ändern. „Sie greifen uns nicht direkt | |
an, und sie wissen: an dem Tag, an dem sie das machen würden, das wäre der | |
letzte Tag ihrer Mission, weil wir sie überall angreifen würden.“ | |
Redaktion: Dominic Johnson | |
14 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Bianca Schmolze | |
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