| # taz.de -- 18. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: "Kommissar als Bauern verkle… | |
| > Die FDLR wollte eine UN-Untersuchung beeinflussen, um eines ihrer | |
| > schlimmsten Massaker im Kongo zu verschleiern. Dies belegt ein abgehörtes | |
| > Telefonat. | |
| Bild: Ein Kämpfer der FDLR im Ostkongo im Februar 2009. | |
| STUTTGART taz | "Wenn sie mit dem Hubschrauber überfliegen wollen, sollen | |
| wir ihn nicht abschießen": Mit solchen Überlegungen bereitete sich die | |
| Führung der im Kongo kämpfenden ruandischen Miliz FDLR (Demokratische | |
| Kräfte zur Befreiung Ruandas) 2009 auf eine erwartete UN-Untersuchung von | |
| Kriegsverbrechen vor. | |
| Im Mittelpunkt stand das Massaker, das die FDLR in der Nacht vom 9. zum 10. | |
| Mai 2009 im ostkongolesischen Dorf Busurungi beging. Das Massaker, bei dem | |
| laut Anklage mindestens 96 Zivilisten getötet wurden, war die Vergeltung | |
| der FDLR auf einen blutigen Angriff der kongolesischen Armee auf ruandische | |
| Flüchtlinge in Shario, drei Kilometer von Busurungi entfernt, bei dem | |
| zwischen dem 27. und 29. April 2009 laut Anklage mindestens 129 Menschen | |
| getötet worden waren. Andere Quellen nennen 73 Tote in Shario und 119 Tote | |
| in Busurungi. | |
| Beteiligte FDLR-Kämpfer haben die Planung und den Ablauf des Angriffs auf | |
| Busurungi detailliert gegenüber der taz geschildert ([1][Terror per | |
| Textnachricht], taz vom 2.5.2011). Das Massaker von Busurungi löste | |
| international Entsetzen aus, diverse Sonderdelegationen und | |
| Untersuchungskommissionen reisten in den Folgemonaten in das Gebiet. | |
| ## Die UN-Untersuchung sollte zum eigenen Vorteil manipuliert werden | |
| Der Angeklagte, FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka, und der | |
| FDLR-Militärchef im Kongo, General Sylvestre Mudacumura, überlegten | |
| gemeinsam, wie sie eine erwartete UN-Untersuchung manipulieren und zum | |
| eigenen Vorteil ausschlachten könnten. Das Telefonat vom 18. Juni 2009 | |
| stand im Mittelpunkt des 18. Verhandlungstages am 25. Juli 2011 vor dem OLG | |
| Stuttgart. | |
| "Es handelt sich um eine Delegation des Sicherheitsrats. Sie wollen eine | |
| Untersuchung machen", erklärt Murwanashyaka aus Deutschland seinem General | |
| im Kongo. Mudacumura sieht nicht ein, was das soll: "Es bringt uns nichts. | |
| Können wir denn unseren Krieg zu Ende bringen, wenn diese Untersuchung | |
| läuft?" | |
| Murwanashyaka sieht sehr wohl einen Vorteil darin, dass die UN-Kommission | |
| die Tötung ruandischer Flüchtlinge - als deren Vertretung sich die FDLR | |
| versteht - durch die kongolesische Armee untersuchen will: "Es kann uns was | |
| bringen", erklärt er. "Wenn es sich um Flüchtlinge handelt. (...) Nach | |
| unseren veröffentlichen Kommuniqués haben wir gefordert, dass der | |
| UN-Sicherheitsrat eine Untersuchungskommission gründen soll. Deswegen sind | |
| sie gekommen." | |
| Mudacumura bleibt skeptisch: Es sei kaum möglich, das Massaker von Shario | |
| zu untersuchen, ohne Busurungi mit einzubeziehen, wo die FDLR gewütet hat. | |
| "Diese Hügel (Shario), vielleicht kennen Sie sie nicht, sind oberhalb von | |
| Busurungi", erklärt er seinem Präsidenten im fernen Deutschland. "Wenn sie | |
| von oben kommen, wenn sie das sehen wollen, werden sie sowieso Busurungi | |
| überfliegen oder dort landen. Die Orte liegen nebeneinander: einer oben auf | |
| dem Hügel, der andere am Fuß des Hügels. Es ist das Problem, das ich | |
| befürchtet habe". | |
| Immerhin konzediert der Militärchef, die UN-Untersucher dürften am Leben | |
| bleiben: "Wenn sie mit dem Hubschrauber überfliegen wollen, sollen wir ihn | |
| nicht abschießen." Murwanashyaka erläutert, wie die FDLR vor Ort mit dem | |
| UN-Team umgehen sollte: "Man kann gegebenfalls sagen, dass sie nicht dort | |
| ankommen dürfen, aus Sicherheitsgründen. Wir müssen aufpassen." | |
| ## Die UN-Mitarbeiter sollen nur mit ausgewählten Flüchtlingen reden können | |
| Die UN-Mitarbeiter hätten schließlich Transportprobleme - das Gelände ist | |
| unwegsamer Regenwald. Dies ist ein Vorteil für die FDLR, bestätigt | |
| Mudacumura: "Keiner wird kommen und sie (die UN-Mitarbeiter) dort | |
| transportieren. Und sie können nicht zu Fuß gehen." Aber das reicht nicht, | |
| finden die beiden FDLR-Chefs einmütig. Auch die Gespräche, die das UN-Team | |
| mit den überlebenden ruandischen Hutu-Flüchtlingen führen will, wollen gut | |
| vorbereitet sein. | |
| "Wir müssen wachsam sein", verlangt Murwanashyaka. "Wir brauchen ein Team, | |
| das genau analysiert, bevor man hingeht und irgendwas sagt. Sie müssen sich | |
| mit den Flüchtlingen treffen, die vorbereitet sind, und die genau wissen, | |
| was sie sagen sollen". Mudacumura ergänzt, er habe bereits einem | |
| FDLR-Brigadier Bescheid gegeben. "Sie befinden sich in dieser Region. Sie | |
| sollen die Leute trainieren, oder sich als Bauern verkleiden." | |
| "So ist das", bestätigt Murwanashyaka die Verschleierungsstrategie. "Ein | |
| Kommissar kann sich als Bauer verkleiden und unter falschem Namen eine | |
| Aussage abgeben." | |
| Murwanashyaka setzt auch darauf, dass der UN-Besuch von kurzer Dauer sein | |
| werde: "In dieser Angelegenheit können sie (die UN-Mitarbeiter) nicht | |
| einfach kommen und jeden treffen, und es muss auch begrenzt sein, ein oder | |
| zwei Tage. Sie können nicht sagen, dass sie ihre Arbeit bis zum Ende führen | |
| können. Das geht nicht." | |
| "Wenn sie zu Fuß kommen wollen, dann hätten wir ein Problem mit ihnen", | |
| wendet Mudacumura ein. "Nein, zu Fuß geht nicht", beruhigt Murwanashyaka. | |
| "Es handelt sich auch um Frauen". | |
| FDLR-Exekutivsekretär Callixte Mbarushimana, damals noch in Paris wohnhaft, | |
| solle mit den UN-Mitarbeitern telefonieren, sagt Murwanashyaka. "Wenn sie | |
| sagen, dass sie Schwierigkeiten haben, um dort anzukommen, sollen sie einen | |
| Bericht schreiben, dass sie ihre Arbeit nicht machen können wegen der Monuc | |
| (UN-Mission im Kongo) und nicht wegen der FDLR." | |
| "Wir können sagen, wir haben keine Kontrolle", schlägt Mudacumura als | |
| Alternative vor. Schließlich habe Kongos Armee in Shario Flüchtlinge | |
| getötet. "Wie können wir da für Sicherheit sorgen?" | |
| "Wir dürfen nicht zugeben, dass wir einen bestimmten Platz unter Kontrolle | |
| haben", weist Murwanashyaka seinen General zurecht. "Wenn du das zugibst, | |
| kannst du das nicht zurücknehmen." Er gibt die Linie vor: "Es gibt keinen | |
| Platz, wo wir kontrollieren. Überall wo sie hingehen, gehen sie auf eigene | |
| Gefahr hin." | |
| ## Ein halbes Jahr zuvor ist das Selbsbewusstsein der FDLR-Führung deutlich | |
| schwächer | |
| Das Massaker von Busurungi gehörte zu einer Serie von Angriffen, mit der | |
| sich die FDLR für eine gemeinsame ruandisch-kongolesische Offensive gegen | |
| sie im Januar und Februar 2009 blutige Rache übte. Das Selbstbewusstsein | |
| der FDLR-Führung zu diesem Zeitpunkt kontrastiert auffällig mit der | |
| Niedergeschlagenheit, die sie im Dezember 2008 an den Tag legte, als die | |
| gemeinsame Offensive der Armeen Ruandas und Kongo sich zwar abzeichnete, | |
| aber noch nicht begonnen hatte. | |
| Ein Telefonat vom 14. Dezember 2008 zwischen den beiden Angeklagten, | |
| FDLR-Präsident Murwanashyaka und sein Erster Vizepräsident Straton Musoni, | |
| handelt detailliert von Disziplinproblemen und Deserteuren in der FDLR. Am | |
| Schluss äußert sich Murwanashyaka ablehnend und misstrauisch zu einem neuen | |
| Vermittlungsvorstoß der italienischen katholischen Gemeinde Sant'Egidio, | |
| die mehrfach zwischen der FDLR und Kongos Regierung in Kinshasa vermittelt | |
| hat: Pater Matteo von Sant'Egidio "hat mir gesagt, dass Kinshasa will, dass | |
| die Leute da hingehen, um mit Kabila zu reden... Ich habe gefragt: Warum | |
| Kinshasa? Wenn sie dort sind, werden sie getötet". Es bestehe auch die | |
| Gefahr, "dass sie am Ende Dissidenten werden". Die FDLR-Führung traut | |
| offenbar ihren eigenen Leuten zu diesem Zeitpunkt nicht. | |
| "Am Ende ist es möglich, dass sie uns angreifen", stimmt Musoni zu. "Eine | |
| schlechtere Situation als die, die wir momentan haben, gibt es nicht. Es | |
| ist nicht notwendig, dass wir in dieses Abenteuer gehen." | |
| "Das würde die Organisation zerstören", ergänzt Murwanashyaka. "Man sollte | |
| nicht wie ein Hund sterben, sondern wie ein Mann." | |
| Redaktion: Dominic Johnson | |
| 26 Jul 2011 | |
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| ## AUTOREN | |
| Bianca Schmolze | |
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