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# taz.de -- 13.Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: "Haben Dorf in Brand gesetzt"
> Der angeklagte Milizenchef Murwanashyaka wusste über die Kampfhandlungen
> im Ostkongo genau Bescheid. Die Qualität der E-Mail-Übersetzung ist aber
> umstritten.
Bild: Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Ostkongo: der…
STUTTGART taz | Ignace Murwanashyaka, der in Deutschland lebende Präsident
der im Kongo kämpfenden ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur
Befreiung Ruandas), war 2009 im Detail über die Kriegshandlungen seiner
Truppe im Kongo informiert und nahm aus dem fernen Deutschland detailliert
an operativen Diskussionen im Ostkongo teil. Dies geht aus seinem
E-Mail-Verkehr hervor, dessen Verlesung am Montag vor dem OLG Stuttgart im
Rahmen des Kriegsverbrecherprozesses gegen ihn und seinen ersten
Stellvertreter Straton Musoni fortgesetzt wurde.
"Hier ist die Gesamtbilanz", heißt es in einer E-Mail vom 12. März 2009 an
Murwanashyaka, die sich auf Kampfhandlungen im Ostkongo in den Tagen davor
bezieht: "Auf Seiten des Feindes: 65 Tote, darunter Leutnant Jean-Marie in
Miliki, Oberst Moyo in Peti, 23 Verletzte, 2 Ertrunkene. Unsere Seite: 4
Tote". Erbeutet wurden unter anderem "40 kleine Gewehre, 3 Trägerraketen, 1
Mörser, 24 Kisten Munition, 1 Solaranlage", fährt die E-Mail fort. Wenn der
FDLR-Präsident mehr wissen wolle, solle er sich melden.
"Haben Dorf in Brand gesetzt, zwei FARDC (kongolesische Regierungsarmee)
tot", heißt es in einer anderen E-Mail an Murwanshyaka vom 11. Mai 2009.
"Monuc überfordert hier, kann nicht für Ruhe sorgen". Dies bezieht sich auf
einen in der Anklageschrift genannten FDLR-Angriff auf das Dorf ist
Butolonga/Bulindi im Süden des Territoriums Lubero in der Propinz Nord-Kivu
am 8. Mai, bei dem laut Anklage 131 Häuser angezündet wurden. Der
FDLR-Präsident bedankt sich per Rückantwort am gleichen Tag für die
Information und schreibt: "Die Situation wird für FARDC nicht einfach
sein... Grüße die jungen Männer von mir."
Ein E-Mailwechsel von Mitte Februar 2009 bezieht sich unter anderem auf den
Beschuss von Hubschraubern, darunter einer der UN-Mission im Kongo (Monuc),
durch die FDLR bei Kashebere (Nord-Kivu) - dort hatten kongolesische und
ruandische Regierungstruppen am 12. Februar 2009 FDLR-Stellungen
bombardiert und zahlreiche ihrer Kämpfer getötet, und nach Berichten aus
jener Zeit verübte die FDLR danach Racheangriffe und nahm auch einen
UN-Hubschrauber unter Beschuss.
## "Habt ihr keine Munition, um die Hubschrauber abzuschießen?"
"Angriff von drei Hubschraubern in Ashebele (mutmaßlich Kashebere, d.Red),
einer gehört der Monuc. Wann ist das passiert, am 15. oder am 16.? Gott
möge euch schützen. Président", schrieb Murwanashyaka unter dem Titel
"Genauere Angaben" am 17. Februar. Nach einem Hin und Her schrieb der
FDLR-Präsident weiter: "Habt ihr keine Munition, um die Hubschrauber
abzuschießen, damit sie nicht zurückkommen? Oder ihr erkundigt euch, wo sie
nachts stehen, dann könnt ihr auf sie schießen, wenn sie am Boden stehen".
Aus Sicht der Anklage belegen solche E-Mails, dass Murwanshyaka - laut
FDLR-Verfassung nicht nur Präsident seiner Organisation und damit ihr
politische Kopf, sondern auch Oberbefehlshaber und damit ihr militärischer
Kopf - ins Kriegsgeschehen eingebunden war. Aus Sicht der Verteidigung
belegen sie, dass er nicht eingebunden war, weil er immer wieder nachfragen
musste.
Die Verlesung der deutschen Übersetzungen der in der ruandischen Sprache
Kinyarwanda verfassten E-Mails wurde immer wieder durch Anträge der
Verteidigung, beispielsweise auf Ablehnung des Übersetzers wegen
angeblicher Nähe zur in Ruanda regierenden RPF, und durch ausführlich
begründete Zweifel an der Genauigkeit der Übersetzungen unterbrochen und
verzögert. Der Übersetzer gab im Laufe der Befragung einige Ungenauigkeiten
zu und auch, dass seine Übersetzungen nicht immer wortwörtlich seien,
verneinte aber den Vorwurf, Inhalte verändert zu haben.
## "In Ruhe lassen" statt "nicht quälen"
Am Ende mischte sich sogar - eine Seltenheit in dieser Hauptverhandlung -
der Angeklagte Ignace Murwanashyaka in die Diskussion ein und verwickelte
sich in einen auf Deutsch geführten Disput mit dem Übersetzer über die
genaue Bedeutung einzelner ruandischer Worte. Wenn Murwanashyaka in seiner
E-Mail zum Angriff auf das Dorf Butolonga laut Übersetzung den Ratschlag
erteilt: "Man soll immer wieder zu Disziplin aufrufen, soll Bevölkerung
nicht quälen" - sollte es da nicht, meint der FDLR-Präsident, "weiterhin"
statt "immer wieder" heißen, und "in Ruhe lassen" statt "nicht quälen"? Das
könnte eventuell juristisch bedeutsam sein.
Der Übersetzer blieb bei seiner Wortwahl. Außer ihm und den Angeklagten
kennt niemand im Gerichtssaal die für ihre Mehrdeutigkeit bekannte
ruandische Sprache. Deutsche Juristen können da nur hilflos zuhören.
6 Jul 2011
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Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess
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