| # taz.de -- 123. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Mehr weibliche Kader“ | |
| > Als die FDLR-Miliz Anfang 2009 zum Ziel kongolesisch-ruandischer Angriffe | |
| > wurde, begann sie, ihre Friedfertigkeit zu betonen. Lange währte das | |
| > nicht. | |
| Bild: „Umoja Wetu“: Soldaten der kongolesisch-ruandischen Militäroperation… | |
| STUTTGART taz | Der Januar 2009 war ein entscheidender Wendepunkt in der | |
| Geschichte der Kriege Ostkongos und der dort kämpfenden FDLR (Demokratische | |
| Kräfte zur Befreiung Ruandas). Innerhalb weniger Tage stellte die damalige | |
| Tutsi-geführte Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung des | |
| Volkes) sowie die damalige kongolesische Hutu-Miliz Pareco (Kongolesische | |
| Widerstandspatrioten) ihren Krieg gegen Kongos Armee ein. | |
| Kongos Regierung erlaubte der Armee Ruandas den Grenzübertritt, der | |
| abgesetzte CNDP-Führer Laurent Nkunda wurde im Kongo von ruandischen | |
| Soldaten verhaftet und es begann die kongolesisch-ruandische Armeoperation | |
| „Umoja Wetu“ gegen die FDLR – in Reaktion auf welche die FDLR begann, die | |
| Zivilbevölkerung im Kongo massiv anzugreifen. | |
| In dieser Situation, noch vor „Umoja Wetu“, traf sich das höchste | |
| politische Führungsgremium der FDLR, um über die sich anbahnende neue Lage | |
| zu beraten. Am 18. Januar verschickte FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka | |
| per Mail einen Entwurf zu einem ausführlichen Protokoll dieses Treffens. | |
| Am letzten Verhandlungstag des Jahres 2012 im laufenden | |
| Kriegsverbrecherprozess gegen Murwanashyaka und seinen Vize Straton Musoni | |
| vor dem OLG Stuttgart, am 19. Dezember 2012, wird dieses Protokoll vor | |
| Gericht verlesen, als eines einer Reihe von E-Mails. | |
| ## Image aufbessern | |
| Die FDLR, das geht aus diesem Protokoll hervor, wollte nunmehr an ihrem | |
| Image arbeiten. „Mehr weibliche Kader“, „auf Beschuldigungen reagieren“, | |
| „FDLR-Dokumentationsfilme“, „eine sorgfältige Auswahl der Journalisten�… | |
| „Zusammenarbeit mit lokalen Verbänden“, „Kontaktpflege zu karitativen | |
| Organisationen“ gehören zu den PR-Maßnahmen, die das Führungskomitee | |
| beschloss. | |
| Die Miliz solle ferner „alle Aktionen vermeiden, die die Organisation | |
| beschmutzen und die Soldaten demotivieren können“; außerdem beschlossen | |
| wird ein „Ausweiten der Bündnispartner für die Ausweitung und Mobilisierung | |
| unseres Kampfes“ sowie die „Rekrutierung weiterer Mitglieder“. | |
| Es müsse darum gehen, dass die FDLR eine „Bewegung für alle Ruander“ ist, | |
| „unabhängig von Religion und Ethnie“. All dies ist Teil einer „Strategie | |
| gegen die multidimensionale Bedrohung“. | |
| ## „Keine Vergewaltigungen“ | |
| Punkt 41 der Beschlüsse lautet explizit: „Vergewaltigungen und sonstige | |
| Verbrechen dürfen nie geduldet werden. Die Straflosigkeit muss beendet | |
| werden für Übergriffe gegen die Zivilbevölkerung. Es soll keine | |
| Rekrutierung von Minderjährigen geben. Es werden Ermittlungen durchgeführt | |
| zu angeblichen Übergriffen“. | |
| Die politische und militärische Führung müssten in diesem Sinne enger | |
| zusammenarbeiten; erforderlich sei eine „Koordination der politischen und | |
| militärischen Arbeit durch informelle Treffen“. Das Protokoll ist der am | |
| 18. Januar verfassten Mail zufolge „ausgestellt in Berlin, 19. Januar | |
| 2009“. | |
| Das endgültige Protokoll wird in einer weiteren E-Mail vom 27. Januar | |
| vorgelegt, unterzeichnet von Ignace Murwanashyaka und Callixte Mbarushimana | |
| (der FDLR-Exekutivsekretär, wohnhaft in Paris), Berlin, 19.1.2009. | |
| Diese Fassung enthält den Beschluss, „jede Form von Übergriffen gegen die | |
| Zivilbevölkerung energisch zu bekämpfen“. | |
| ## „Der laufende Krieg ist unnötig“ | |
| Zwei Wochen später, am 5. Februar 2009, mitten in der | |
| kongolesisch-ruandischen Armeeoperation „Umoja Wetu“ gegen die FDLR, | |
| verfassen Murwanashyaka und Musoni gemeinsam eine „FDLR-Erklärung zum | |
| Krieg“. | |
| „Der laufende Krieg ist unnötig“, heißt es darin, “Hutu-Flüchtlinge we… | |
| wie Kriminelle attackiert... Die FDLR wird nicht der Entwaffnung zustimmen | |
| solange der Leidensweg Tag für Tag schlimmer wird... Der Krieg wird das | |
| ruandische Problem nicht lösen.“ | |
| Gefordert werden erneut Direktverhandlungen zwischen der FDLR und Ruanda. | |
| „Die FDLR wird mit den ruandischen und kongolesischen Behörden | |
| zusammenarbeiten, um den Frieden herzustellen“. Es ist ein erneuter | |
| Versuch, die Miliz zu einer gleichberechtigten politischen Kraft neben | |
| Ruandas Regierung zu erklären. | |
| ## Der verschwundene Sprecher | |
| Wenige Tage später verlässt FDLR-Militärsprecher Edmond Ngarambe die | |
| Organisation – nach eigenen Angaben freiwillig, nach Angaben Ruandas als | |
| Gefangener der ruandischen Armee – und kehrt nach Ruanda zurück, wo er | |
| fortan mit Ruandas Regierung zusammenarbeitet. | |
| Die FDLR reagiert darauf postwendend am 13. Februar 2009 mit einer | |
| Presseerklärung, ebenfalls als eine von Murwanashyakas E-Mail verlesen. | |
| Ngarambe sei Opfer einer „Entführung“, heißt es darin; „die Entführung… | |
| eine Verletzung des humanitären Völkerrechts und zeigt, dass kein Interesse | |
| an Frieden besteht. Diese ernste unfreundliche Geste zeigt, dass die | |
| Regierung Kongos nicht bereit ist, eine friedliche Lösung zu finden“. | |
| Deutlich wird, wie aus der anfänglichen Beteuerung des guten Willens der | |
| FDLR nun die Androhung von Rache gegenüber dem Kongo wird – die später in | |
| den bereits in vergangenen Verhandlungstagen behandelten Befehl zum | |
| Auslösen einer „humanitären Katastrophe“ und zu Strafaktionen an Ostkongos | |
| Zivilbevölkerung führen wird. | |
| Redaktion: Dominic Johnson | |
| 29 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Bianca Schmolze | |
| ## TAGS | |
| Kongo | |
| Kriegsverbrecherprozess | |
| FDLR | |
| Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
| Kongo | |
| Kongo | |
| Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
| Kongo | |
| Kongo | |
| Kriegsverbrecherprozess | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| 130.-133. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess I: Vom Flüchtling zum Spezialkämp… | |
| Ein Ex-FDLR-Kämpfer erzählt aus der Vorläuferzeit der Miliz, als ruandische | |
| Hutu-Flüchtlinge durch den Kongo gejagt wurden. Aber die Befragung bleibt | |
| lückenhaft. | |
| 126.-129. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: 30 Stockschläge auf den Hintern | |
| Von Urlaub bis Goldhandel: In der FDLR war alles geregelt, mit | |
| schriftlichen Genehmigungen und archiviertem Funkverkehr. Ein | |
| Ex-Hauptfeldwebel erzählt. | |
| 124.-125. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: 9087mal telefoniert | |
| Das BKA präsentiert Erkenntnisse, die es aus der Überwachung der | |
| Telekommuikation der Angeklagten zwischen 2008 und 2009 gewann. | |
| 118-122 Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess II: Der Präsident und der Haudegen | |
| Nachdem Präsident Murwanashyaka dem Alkohol entsagte, hielt Militärführer | |
| Mudacumura ihn für ein Weichei. Enthüllungen aus dem Innenleben der FDLR | |
| Teil II. | |
| 118. -122. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess I: Alles was atmet, wird entfernt | |
| Ein Ex-Kämpfer aus dem Umfeld des FDLR-Militärführers Mudacumura packt über | |
| die Kriegsstrategie der Hutu-Miliz aus. Die Prozesstage zusammengefasst | |
| Teil I. | |
| 116.- 117. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Ich habe 100 Prozent Kontrolle… | |
| Wie FDLR-Präsident Murwanashyaka 2008-09 am Telefon mit einem italienischen | |
| kirchlichen Vermittler den Krieg seiner Miliz und seine eigene | |
| Machtposition analysierte. | |
| Militäreinsatz beendet: Ruandas Armee verlässt den Kongo | |
| Die Militäraktion gegen ruandische Hutu-Milizen im Ostkongo hat wenig | |
| gebracht. | |
| Der Preis des Friedens: Neuer Feldzug im Osten Kongos | |
| Ruandische Soldaten marschieren im Ostkongo ein - mit Billigung Kinshasas. | |
| Sie sollen die Hutu-Milizen besiegen. Der Bevölkerung droht eine neue | |
| Katastrophe. |