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# taz.de -- 40.-41. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Telegramm aus Deutschland
> Ein FDLR-Offizier bestätigt, dass Präsident Murwanashyaka seiner Miliz im
> Kongo aus Deutschland Befehle gab. Auch den, die Zivilbevölkerung unter
> Umständen als "Feind" zu betrachten.
Bild: FDLR-Kämpfer im Kongo.
G hat viel gesehen in der FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung
Ruandas), jene in der Demokratischen Republik Kongo aktive ruandische
Miliz, deren Führer Ignace Murwanashyaka und Straton Musoni jetzt unter dem
Vorwurf von Kriegsverbrechen in Stuttgart vor Gericht stehen. Der ehemalige
Offizier im Oberkommando der FDLR, der 2009 die Miliz verließ und jetzt in
Ruanda lebt, war dreimal dabei, als Murwanashyaka in den Jahren 2005 und
2006 aus Deutschland in den Kongo reiste, um seine Truppen zu besuchen.
Sie sollten stark und mutig sein, um zu kämpfen und Ruanda zu erobern, habe
der Präsident den FDLR-Kämpfern gesagt, erinnert sich G in seiner
Zeugenvernehmung vor dem OLG Stuttgart am 21. und 23. November. Man habe
Murwanashyaka auch durchaus wie einen Präsidenten empfangen, sagt G, im
militärischen FDLR-Hauptquartier Kalongi in der ostkongolesischen Provinz
Nord-Kivu. Er sei mit militärischen Ehren empfangen worden, man habe an die
Häuser Bilder früherer ruandischer Hutu-Präsidenten und Murwanashyakas
gehängt.
Als erster Zeuge nach über einem halben Jahr Prozessdauer bestätigt G auch,
dass Murwanashyaka militärische Befehle erteilt habe, die vom
FDLR-Militärchef Mudacumura vor der Truppe verlesen wurden. Das ist der
entscheidende Punkt in dem Vorwurf der sogenannten
Führungsverantwortlichkeit, mit der Murwanashyaka strafrechtlich
verantwortlich für von FDLR-Kämpfern verübte Kriegsverbrechen gemacht
werden soll.
## "Es kam von Murwanashyaka"
Ende 2008, wenige Wochen vor dem Beginn der gemeinsamen
kongolesisch-ruandischen Militäroperation „Umoja Wetu“ gegen die FDLR im
Ostkongo – zu einem Zeitpunkt, wo diese bereits abzusehen war - „sendete
Murwanashyaka an den FOCA-Hauptkommandanten (FOCA ist der militärische Arm
der FDLR) ein Telegramm mit Befehlen“, so der Zeuge. „Er teilte uns mit,
die ruandische und die kongolesische Armee würden zusammenarbeiten, um uns
zu bekämpfen. Laut Telegramm sollten wir der kongolesischen Bevölkerung
mitteilen, dass sie nicht mit den Armeen zusammenarbeiten solle.
Diejenigen, die mit ihnen zusammenarbeiten, betrachten wir als Feind. Das
stand im Telegramm, es kam von Murwanashyaka. So teilte es uns
FOCA-Hauptkommandant Mudacumura mit.“ Mudacumura habe selbst hinzugefügt,
dieser Befehl stamme vom Präsidenten und müsse umgesetzt werden.
Die Telegramme seien per Funk gesendet worden, führt der Offizier weiter
aus. Der Kommandeur vor Ort habe seine Offiziere zu sich gerufen, wenn er
ein Telegramm erhalten hatte, das er interessant fand, und habe es
vorgelesen. Die Offiziere hätten den Inhalt dann an ihre Untergebenen
verbreitet. Mudacumura habe selbst gesagt, die Telegramme seien von
Murwanashyaka gekommen.
Was damit gemeint war, die Bevölkerung als Feind zu betrachten, war ein
Hauptthema der darauf folgenden Befragung. Der Zeuge führt aus: Das Volk
der Tembo sei das einzige im Ostkongo gewesen, das sich nicht neutral
gegenüber den FDLR verhalten habe. Die Tembo sind eine der neun Ethnien
Nord-Kivus, leben traditionell im Inneren der Provinz an der Grenze der
Distrikte Masisi und Walikale zueinander, also in einem FDLR-kontrollierten
Gebiet, und haben eine eigene Selbstverteidigungsmiliz namens
Mai-Mai-Kifuafua, die mit Kongos Armee gegen die FDLR zusammenarbeitet.
Tembo hätten ruandische Flüchtlinge und FDLR-Soldaten angegriffen, deswegen
habe die FDLR Stellungen der kongolesischen Armee im Tembo-Gebiet
angegriffen, erklärt der Offizier.
Zivilisten und Soldaten seien in diesen Stellungen gemischt gewesen,
deswegen seien auch Zivilisten gestorben, beispielsweise in den Orten
Busurungi, Nyanga und Hombo. „Schüsse“ hätten im Kampfgeschehen nicht
zwischen Zivilisten und Soldaten unterscheiden können.
## Zivilisten starben in Busurungi
Der Offizier bestätigt wie andere Zeugen vor ihm, dass in Busurungi viele
Häuser von Zivilisten abgebrannt und Zivilisten gestorben seien – „weil sie
mit dem Feind zusammenarbeiteten, obwohl wir ihnen sagten, sie sollten das
nicht tun“. Das Ziel der Angriffe sei aber nicht die Tötung von Zivilisten
gewesen, sondern das der Tötung von Soldaten. Er selbst war zu dem
Zeitpunkt im FDLR-Oberkommando und habe daher Kenntnis von den Berichten zu
diesen Ereignissen erhalten.
Eine andere Frage, die sich aus dem „Telegramm“ ergibt: Wie teilte die FDLR
der Zivilbevölkerung mit, das sie nicht mit den Armeen Kongos und Ruandas
zusammenzuarbeiten habe? Es seien „Zettel“ auf Befehl des Oberkommandos
verteilt worden, auf denen stand: Wenn der Feind – also die Armeen Kongos
und Ruandas – angreife, müsse sich die Bevölkerung vom Feind distanzieren.
Die FDLR-Soldaten hätten diese Zettel selbst verteilt. Die FDLR habe der
Zivilbevölkerung erklärt, wie sie sich zu verhalten habe, damit sie in den
Kämpfen nicht sterbe. Stand also auf den Zetteln, man werde dann
umgebracht, fragt ein Richter. „Ja, so sagte man es der Zivilbevölkerung“,
bestätigt der Zeuge. „Als Feind betrachtet zu werden, heißt, man konnte sie
töten.“
Redaktion: Dominic Johnson
27 Nov 2011
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