| # taz.de -- 185.-187. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Dort ist Durcheinan… | |
| > Zwei Jahre nach seiner ersten Vernehmung erklärt ein Ex-FDLR-Offizier, | |
| > unter welchen Umständen die ruandische Miliz kongolesische Zivilisten als | |
| > Feinde betrachtete. | |
| Bild: Markt in Walikale, Ostkongo: Wenn kongolesische Soldaten hier einkaufen, … | |
| BERLIN/STUTTGART taz | Wie sinnvoll ist es, eine Zeugenvernehmung zu | |
| unterbrechen und erst zwei Jahre später fortzusetzen? Im Prozess gegen die | |
| beiden politischen Führer der im Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz | |
| FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) vor dem Oberlandesgericht | |
| Stuttgart stehen seit Oktober 2013 mehrere Zeugen vor Gericht, die schon im | |
| Jahr 2011 in den ersten Monaten nach Prozesseröffnung ausgesagt hatten. | |
| Damals wurden aus Ruanda eingeflogene Zeugen immer nur für eine Woche | |
| geladen, also zwei Verhandlunstage, und das erwies sich als unzureichend. | |
| Für die zweite Ladung werden nun jeweils zwei Wochen angesetzt, also vier | |
| Verhandlungstage. Und das ist offensichtlich zuviel. | |
| [1][Zeuge G sagte bereits im November 2011 zwei Tage lang in Stuttgart | |
| aus]. Jetzt ist er für vier Tage erneut geladen. Die erneute Befragung | |
| braucht nur zweinhalb. | |
| ## Versammlung im Hauptquartier | |
| 2011 war G der erste Zeuge, der bestätigte, dass FDLR-Präsident Ignace | |
| Murwanashyaka militärische Befehle erteilte, die vom FDLR-Militärchef | |
| Mudacumura vor der Truppe verlesen wurden. Das sei Ende 2008 gewesen, kurz | |
| vor der sich anbahnenden gemeinsamen Operationen der Armeen Kongos und | |
| Ruandas gegen die FDLR. | |
| „Wir sollten der kongolesischen Bevölkerung mitteilen, dass sie nicht | |
| mitkden Armeen zusammenarbeiten solle. Diejenigen, die mit ihnen | |
| zusammenarbeiteten, betrachten wir als Feind“, habe im Telegramm von | |
| Murwanashyaka gestanden, das Mudacumura auf einer Versammlung vor | |
| FDLR-Offizieren im Hauptquartier der Miliz vorgelesen habe. | |
| Zwei Jahre später bezweifelt die Verteidigung, dass G überhaupt auf dieser | |
| Versammlung war. Ein anderer Zeuge habe dies inzwischen verneint. G bleibt | |
| bei seiner Darstellung. Es habe zwei Versammlungen gegeben - eines des | |
| Oberkommandos, bei der er nicht war, über deren Inhalt er aber hinterher | |
| „beim Alkohol“ erfahren hätte, und eine zur Berichterstattung durch | |
| Mudacumura an die anderen Offiziere. | |
| Mudacumura „hatte ein Papier in der Hand, er sagte diese Anweisungen die | |
| ich las sind von der obersten Führung der FDLR gekommen“, erinnert sich G | |
| an diese zweite Versammlung. | |
| „Mudacumura sagte uns, dass kongolesische Zivilisten uns zusammen mit | |
| kongolesischen Soldaten angreifen werden. Dass die FDLR diese Zivilisten | |
| als Feind betrachten werden, genau wie die kongolesischen Soldaten. Er | |
| sagte, diese Anleitung kam von der obersten Führung der FDLR... Er sagte | |
| nur: Die oberste Führung, ohne Namen zu nennen. Aber jene, die da waren, | |
| verstanden es war Ignace Murwanashyaka da er der oberste Führer der FDLR | |
| war.“ | |
| ## Was bedeutet "Zusammenarbeot" mit der Armee? | |
| Nun wird in Stuttgart diskutiert, was „zusammenarbeiten“ in diesem Kontext | |
| bedeutet. Die Verteidigung sagt, es bedeute, dass Zivilisten zusammen mit | |
| Kongos Armee kämpfen - dann, so soll man daraus wohl schließen, wären sie | |
| legitime Angriffsziele. Die Anklage sagt, es beziehe sich auf Zivilisten, | |
| die die Truppe versorgen, mit Nahrung zum Beispiel - dann wären sie keine | |
| legitimen Angriffsziele. Der Senat stellt fest, der Zeuge habe beide | |
| Bedeutungen vorgebracht. | |
| „Vielleicht haben Sie ein Problem mit dem Wort Zusammenarbeit“, stellt G | |
| nach einem längeren Austausch zwischen den Parteien fest und bietet an: | |
| „Ich erkläre Zusammenarbeit.“ | |
| Zivilisten, die den Soldaten der kongolesischen Regierungsarmee bei | |
| Angriffen auf die FDLR „Nahrung, Wasser und Holz gaben und ihnen dadurch | |
| Kraft gaben, damit sie ihre Aufgabe machen können, das meine ich mit | |
| Zusammenarbeit.“ | |
| „Auch, wenn sie die Wege zeigen zu den Stellungen oder Beute tragen?“ fragt | |
| Murwanashyakas Anwältin Ricarda Lang. | |
| „Davon habe ich auch erzählt“, bestätigt der Zeuge. | |
| „Wurden die Zivilisten bewaffnet?“ fragt Lang. | |
| „Nein, man gab ihnen keine Waffen“, sagt der Zeuge. „Aber es kann sein, | |
| dass einige kongolesische Zivilisten eine Waffe hatten, denn dort ist | |
| Durcheinander.“ | |
| Die FDLR habe die kongolesischen Zivilisten vorgewarnt: „Wenn der Krieg | |
| beginnt, sollen sie es vermeiden, mit der kongolesischen Armee zu arbeiten, | |
| wenn sie angreift. Wenn die kongolesischen Soldaten in die Wälder kamen, | |
| hatten sie keine Nahrung, das heißt die Zivilisten mussten ihnen zu essen | |
| geben. Wir wollten, dass die Zivilisten ihnen nicht zu essen geben. Wir | |
| wollten, dass die kongolesischen Zivilisten dorthin gehen, wo die | |
| ruandischen Flüchtlinge sind, und dort zusammenleben.“ | |
| ## FDLR-Parallelstrukturen in Kongos Wäldern | |
| Zum Verständnis führt G aus, wie das Verhältnis zwischen der FDLR und der | |
| Zivilbevölkerung seiner Erinnerung nach früher war. Es gab in den | |
| FDLR-Gebieten Parallelstrukturen, bestätigt er: kongolesische und | |
| ruandische Dorfchefs, jeder für seinen eigenen Bevölkerungsteil. | |
| „Normalerweise sind die kongolesischen Soldaten nie in die Wälder | |
| gekommen“, erklärt er. „Die FDLR hatte ein sehr großes Gebiet unter | |
| Kontrolle, kein kongolesischer Soldat konnte dort ankommen. Die FDLR hat | |
| die Führer dort ernannt.“ | |
| An anderer Stelle führt er aus: „Als wir dort ankamen, haben wir | |
| kongolesische Dorfchefs vorgefunden. Da wir mit vielen ruandischen | |
| Flüchtlingen kamen und sie eine andere Kultur hatten als die Kongolesen, | |
| war es notwendig, dass wir ruandische Dorfchefs ernennen, um sie beesser zu | |
| betreuen. Sie waren für die Verwaltung und Führung der ruandsichen | |
| Flüchtlinge zuständig. Die ruandischen und kongolesischen Chefs mussten | |
| zusammenarbeiten, damit alles gut läuft.“ | |
| Aber als Kongos Armee 2009 die FDLR angriff, verlangte sie Unterstützung | |
| durch die kongolesischen Zivilbevölkerungen im FDLR-Gebiet - und umgekehrt | |
| wollte die FDLR, dass die Kongolesen auf ihrer Seite bleiben. | |
| ## Kindersoldaten sind kein Thema mehr | |
| Ein anderes Thema, das G 2011 angeschnitten hatte, wird diesmal nicht mehr | |
| aufgegriffen, da der Senat diesen Anklagepunkt mittlerweile nicht mehr | |
| verfolgt: Die Rekrutierung von Kindersoldaten durch die FDLR. | |
| G hatte bei seinem ersten Auftritt in Stuttgart geschildert, dass die | |
| militärische Führung der Miliz eine Grundschule für Kinder von Soldaten und | |
| Flüchtlingen unterhalten habe, an der Kinder lernte, sich zu verteidigen. | |
| Etwa 100 Kinder im Alter ab 14 Jahre hätten an diesen Kursen teilgenommen - | |
| freiwillig, sie lebten ohnehin unter Bewaffneten. Es sei eine | |
| „Sensibilisierungsmaßnahme“ gewesen. | |
| In der Vernehmung 2013 spielt das keine Rolle mehr. | |
| ## "In de Flüssen sterben" | |
| Dafür aber erzählt er mehr darüber, wie die FDLR „ihre“ Zivilisten | |
| schützte, also die ruandischen Hutu-Flüchtlinge unter ihrer Kontrolle. Eine | |
| Zeitlang gehörte G zur Führung einer Einheit, die Zivilisten militärisch | |
| ausbildete, der „Résistance Civile“. In diesem Zusammenhang brachte er | |
| Flüchtlingen bei, wie man sich schützt. | |
| „Im Kongo gibt es viele große und lange Flüsse“, führt G aus. „Wenn der | |
| Feind angreift, dann mit dem Ziel, die Zivilisten in den Flüssen sterben zu | |
| lassen. Wir brachten ihnen bei, Brücken zu bauen aus Holz mit Seilen... Man | |
| musste ihnen beibringen, wie sie mitten im Wald verschiedene Wege nehmen, | |
| damit der Feind sie nicht findet.“ | |
| 8 Jan 2014 | |
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| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
| Bianca Schmolze | |
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