| # taz.de -- 183. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Diese Frau Clinton“ | |
| > Die FDLR-Führung in permanenter Abwehr: gegen Vergewaltigungsvorwürfe, | |
| > Demobilisierungsansinnen und Armeeangriffe | |
| Bild: Hillary Clinton im Kongo, August 2009: „Alle Verbrechen untersuchen“. | |
| STUTTGART taz | Nach dem Scheitern des norwegisch-protestantischen | |
| Vermittlungsversuchs, um die im Kongo kämpfende ruandische Hutu-Miliz FDLR | |
| (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zur Demobilisierung zu | |
| bewegen, agiert die FDLR-Führung etwas konfus. | |
| Am 13. Juli 2009, kurz nachdem FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka in | |
| Deutschland und FDLR-Exekutivsekretär Callixte Mbarushimana in Frankreich | |
| dafür gesorgt hatten, dass die Demobilisierungsinititiave des Norwegers | |
| Karel Lode gemeinsam mit der protestantischen Kirche im Kongo im Sande | |
| verlaufen war, kommt es zu einem denkwürdigen Anruf Mbarushimanas bei | |
| Murwanashyaka. | |
| Dieses Telefonat wurde am 183. Tag des Prozesses gegen Murwanashyaka und | |
| seinen Stellvertreter Straton Musoni vor dem OLG Stuttgart im Gerichtssaal | |
| vorgespielt. | |
| ## „Ist er tot oder lebt er noch?“ | |
| Mbarushimana berichtet seinem Präsidenten an diesem 13. Juli 2009, die BBC | |
| versuche, die FDLR-Führung zu erreichen, weil seit dem 9. Juli schwere | |
| Kämpfe zwischen FDLR-Milizen und Kongos Regierungsarmee tobten, wobei | |
| letztere von der UN-Blauhelmmission MONUC unterstützt werde. „Ein neues | |
| Element“, sagt Mbarushimana, „ist, dass es sein kann, dass ein Pakistani | |
| erschossen wurde“ - also ein Blauhelmsoldat. | |
| „Mmh. Von MONUC?“ fragt Murwanashyaka. | |
| „Ja, von Monuc.“ | |
| „Ist er tot oder lebt er noch?“ fragt Murwanashyaka. | |
| „Ich habe nicht danach gefragt, aber ich denke, er ist verletzt“, erwidert | |
| Mbarushimana. „Es war während der Kämpfe in Mwenga. Davon wusste ich | |
| nichts.“ | |
| „Niemand hat versucht mich zu erreichen“, sagt Murwanashyaka dazu. | |
| Mbarushimana bestätigt: „Keiner hat versucht, mich zu erreichen. Aber das | |
| Akku war irgendwann leer.“ Später fügt er hinzu: „Wenn die Sache anfängt, | |
| sich zu verschlimmern, sollten wir mehr in Bereitschaft stehen und | |
| schneller reagieren, Bilanzen veröffentlichen.“ Die FDLR solle jeden Tag | |
| erklären, wo gekämpft wurde und wer dabei getötet wurde. | |
| „Ja“, stimmt der FDLR-Präsident zu. | |
| „Ohne viele Details zu nennen“, präzisiert Mbarushimana. „Jene, die es | |
| wollen, können es lesen.“ | |
| „Ja, wirklich, das kann helfen“, wiederholt der FDLR-Präsident. „Ich habe | |
| 100 Prozent genug Zeit. Kein Problem.“ Und er überlegt laut: „Ich habe die | |
| Telefonnummern von einigen Kommandeuren. Ich sage ihnen, sie sollen direkt | |
| solche Bilanzen schicken und nicht über die FOCA (der militärische Flügel | |
| der FDLR im Kongo). Wenn es über FOCA kommt, kann es drei Tage dauern, bis | |
| es bei uns ankommt. Ich spreche mit Mupenzi (FOCA-Chef Sylvestre | |
| Mudacumura), damit er ihnen sagt, sie sollen es direkt an uns schicken, wie | |
| es Nord-Kivu macht.“ | |
| Daraus geht hervor, dass Feldeinheiten der FDLR im Kongo tatsächlich direkt | |
| an den in Deutschland lebenden FDLR-Präsidenten Bericht erstattet haben, | |
| dieser somit über das Kriegsgeschehen informiert war - zumindest was die | |
| Provinz Nord-Kivu angeht. Präsident Murwanashyaka hätte jetzt gerne solche | |
| Berichte, wie er sie nach eigenen Worten bereits aus Nord-Kivu bekommt, | |
| auch aus Süd-Kivu, wo Mwenga liegt. | |
| ## "Eine unabhängige Untersuchung" | |
| Ein weiteres in den Prozess eingebrachtes Telefonat zwischen Murwanashyaka | |
| und Mbarushimana datiert vom 11. August 2009 - das ist der Tag, an dem | |
| US-Außenministerium Hillary Clinton in Goma Opfer sexueller | |
| Kriegsverbrechen besucht und umfassende Hilfe zusagt, wie sie es bereits am | |
| Vortag in Bukavu getan hat. | |
| Die FDLR fühlt sich als mutmaßliche Täterorganisation betroffen.„Diese Frau | |
| Clinton“, sagt Mbarushimana seinem Präsidenten. | |
| Clinton, so Mbarushimana, „besteht darauf, dass eine unabhängige | |
| Untersuchung stattfinden sollte. Nach meiner Meinung sollten wir positiv | |
| auf die Untersuchungen reagieren - vor allem, weil wir immer darum bitten.“ | |
| „Genau“, antwortet der FDLR-Präsident. | |
| „Was wir hinzufügen sollten, ist, dass sie es auf andere Verbrechen | |
| ausweiten solten, alle Verbrechen, die in Kivu stattfinden.“ | |
| „Genau“, wiederholt der FDLR-Präsident. „Du brauchst nicht lange darübe… | |
| sprechen. In weniger als zwanzig Minuten schicke ich dir die Endfassung.“ | |
| ## "So ein Prozess interessiert uns nicht" | |
| Ein Dauerthema in diesen Gesprächen ist der Fortgang der abgebrochenen | |
| Demobilisierungsinitiative. Die politische FDLR-Führung hatte dabei die | |
| Reißleine gezogen, weil sie eine Demobilisierung der Miliz und die | |
| Repatriierung ihrer Mitglieder als Einzelpersonen ablehnt - sie will nur | |
| als Organisation nach Ruanda zurückkehren und dort tätig werden. Dabei | |
| bezieht sie sich auf den Vermittlungsprozess der katholischen Kirche, der | |
| 2005 von der italienischen katholischen Initiative Sant‘Egidio mit einem | |
| „Rom-Kommuniqué lanciert worden war. | |
| Am 7. Juli 2009, einen Tag nachdem der norwegische Vermittler Karel Lode | |
| zum letzten Mal vergeblich Telefonkontakt zu Murwanashyaka sucht, | |
| telefoniert dieser mit Pater Matteo Zuppi, seinem Kontakt bei Sant‘Egidio. | |
| Er berichtet ihm haarklein von Lodes Initiative. „So ein Prozess | |
| interessiert uns nicht“, bekräftigt er. | |
| Der FDLR-Präsident fasst zusammen, wie er die Initiative versteht: „Die | |
| Leute, die nach Ruanda zurückkehren wollen, sind von der internationalen | |
| Gemeinschaft begleitet; jene, die im Kongo bleiben wollen, denen gewährt | |
| man politisches Asyl; jene, die woanders hinwollen, werden dort | |
| hingebracht.“ Er sei aber zu Gesprächen nur dann bereit, „wenn es eine | |
| Versammlung gibt, wo die FDLR über politisches Engagement spricht, über | |
| politische Forderungen.“ | |
| Pater Matteo scheint bereit zu sein, das anzuschieben. „Ich werde | |
| versuchen“, sagt er. „Aber ich weiß nicht, ob es mir gelingt, die | |
| Kongolesen zu überzeugen, dass wir eine direkte Versammlung organisieren... | |
| Das beste ist, die Versammlung direkt zu organisieren mit dir, mir und der | |
| kongolesischen Regierung. Zumindest um anzufangen, über diese Dinge zu | |
| sprechen.“ | |
| Murwanashyaka ist skeptisch. „Es riskiert, unkontrollierbar zu sein“, vor | |
| allem, wenn neben Kongos Regierung auch Vertreter der betroffenen Provinzen | |
| Nord- und Süd-Kivu teilnehmen wollen und auch Burundi und Uganda - von | |
| Ruanda ist keine Rede. | |
| „Ich finde, es ist besser, dass wir eine Versammlung nur zwischen uns | |
| machen“, beruhigt ihn der Italiener. Es wird zu dieser „Versammlung“ in | |
| dieser Form nicht mehr kommen: Murwanashyaka wird am 17. November 2009 in | |
| Mannheim verhaftet. | |
| ## „Ob die Organisation überhaupt existiert“ | |
| Fünf Tage vorher, am 12. November 2009, hat der FDLR-Präsident noch einmal | |
| mit seinem Militärführer Mudacumura im Kongo telefoniert. Es geht um ein | |
| mögliches Treffen der Militärführung mit Exekutivsekretär Mbarushimana. | |
| „Aber vor allem, was die Leute zur Zeit sagen“, berichtet der Militärchef | |
| nach Deutschland, „sie sagen immer wieder, dass wir mit der Diaspora | |
| zusammenarbeiten sollen. Ich glaube, Sie müssen sich Gedanken machen.“ | |
| „Die Versammlung mit der Diaspora wird vorbereitet“, erwidert | |
| Murwanashyaka. „Wer will, soll an der Versammlung teilnehmen. Das ist, was | |
| ich sagen kann. Wenn eine Person sagt, dass sie mit uns zusammenarbeiten | |
| will, muss man die Person fragen, warum sie nicht zur FDLR kommt, zu | |
| welcher Organisation sie gehört... und wir schauen, ob die Organisation | |
| überhaupt existiert.“ | |
| Das genügt Mudacumura nicht. Er will etwas Schriftliches, „einen kleinen | |
| Text... damit wir es jedem sagen können, etwas wie ein Prospekt, den wir | |
| den Leuten weitergeben können.“ Oder als Handreichung, für Gespräche mit | |
| Journalisten oder mit der MONUC. „Was wir den Leuten geben können, die | |
| immer sagen, dass wir Hardliner sind, damit sie damit aufhören.“ | |
| Murwanashyaka verspricht, so etwas vorzubereiten. Fünf Tage später sitzt er | |
| in Haft. | |
| 25 Nov 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Bianca Schmolze | |
| Dominic Johnson | |
| ## TAGS | |
| FDLR | |
| Sexuelle Gewalt | |
| Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
| FDLR | |
| FDLR | |
| FDLR | |
| FDLR | |
| Zentralafrika | |
| Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
| Kongo | |
| FDLR | |
| Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| 189.-192. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Sie können hinfliegen und frag… | |
| Der ehemalige FDLR-Militärchef Paul Rwarakabije kommt erneut nach | |
| Stuttgart. Er will aber nicht über alles sprechen, wonach er gefragt wird. | |
| 185.-187. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Dort ist Durcheinander“ | |
| Zwei Jahre nach seiner ersten Vernehmung erklärt ein Ex-FDLR-Offizier, | |
| unter welchen Umständen die ruandische Miliz kongolesische Zivilisten als | |
| Feinde betrachtete. | |
| 184. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Von Kongo war keiner da“ | |
| Der angeklagte FDLR-Vizepräsident Straton Musoni widerspricht der | |
| Darstellung, man habe keine Demobilisierung gewollt. | |
| FDLR im Kongo: Ruandische Hutu-Miliz vs. UNO | |
| Nach dem Sieg gegen die M23-Rebellen tritt die UN-Eingreifbrigade im | |
| Ostkongo erneut in Aktion – gegen die berüchtigte FDLR-Miliz. | |
| Französiche Armee in Zentralafrika: Eingreifen mitten im Chaos | |
| Frankreich schickt 1.000 Soldaten in die Zentralafrikanische Republik, um | |
| die Gewalt einzudämmen. Der Einsatz wird wohl schwieriger als der in Mali. | |
| 182. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Intriganten, Verräter, Lügner | |
| Wie die FDLR-Führung in Europa wenige Monate vor ihrer Verhaftung 2009 eine | |
| Kircheninitiative zur Entwaffnung ihrer Miliz im Kongo torpedierte. | |
| 176.-181. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Kinshasa soll Hutu-Miliz entlasten | |
| Kongos Informationsminister und Regierungssprecher Lambert Mende soll in | |
| Stuttgart als Entlastungszeuge auftreten. | |
| 175. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Was haben Sie denn gesagt jetzt?“ | |
| Der angeklagte FDLR-Vizepräsident Musoni beharrt auf seiner Aussage: Er | |
| habe keine Ahnung von seiner Organisation und keinen Einfluss gehabt. | |
| 27./28. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Die gescheiterte Vermittlung | |
| FDLR-Präsident Murwanashyaka zeigte kein Interesse an einem Ende des | |
| militärischen Kampfes der ruandischen Miliz. Das sagt ein Unterhändler aus. | |
| Clinton-Besuch in Afrika: Klartext für Kongo | |
| Die US-Außenministerin fordert die Bestrafung der Täter sexueller | |
| Kriegsverbrechen und ein Ende der Menschenrechtsverletzungen im Kongo. |