| # taz.de -- 176.-181. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Kinshasa soll Hutu-Mil… | |
| > Kongos Informationsminister und Regierungssprecher Lambert Mende soll in | |
| > Stuttgart als Entlastungszeuge auftreten. | |
| Bild: Kongos Informationsminister Laurent Mende. | |
| STUTTGART taz | Die Verteidigung von Ignace Murwanashyaka und Straton | |
| Musoni, Präsident und 1. Vizepräsident der im Kongo kämpfenden ruandischen | |
| Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), will einen | |
| prominenten Entlastungszeugen aufbieten. Lambert Mende, eine der | |
| schillerndsten Figuren der Regierung der Demokratischen Republik Kongo, | |
| soll für die Verteidigung aussagen. Das beantragten die Anwälte der beiden | |
| Angeklagten am Montag zum Abschluss des 181. Verhandlungstages. | |
| In dem Prozess gegen die FDLR-Führer, der seit 2011 vor dem OLG Stuttgart | |
| läuft, wird die Miliz für zahlreiche Kriegsverbrechen und Massaker an | |
| ostkongolesischen Zivilisten im Jahre 2009 verantwortlich gemacht. Die | |
| Verteidigung bestreitet die Vorwürfe. | |
| Mende, Informationsminister und Regierungssprecher des Kongo, habe 2009 | |
| mehrfach öffentlich gesagt, die FDLR habe keine Zivilisten getötet, so die | |
| Anwälte. Dies solle er nun bezeugen. Die ladefähige Anschrift des Ministers | |
| sei über die kongolesische Botschaft zu erhalten. | |
| Sollte es zu einer Ladung kommen und Mende ihr nachkommen, gibt es auf | |
| jeden Fall einen Eklat. Wenn er die Angaben der Verteidigung bestätigt, | |
| stellt er sich als kongolesisches Regierungsmitglied hinter eine Miliz, die | |
| als eine der brutalsten der Region gilt und die zu den „negativen Kräften“ | |
| im Ostkongo zählt, die international bekämpft werden sollen. Bestätigt er | |
| sie nicht, könnte er stattdessen als der bisher höchstrangige Politiker in | |
| einem Stuttgarter Gerichtssaal Aussagen gegen die FDLR machen. | |
| ## Waffen von Hugo Chavez? | |
| Der Prozess gegen die beiden FDLR-Führer ist mit Verhandlungstag 181 zum | |
| ersten Mal seit dem 11. September wieder in vollständig öffentliche | |
| Verhandlung übergegangen. An vier vorherigen Verhandlungstagen waren | |
| Opferzeugen ohne Öffentlichkeit befragt worden. | |
| Am 11. September, dem 176. Verhandlungstag, war vor allem der E-Mail- und | |
| SMS-Verkehr des FDLR-Präsidenten Murwanashyaka verlesen worden, der | |
| beweisen sollte, dass Murwanashyaka aus Deutschland heraus detaillierte | |
| Kenntnis von Vorgängen in seiner Organisation vor Ort im Kongo hatte. | |
| Zu den Kuriositäten gehört dabei ein angebliches Treffen mit ugandischen | |
| Kontakten der FDLR im Dezember 2008, bei denen über einen Plan zur | |
| gemeinsamen „Befreiung Kivus“ diskutiert worden sein soll. Der FDLR seien | |
| Waffen aus Venezuela in Aussicht gestellt worden, die der dortige Präsident | |
| Hugo Chavez geliefert habe. Diese Waffen befänden sich in Äthiopien. Man | |
| solle einen Experten für schwere Waffen mit ugandischem Pass finden, um den | |
| Transport zu organisieren, heißt es in einer am 26. Dezember 2008 an | |
| Murwanashyaka verschickten SMS-Nachricht. | |
| In späteren Berichten ist von einer neuen kongolesischen Rebellengruppe die | |
| Rede, die gemeinsam mit der FDLR Kongos Regierung stürzen wolle. Diese | |
| Gruppe namens FPLC (Patriotische Front zur Befreiung des Kongo) war Thema | |
| mehrerer Nachrichten zwischen Murwanashyaka und einem FDLR-Feldkommandeur | |
| im Kongo im Sommer 2009. | |
| Am 25. August habe Murwanashyaka sich für Zurückhaltung entschieden. „Keine | |
| Entscheidung über eine Zusammenarbeit wurde getroffen“, schrieb er in einer | |
| Mail an den Kommandeur vor Ort. „Kein Soldat von uns wird ihnen angehören. | |
| Unsere Soldaten nehmen auf keinen Fall ihren Namen an. Sie verfolgen ihre | |
| Pläne, wir unsere.“ | |
| ## „Kabila fällt die Entscheidungen“ | |
| Man hat von der FPLC nie wieder etwas gehört, auch nicht von den | |
| venezolanischen Waffen. Ob es sie je wirklich gab, ob es ein Gerücht oder | |
| auch eine Provokation war, bleibt offen. Deutlich wird jedoch auch, dass | |
| Murwanashyaka nicht ganz so wenig zu militärischen Angelegenheiten | |
| mitzureden hatte, wie es zuletzt in diesem Prozess den Anschein hatte. | |
| Sicher ist auch, dass im Sommer 2009 die FDLR tief enttäuscht von Kongos | |
| Regierung war. Die Regierung in Kinshasa hatte die ruandische Hutu-Miliz | |
| seit ihrer Gründung 2000 unterstützt – und diese Freundschaft Anfang 2009 | |
| angekündigt, um gemeinsam mit Ruandas Armee die FDLR zu bekämpfen. Die | |
| Kriegsverbrechen, die der Miliz in Stuttgart angelastet werden, erfolgten | |
| im Rahmen dieser Kämpfe, als Racheakte an den wortbrüchigen Kongolesen, wie | |
| es zahlreiche Zeugen dargestellt haben. | |
| Möglicherweise gab es aber 2009 Bestrebungen, die alte Allianz neu zu | |
| knüpfen. Am 30. September wird in die Hauptverhandlung ein Telefongespräch | |
| zwischen den beiden Angeklagten vom 14. Mai 2009 eingeführt – wenige Tage, | |
| nachdem die FDLR im kongolesischen Dorf Busurungi zahlreiche Zivilisten | |
| umgebracht hatte. | |
| Darin berichtete Musoni seinem Präsidenten, er habe von einem Kontakt aus | |
| Brazzaville erfahren, dass Mitglieder von Kongos Armee, darunter ein | |
| ehemaliger FDLR-Kämpfer, neue Kontakte zu der Miliz einfädeln wollten, mit | |
| dem Ziel, erneute Verhandlungen zwischen Kongos Armee und der ruandischen | |
| Miliz herbeizuführen. | |
| Murwanashyaka rät, solchen Gerüchten keinen Glauben zu schenken: „Die sind | |
| zusammen mit Kigali (Ruandas Hauptstadt) und bekämpfen uns“, weist er die | |
| Mutmaßung zurück, man könne mit Kongos Regierung in Kinshasa wieder eine | |
| Einigung erzielen, und erläutert sein tiefes Misstrauen gegenüber der | |
| kongolesischen Regierung. | |
| „Die Entscheidungen werden von Präsident Kabila getroffen. Nicht irgendein | |
| Offizier oder Minister. Selbst wenn es ein General wäre, er kann keine | |
| Entscheidungen treffen über Sachen, die im Kongo passieren. Kabila ist der, | |
| der die Entscheidungen fällt. Und er hat ein Bündnis mit Kigali | |
| geschlossen, gegen uns.“ | |
| ## Segenswünsche an die BBC | |
| Im Gerichtssaal vorgespielt wird auch ein Telefongespräch zwischen | |
| Murwanashyaka und dem höchsten FDLR-Militärführer General Symvestre | |
| Mudacumura, in dem die beiden sich im Februar 2009 über den britischen | |
| BBC-Rundfunk unterhalten – der Weltsender hat sich des öfteren dagegen | |
| verwahrt, dass Ruandas Behörden dem ruandischsüprachigen BBC-Programm zu | |
| große Nähe zu der Miliz vorwerfen. Warum Ruanda das denken könnte, wird | |
| jetzt klar. | |
| Murwanashyaka nennt gegenüber Mudacumura die Namen zweier BBC-Journalisten | |
| – offensichtlich Mitarbeiter des ruandischsprachigen Programms – denen er | |
| „vertraut“. Und in einem weiteren Telefongespräch im April 2009 führt ein… | |
| dieser beiden Mitarbeiter mit Murwanashyaka ein Interview, vor dem es einen | |
| längeren, offensichtlich auf guter Bekanntschaft fußenden Austausch | |
| zwischen einer BBC-Redakteurin und dem FDLR-Präsidenten gibt. | |
| Der offensichtlich gut informierte Milizenführer erzählt der | |
| BBC-Redakteurin, welcher britische BBC-Journalist – der langjährige | |
| Afrikakorrespondent Mark Doyle – gerade Berichten über eine Massenflicht | |
| kongolesischer Zivilisten vor der FDLR im Ostkongo nachgeht. „Ich habe mit | |
| ihm telefoniert. Er sollte eigentlich Ihnen Nachrichten mitteilen“, sagt | |
| er. | |
| Die Redakteurin klagt über die scharfen Sicherheitsmaßnahmen in London | |
| wegen des laufenden G-20-Gipfels. Murwanashyaka schließt das Gespräch mit | |
| den Worten: „Gutes Gelingen. Möge Gott euch schützen.“ | |
| Mitarbeit: Bianca Schmolze | |
| 1 Oct 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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