# taz.de -- 174. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Musonis Widersprüche | |
> Der FDLR-Vize ließ sich die Reisekosten von Kongos Regierung erstatten, | |
> enthüllt er – und einiges mehr. Nicht alles, was er sagt, passt zusammen. | |
Bild: Straton Musoni vor Gericht: Erst nach über 2 Jahren Verhandlung sagt er … | |
STUTTGART/BERLIN taz | Am zweiten Tag seiner Befragung durch den 5. | |
Strafsenat des OLG Stuttgart hat Straton Musoni, 1. Vizepräsident der im | |
Kongo kämpfenden ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung | |
Ruandas), sich in einige Widersprüche verwickelt. Es war der 9. August, | |
zugleich letzter Verhandlungstag vor der Sommerpause, die am 9. September | |
zu Ende geht. | |
Musoni, angeklagt zusammen mit FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka, hatte | |
am 5. August nach über zwei Jahren Verhandlung erstmals das Wort zu seiner | |
Verteidigung ergriffen und eine lange schriftliche „Einlassung“ verlesen, | |
in Folge derer er dann von den Richtern und auch von der Verteidigung | |
Fragen entgegennimmt - nicht aber von der Bundesanwaltschaft. | |
Manche von Musonis Antworten auf diese Fragen führen zu anderen Schlüssen | |
als das, was er in seiner „Einlassung“ ausgeführt hat. | |
## Wie fiktiv waren die FDLR-Statuten? | |
Dort hatte er unter anderem seine Rolle als Vizepräsident sowie das | |
Verhältnis zwischen Politikern und Militärs innerhalb der FDLR unter | |
ausführlichem Verweis auf entsprechende Paragraphen der FDLR-Statuten | |
dargelegt. Jetzt aber stellte er klar, dass diese Statuten eigentlich | |
Fiktion seien - nämlich gedacht für eine Zukunft, wenn die FDLR als | |
politische Partei in Ruanda tätig ist, nicht für die Gegenwart, in der die | |
FDLR als Bürgerkriegsarmee im Kongo im Busch steht. | |
„Die Organisation und Arbeit war nicht so, wie es hier steht“, so Musoni. | |
„Es war nicht wie die Arbeit in einem Büro. Die Texte sind für den Fall, | |
dass wir eine richtige Partei sind, nicht aber für den Fall als | |
Exilorganisation, wo die Leute mit vielem anderen zu tun haben.“ | |
Weiter: „In der Satzung sind viele Gremien aufgeführt, die gar nicht | |
funktionsfähig waren, da sie nur in einem Land funktionieren, wo die Heimat | |
ist. Zum Beispiel: Das Hauptquartier funktionierte, aber das ’Nationale | |
Widerstandskomitee‘ funktionierte nicht, da wir nicht in Ruanda waren. | |
Allein der Umstand, sich nicht an einem Ort treffen zu können. Vieles aus | |
der Satzung war nicht umsetzungsfähig. Es gab nicht alle Kommissariate.“ | |
Später fügt er hinzu: „Wir dachten, es dauert nicht mehr lange, bis wir in | |
Ruanda sind. Das Statut war nicht als Flüchtlingsorganisation gedacht.“ | |
Da Musoni am ersten Tag unter Verweis auf die Satzung gesagt hatte, die | |
FDLR und ihr militärischer Flügel FOCA seien zwei getrennte Gebilde, mit | |
der Armee FOCA als „souveräner“ Organisation, wirft diese Darstellung | |
erhebliche Fragen auf. Kern der Anklage ist die Annahme, dass Murwanashyaka | |
und Musoni als politische FDLR-Führer für Verbrechen des militärischen Arms | |
FOCA verantwortlich zu machen sind. | |
## Politiker und Militärs zusammen oder getrennt? | |
„Am Anfang war die Armee die Organisation“, erklärt Musoni auf | |
entsprechende Nachfrage einer der Richter. „Die Trennung kam erst später.“ | |
„Aber in einem demokratischen Staat gibt es die Regierungskontrolle über | |
die Armee“, fragt der Richter nach, so als sei die FDLR als „demokratischer | |
Staat“ zu bezeichnen. | |
„In einem funktionierenden Staat ja, oder in einer Militärdiktatur“, | |
erwidert Musoni. „Aber das war anders bei FDLR/FOCA, da es kein Staat war.“ | |
Eine Kontrolle der Politiker über die Militärs war dennoch möglich, sagt | |
er: im Leitungsgremium „Comité Directeur“, in dem Militärs und Politiker | |
jeweils zu 50 Prozent vertreten sind. Murwanashyaka sei auch, anders als | |
die Statuten suggerieren, nicht stimmberechtigt im Oberkommando gewesen. | |
„Nicht die FDLR hat eine Armee, sondern die Armee hält sich ein paar | |
Politiker?“ will der Richter wissen. | |
„Das würde ich nicht direkt bejahen, aber auch nicht verneinen“, antwortet | |
Musoni spitzfindig. „Es war eine harmonische Zusammenarbeit... Ich sah | |
keinen Bedarf, dass die Armee von der Politik kontrolliert werden muss. | |
Aber falls die Armee Plünderungen macht und die Politik ist zu schwach, um | |
das zu stoppen, stimmt etwas nicht.“ | |
## FDLR-Mitgliedsbeiträge oder nicht? | |
Die FDLR hatte nicht einmal einen funktionierenden Haushalt, so Musoni. | |
Aber sie hatte Geld. „Die Organisation erhielt Unterstützung durch Spenden | |
und Mitgliedsbeiträge“, sagt Musoni, der dafür zuständig war - auf dem | |
Papier und auch in der Realität. „Ich habe mich sehr intensiv damit | |
beschäftigt, denn wir erstellten auch Spendenquittungen und wir | |
entschieden, wieviel pro Unterstützer gegeben wird. Das war in Afrika | |
anders als in Europa. In Afrika zahlte man pro Person 1 Dollar, in Europa | |
10 bis 50 Dollar pro Jahr.“ | |
Es gab aber“ keine Zwangssammlungen von Geldern bei den Flüchtlingen“, sagt | |
Musoni zur Präsizisierung nach einem kurzen Gespräch mit seiner | |
Verteidigung. „Niemand wurde gezwungen, Geld zu geben. Nicht mal wir in | |
Europa haben regelmäßig Geld bezahlt.“ | |
## "Ich bekam alles zurück von Kongos Regierung" | |
Dann macht er eine Aussage von erheblicher politischer Bedeutung: „Es gab | |
keine Kasse, aus der man Geld für Reisen nehmen konnte. Ich habe es selbst | |
bezahlt und konnte alle Kosten für Telefonate und Reisen und so weiter | |
zurückbekommen von der kongolesischen Regierung. Aber das war vier bis fünf | |
Jahre später.“ | |
Hier bezieht sich Musoni auf die Zeit nach den gescheiterten | |
Rom-Verhandlungen zu einem Ende des FDLR-Krieges, vermittelt 2005 durch die | |
katholische Kirchengemeinschaft Sant‘Egidio. Musoni und Murwanashyaka | |
hatten in führender Funktion an diesen Verhandlungen teilgenommen und | |
hatten sich eng mit dem obersten FDLR-Militärführer im Kongo, General | |
Mudacumura, abgestimmt. | |
„Mudacumura fragte, was mit den Waffen passieren würde (falls die FDLR | |
zustimmen würde, die Waffen niederzulegen, d.Red.), aber das wurde nicht | |
diskutiert“, erinnert sich Musoni. „Die Demobilisierung sollte nicht an der | |
Waffenentsorgung scheitern. Ich weiß nicht mal, ob die Waffen bezahlt | |
waren. Ich habe die Frage nicht weitergeleitet.“ | |
## Für 29.000 Dollar ein Taxt gekauft? | |
Einige Monate später war Murwanashyaka - ohne Musoni - zu den FDLR-Kämpfern | |
in den Kongo gereist und hatte Geld verteilt, nachdem er 250.000 US-Dollar | |
von Kongos Regierung erhalten hatte - eine Teilrückzahlung der Schulden, | |
die die Regierung Kabila gegenüber der FDLR nach deren Meinung hat, weil | |
die ruandischen Hutu-Kämpfer das Kabila-Regime gegen Rebellen und Ruanda | |
verteidigt hatten. | |
Bisher war bekannt, dass jeder FDLR-Kämpfer damals 10 US-Dollar bar auf die | |
Hand bekommen hatte - also nicht die kompletten 250.000 Dollar an die | |
Truppe ausbezahlt wurden. Jetzt bestätigt Musoni: Von dem Geld behielten | |
die Führer einen erheblichen Anteil. „Ich selbst hatte 5000 bis 6000 Dollar | |
Auslagen“, so Musoni. „Nach der Abrechnung unserer Telefon- und Reisekosten | |
blieben 29.000 Dollar, die wir Munyandegwa gaben.“ Das waren nach | |
Darstellung der Anklage „Taxikosten“. | |
Zuvor war Musoni nach einer entsprechenden Vereinbarung vom 22. April 2007 | |
über die Rückzahlung dieses Geldes gefragt worden. Musoni hatte es erklärt: | |
„Es war ein Teil des Geldes von der kongolesischen Regierung. Wir nahmen | |
das Geld. Ein Teil wurde durch Ignace in den Kongo gebracht, wo 10 Dollar | |
an die Soldaten verteilt wurden. 30.000 oder mehr gingen in die Kasse in | |
Europa. Munyandegwa war zuständig für Informationen, er war Sprecher der | |
Organisation, daher wurde ihm Geld gegeben. Er war Taxifahrer. Wir wollten | |
so was wie LNC (‘Logistique Non-Convetionelle‘, die FDLR-Umschreibung für | |
Eigenfinanzierung durch Handel und Steuerhebung im Kongo) auch hier machen. | |
Aber er hat das Geld nicht zurückgegeben.“ Angeblich kaufte er sich ein | |
Taxi damit. | |
## Vergewaltigungsverbot gestrichen? | |
Ein weiterer Punkt, der allerdings unklar bleibt, betrifft die Vorbereitung | |
einer Sitzung des FDLR-Vorstands „Comité Directeur“ im Januar 2009, zu | |
Beginn der gemeinsamen kongolesisch-ruandischen Armeeoperation „Umoja Wetu“ | |
gegen die FDLR im Ostkongo. Musoni war damals an der Erstellung einer | |
Beschlussvorlage beteiligt. | |
„Für die Versammlung gab es unter den Empfehlungen Nummer 40: | |
Vergewaltigungen und sonstige Verbrechen werden niemals geduldet“, führt | |
ein Richter aus. „In der späteren Fassung, die Ignace Murwanashyaka und | |
Callixte Mbarushimana (FDLR-Exekutivsekretär) unterchrieben haben, fehlt | |
Nummer 40.“ | |
Nicht Musoni antwortet darauf, sondern Murwanashyakas Anwältin Ricarda | |
Lang. „Das wurde nur umformuliert“, korrigiert sie. | |
Es gibt einige Verwirrung, welche Version der Beschlussvorlage wann | |
erstellt wurde und ob es jemals eine gültige Endfassung gab: „Welche | |
Version enbdgültig war und in den Kongo ging, muss ich nochmal nachsehen“, | |
sagt Musoni. „Ich war an der Formulierung und Diskussion nicht beteiligt. | |
Ich habe nicht darauf geachtet.“ Vielleicht sei der Verweis auf | |
„Vergewaltigungen und sonstige Verbrechen“ in einem anderen Passus | |
zusammengefasst. | |
„Zumindest gab es über die Formulierung der Empfehlungen eine Einigung“, | |
erinnert sich Musoni dann doch. „Die Formulierung ist, mit aller Energie | |
alle Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung zu bekämpfen.“ | |
## Weiter geht's Ende September | |
Musonis Befragung wird am 30. September fortgesetzt. | |
Zuvor sollen ab 9. September erneut Opferzeugen per Videolink unter | |
Ausschluss der Öffentlichkeit befragt werden. Wenn die Sicherheitslage in | |
und um Goma das zulässt. | |
5 Sep 2013 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
Bianca Schmolze | |
## TAGS | |
FDLR | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
FDLR | |
Kongo | |
FDLR | |
FDLR | |
M23-Rebellen | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Kongo | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
224.-225. Tag FDLR-Kriegsverbrecherprozess: Musoni gibt Geschichtsunterricht | |
Der 1. Vizepräsident der FDLR erläutert vor Gericht die Entstehung und | |
Struktur seiner Miliz – und die lähmenden Machtkämpfe der frühen Jahre. | |
176.-181. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Kinshasa soll Hutu-Miliz entlasten | |
Kongos Informationsminister und Regierungssprecher Lambert Mende soll in | |
Stuttgart als Entlastungszeuge auftreten. | |
175. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: „Was haben Sie denn gesagt jetzt?“ | |
Der angeklagte FDLR-Vizepräsident Musoni beharrt auf seiner Aussage: Er | |
habe keine Ahnung von seiner Organisation und keinen Einfluss gehabt. | |
175.-176. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Zweifel an der Anklage | |
Das Gericht regt die Streichung von 7 der 18 Anklagepunkte an. Es | |
bezweifelt, dass die Beweislage die Führungsverantwortlichkeit des | |
FDLR-Präsidenten belegt. | |
Beschluss auf Kongo-Gipfel: Kriegsparteien sollen wieder reden | |
Neuer Anlauf zum Frieden: Staatschefs der Region vereinbaren neue | |
Friedensverhandlungen für den Kongo – aber keine Feuerpause. | |
173. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Musoni spricht | |
Zum ersten Mal seit Prozessbeginn äußert sich einer der beiden Angeklagten. | |
FDLR-Vizepräsident Straton Musoni geht sachte auf Distanz zur eigenen | |
Truppe | |
155.-161. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Die Angeklagten bleiben in Haft | |
Ein Antrag der Verteidigung auf Einstellung des Verfahrens und | |
Haftentlassung der FDLR-Führer wird abgelehnt. Aber einige der | |
kongolesischen Opferzeuginnen werden kritisiert. | |
101. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: FDLR-Vize will aufhören | |
Straton Musoni, 1. Vizepräsident der FDLR, lässt vor Gericht in Stuttgart | |
seinen Austritt aus seiner Miliz erklären. Er will Haftverschonung | |
bekommen. | |
97.-98. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Musoni will Rechtsgespräch | |
Der zweite Angeklagte im FDLR-Prozess hofft auf Haftverschonung. Bei | |
erneuter Befragung eines UN-Zeugen werden Mängel der BKA-Übersetzungsarbeit | |
deutlich. | |
94. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Musoni unter der Lupe | |
FDLR-Vize Musoni hatte vor seiner Festnahme 2009 private Probleme. Zuvor | |
schützte ihn das Baden-Württemberger Justizministerium jahrelang. |