# taz.de -- 94. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Musoni unter der Lupe | |
> FDLR-Vize Musoni hatte vor seiner Festnahme 2009 private Probleme. Zuvor | |
> schützte ihn das Baden-Württemberger Justizministerium jahrelang. | |
Bild: Die FDLR-Milizen haben das Leben Tausender Zivillisten zerstört. | |
STUTTGART taz | Am 1. August, dem 94. Verhandlungstag, sowie am 10. August, | |
dem 96. Verhandlungstag und dem letzten vor der Sommerpause, geht es im | |
Kriegsverbercherprozess gegen die Führer der im Kongo kämpfenden | |
ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) | |
vor dem Oberlandesgericht Stuttgart ausführlich um die Personalia und den | |
Hintergrund des Angeklagten Straton Musoni, 1. FDLR-Vizepräsident. Offenbar | |
konzentriert sich das Verfahren jetzt vor allem auf ihn, da seine exakte | |
Rolle anders als die des FDLR-Präsidenten Ignace Murwanashyakas unklar ist. | |
Musoni, Computerfachmann, hatte jahrelang unentdeckt und trotz | |
internationaler Sanktionen gegen ihn am Justizministerium Baden-Württemberg | |
in Stuttgart in der EDV gearbeitet. In einem vor wenigen Monaten verlesenen | |
Telefonat hatte er sich gebrüstet, von da aus die FDLR angerufen zu haben. | |
Erst im Juli 2009 war er durch eine Sicherheitsprüfung gefallen und man | |
hatte ihm den Zugang verweigert. Da war er schon seit Jahren Gegenstand von | |
Ermittlungen und Sanktionen gewesen, wovon aber das Stuttgarter Ministerium | |
offenbar nichts wusste. | |
In einer Stellungnahme des Justizministeriums Baden-Württemberg vom 21. | |
Dezember 2009 zu einer Anfrage der Landesregierung, die jetzt vor Gericht | |
verlesen wurde, stehen dazu erstaunliche Dinge. Die FDLR ist kein | |
Beobachtungsobjekt für den Verfassungsschutz, heißt es. Straton Musoni, | |
bestätigt das Justizministerium, steht seit März 2007 auf der | |
UN-Sanktionsliste, aber es gibt kein Fahndungsausschreiben. Musoni fällt | |
unter die Embargomaßnahmen des UN-Sicherheitsrates und auf der | |
Sanktionsliste des US-Finanzministeriums, für Deutschland bedeutet dies | |
jedoch keine Rechtsfolge, denn die Berichte der UNO sind weder dem | |
Justizministerium noch den Behörden bekannt. | |
## Alle Verfahren eingestellt | |
Die EU-Sanktionsverordngung 1183/2005 aus dem Jahr 2005 (die UN-Sanktionen | |
übernimmt) ist dem Innenministerium allerdings seit April 2007 bekannt, | |
führt die Stellungnahme weiter aus. Die EU-Verordnung zur Einfrierung von | |
Konsten und wirtschaftlichen Ressourcen ist aber kein ausreichender Grund | |
für eine Strafverfolgung, daher gibt es keine Ermittlungen. 2007 gab es | |
Geldwäschevorwürfe gegen Musoni mit drei Anzeigen, aber alles wurde | |
eingestellt. | |
Seit 14. Juli 2009 ist Musoni der Zugang zum Justizministerium verwehrt; | |
wie lange das Arbeitsverhältnis dort bestand, ist nicht bekannt. Musoni hat | |
keinen gültigen ruandischen Pass, daher ist er ausreisepflichtig, aber eine | |
Abschiebung ist wegen der UN-Resolution nicht möglich, daher hat Musoni | |
eine Duldung erhalten, dazu ein politisches Betätigungsverbot. Für die | |
Ermittlungen der Bundesanwaltschaft wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen | |
gegen die Menschlichkeit ist das Justizministerium Baden-Württemberg nicht | |
zuständig. | |
Es werden weiter einige Einzelheiten aus Musonis ruandisch-deutscher | |
Biographie verlesen: | |
Geboren 6. April 1961 in Kiruwa, Ruanda. | |
8. September 1986: Stipendiatenausweis von der deutschen | |
Carl-Duisburg-Gesellschaft über 22 Monate, Förderung für Fach- und | |
Führungskräfte | |
23. September 1986: Anmeldung in Saarbrücken | |
April bis September 1987: Praktikum bei der Ostertag Garten und Pflanzen | |
GmbH, Schwäbisch Hall | |
1. Oktober 1988: Immatrikulation an der FH Konstanz, Fachrichtung | |
Landschaftspflege, Studium bis voraussichtlich Juli 1992 | |
6. Juli 1993: Anstellungsvertrag als Dipl-Ingenieur bei Jahn & Partner, | |
Firma für Landschafts-, Umwelt- und Stadtplanung in Bernhausen, ab 1.10.93 | |
bis 31.5.94 mit DM 1800 Verdienst | |
20. August 1993: Arbeitsamt Göppingen/Esslingen beantragt bei der Stadt | |
Nürtingen Arbeitserlaubnis für Musoni, wird gewährt | |
1995: Immatrikuliert an FH Nürtingen, Fachrichtung Internationale | |
Wirtschaftsbeziehungen | |
18.2.1997: Duldung der Stadt Nürtingen | |
17.8.1997: Aufenthaltsgenehmigung des Landes Baden-Württemberg | |
2001: Arbeit bei EDS Global Field Services | |
21.4.2006: Entwurf eines Schreibens des Landkreisamtes Esslingen an das | |
Innenministerium Baden-Württemberg: Musoni habe abgelaufene | |
Aufenthaltsgenehmigung, er wolle deutsche Staatsbürgerschaft beantragen, | |
doch es liege nicht einmal der Verlängerungsantrag vor | |
21.9.2009: Entwurf eines Schreibens des Landkreisamtes Esslingen an Musoni: | |
Duldung und Aussetzung der Abschiebung bis 20.3.2010, Musoni darf keine | |
selbständigen Beschäftigung nachgehen. Duldung am 25. September Musoni | |
ausgehändigt | |
Die UN- und EU-Sanktionen gegen Musoni bestanden schon seit 2005, aber sein | |
Konto, das er 1986 bei der Postbank Saarbrücken eröffnet hatte, wurde erst | |
am 12. April 2009 gesperrt. | |
Die höchsten Kontosalden waren 2009 23.073,43 Euro, davor schon im Januar | |
2005 und Januar 2008 jeweils über 10.000 Euro; sonst immer um die 2000 | |
Euro. Es gab regelmäßige Zahlungseingänge von durchschnittlich 150 Euro von | |
diversen Ruandern, manche auch bis zu 1000 Euro. Es gab zahlreiche | |
Überweisungen an Musonis Ehefrau Brigitte Musoni unter dem Stichwort | |
„Rückzahlung“. Es gab mehrmals umfangreiche Ausgaben für „Telefon“. | |
## Ehefrau will die Scheidung | |
Nach der Kontensperrung gab es Umsätze durch Gehaltszahlungen und eine | |
monatliche Auszahlung von 870 Euro. In Telefongesprächen Musonis mit seinen | |
FDLR-Führungskollegen Murwanashyaka und Mbarushimana, die am 10. August | |
verlesen werden, wird deutlich, in welcher schwierigen Lage sich der | |
FDLR-Vizepräsident danach befand. Er befindet sich in der Scheidung von | |
seiner Ehefrau Brigitte; ein Gerichtstermin ist für den 22. September | |
angesetzt, berichtet er FDLR-Exekutivsekretär Callixte Mbarushimana am 20. | |
August 2009. | |
„Meine Frau hat mir diese UN-Angelegenheiten vorgeworfen“, klagt Straton | |
Musoni. „Es gibt keinen Frieden mehr, wir haben nur Streit. Sie hat mir | |
sogar vorgeworfen, dass ich Mörder bin, dass ich fast ein Mörder bin, dass | |
ich mich nicht in ihrer Nähe aufhalten darf.“ Er dürfe sich ihr jetzt nicht | |
mehr als 250 Meter nähern. Gegenüber Murwanashyaka führt Musoni am 28. | |
August weiter aus, es gehe darum, „ob ich ein Aggressiver bin, der sie | |
schlagen will“. | |
Außerdem habe ihm sein Arbeitgeber gekündigt, erzählt Musoni im ersten der | |
beiden Gespräche weiter – das Telefonat fand wenige Wochen nach Musonis | |
Zutrittsverbot zum Stuttgarter Justizministerium statt. Und | |
Arbeitslosengeld sei ihm abgelehnt worden, „mit der Begründung, dass sie | |
nicht Leute finanzieren können, die terroristischen Organisationen | |
angehören“. | |
Straton Musoni mutmaßt auch, dass er vielleicht bald eine eigene Wohnung | |
braucht und dafür aber kein Geld haben wird. „Ich habe viele Probleme“, | |
sagt er immer wieder. Die Festnahme am 17. November 2009, so scheint es | |
nach diesen Gesprächen, muss dem Ruander eine große Last von seinen | |
Schultern genommen haben. | |
10 Sep 2012 | |
## AUTOREN | |
B. Schmolze | |
D. Johnson | |
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