# taz.de -- Kommentar Kriegsverbrecherprozess in Stuttgart: Weltjustiz aus Deut… | |
> Das laufende Verfahren in Stuttgart gegen zwei FDLR-Milizionäre ist | |
> juristisch neu für Deutschland. Es öffnet für Deutschland eine Tür zur | |
> Welt. | |
Bild: Bei dem Völkermord in Ruanda 1994 wurden weit über 800.000 Menschen bes… | |
Kriegsverbrecherprozesse erfordern einen langen Atem. Besonders, wenn die | |
Kriege weit weg sind. Die deutsche Justiz ist das nicht gewohnt. Man merkt | |
das am peniblen Vorgehen des 5. Strafsenats des Oberlandesgerichts | |
Stuttgart im laufenden [1][Verfahren gegen zwei in Deutschland lebende | |
Ruander], die eine Miliz im Kongo führen. Im Kongo gibt es kaum juristische | |
Strukturen, die Arbeit mit Zeugen und Opfern kann für diese | |
lebensgefährlich sein, und die Täter führen während des Prozesses weiter | |
Krieg. All das sieht die deutsche Strafprozessordnung nicht vor. | |
Der Stuttgarter FDLR-Prozess öffnet in Deutschland eine Tür zur Weltjustiz | |
– und zugleich zeigt die geöffnete Tür, wie weit der Weg noch ist. Die | |
Globalisierung des Rechts ist längst im Gange. Es mangelt nicht an | |
grenzüberschreitenden Normen, weltweiten Zuständigkeiten, internationalen | |
Gerichten. Die Globalisierung der Justiz aber, also die praktische | |
Umsetzung des globalisierten Rechts, steht noch ganz am Anfang. | |
Nationale Souveränität ist im Justizwesen zumeist noch absolut, | |
grenzüberschreitende Arbeit bleibt die Ausnahme und in der Praxis mit hohen | |
Hürden behaftet. Im FDLR-Prozess mag das dank der Nichtexistenz einer | |
funktionierenden kongolesischen Justiz weniger auffallen, aber die Umstände | |
der Ermittlungen vor Ort und der Umgang mit Zeugen vor Gericht werfen immer | |
wieder legitime Fragen auf. | |
Sollte einmal die deutsche Bundesanwaltschaft Kriegsverbrecher aus Syrien | |
oder Verantwortliche für US-Drohnenangriffe in Pakistan anklagen wollen, | |
dürfte das auf ganz andere Weise problematisch werden. | |
Der FDLR-Prozess lässt das Ausmaß der noch unbewältigten Herausforderungen | |
im globalen Kampf gegen Straflosigkeit erahnen. Für die taz ist er noch aus | |
einem besonderen Grund wichtig. Wir widmen seit dem Völkermord in Ruanda | |
den mörderischen Konflikten im Afrika der Großen Seen besondere | |
Aufmerksamkeit, und taz-Recherchen haben dazu beigetragen, das Augenmerk | |
einer breiteren Öffentlichkeit auf das unselige Wirken der FDLR-Führung in | |
Deutschland zu lenken. | |
Dieselbe Aufmerksamkeit verdient auch der weitere Verlauf des | |
FDLR-Prozesses. Er hat Signalwirkung nicht nur für die globalisierte Justiz | |
und nicht nur für Deutschland. In Kongos Kriegsgebieten, nicht hier, stehen | |
Menschenleben auf dem Spiel. Ihr Schutz ist das höchste Gut. | |
19 Aug 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Schwerpunkt-Kongo-Kriegsverbrecherprozess/!t28/ | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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