# taz.de -- Amnesty-Expertin zum Völkerstrafrecht: „Keine Strafanzeigen zur … | |
> Das Völkerstrafgesetzbuch sei eine große Errungenschaft, auch wenn es | |
> kaum Anwendung finde, meint Amnesty-Expertin Von Braun. Denn die Gesetze | |
> würden ernstgenommen. | |
Bild: Die UNO ist bei Kriegsverbrechen oft hilflos. Das Völkerstrafrecht könn… | |
taz: Frau von Braun, seit zehn Jahren gibt es in Deutschland das | |
Völkerstrafgesetzbuch. Ist das für Sie eine Erfolgsgeschichte oder eine | |
Enttäuschung? | |
Leonie von Braun: Für mich ist es eine klare Erfolgsgeschichte. Schon die | |
Existenz des Gesetzes ist eine Errungenschaft. Es ermöglicht die Bestrafung | |
von Völkermord, Menschlichkeits- und Kriegsverbrechen durch deutsche | |
Gerichte, auch wenn keine Deutschen als Opfer und Täter beteiligt waren. | |
Es gibt bisher aber nur einen Prozess am Oberlandesgericht Stuttgart gegen | |
zwei Milizenführer aus dem Kongo ... | |
Dass es diesen Prozess überhaupt gibt, ist schon ein großer Erfolg. Er | |
zeigt, dass die deutsche Justiz das Gesetz ernst nimmt und anwendet. Der | |
Kongo ist einer der größten Krisenherde weltweit, deshalb ist dieser | |
Prozess von immenser Bedeutung und wird von Menschenrechtsorganisationen | |
weltweit beobachtet. | |
Ist es wirklich schon ein Erfolg, wenn ein Gesetz nicht nur im Gesetzbuch | |
steht, sondern tatsächlich einmal angewandt wird? | |
Ja, leider ist das so. Es hat einige Lobbyarbeit bedurft, bis es | |
arbeitsfähige Strukturen bei der Bundesanwaltschaft und beim | |
Bundeskriminalamt gab. Und dann haben Menschenrechtsorganisationen in | |
diesem Fall viele Beweise zunächst selbst gesammelt, um die | |
Bundesanwaltschaft von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens zu | |
überzeugen. Jetzt aber kann die Justiz in diesem Verfahren Erfahrungen | |
sammeln, die auch in Zukunft von großem Wert sein werden. | |
Braucht die Bundesanwaltschaft mehr Personal für die Verfolgung von | |
Kriegsverbrechen und Völkermord? | |
Nicht generell. Aber wenn es konkrete Fälle gibt, die aufwändige | |
Ermittlungen erfordern, dann muss das entsprechende Referat schnell mit | |
Personal aus anderen Bereichen aufgestockt werden - so wie man es bei | |
anderen Kriminalitätsformen auch handhabt. | |
Fälle gibt es doch genug. Menschenrechtsorganisationen haben zahlreiche | |
Strafanzeigen gestellt, die aber nicht zu Ermittlungen führten, etwa gegen | |
Ex-US-Verteidigungsminister Rumsfeld wegen seiner Verantwortung für | |
Guantanamo und den irakischen Folterknast Abu Ghraib... | |
Ich verstehe die Enttäuschung über die Nichtbearbeitung dieser Anzeigen. | |
Aber man darf auch keine übertriebenen Erwartungen haben. Manche | |
Strafanzeigen können, wenn sie zur Unzeit kommen, mehr Schaden anrichten | |
als sie nutzen. | |
Sie fanden diese Strafanzeigen also falsch. | |
Nein, in der Sache haben sie durchaus ihre Berechtigung. Zudem sind die | |
Begründungen der Bundesanwaltschaft, warum sie nicht ermittelt hat, oft an | |
den Haaren herbeigezogen. Aber man sollte ein wichtiges neues Gesetz | |
zunächst nicht mit Fällen belasten, die absehbar große politische | |
Verwicklungen mit sich bringen. Sonst ist das Gesetz im Nu wieder | |
entschärft, wie die Erfahrung in Belgien und Spanien gezeigt hat. | |
Sie sind also froh, dass das deutsche Völkerstrafgesetzbuch überhaupt noch | |
existiert? | |
Ja, ich glaube, man muss es ganz realistisch sagen: Es ist ein Erfolg, dass | |
das Völkerstrafgesetzbuch nach zehn Jahren unverändert besteht und nun | |
endlich angewandt wird - hoffentlich auch in weiteren Verfahren. | |
21 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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