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# taz.de -- Machtkampf in Chinas Führungsriege: Clan vor Gericht
> Am Donnerstag beginnt der Prozess gegen Gu Kailai, die Gattin des
> gestürzten Spitzenpolitikers Bo Xilai. Sie soll einen britischen
> Geschäftsmann vergiftet haben.
Bild: Vor Gericht: Gu Kailai, Frau des gestürzten Spitzenpolitiker Bo Xilai.
BERLIN taz | Gerichtsprozesse in China sorgen nur selten für
Überraschungen. Denn 98 Prozent der Angeklagten werden in der Volksrepublik
schuldig gesprochen. Auch im Mordprozess gegen Gu Kailai steht das Urteil
eigentlich fest und soll bereits nach zwei Prozesstagen gefällt werden.
Kailai ist die Ehefrau des im Frühjahr gestürzten Spitzenpolitikers Bo
Xilai – des ehemaligen Parteichefs der 30-Millionen-Metropole Chongqing.
Die amtliche Nachrichtenagentur Xinhua verkündete schon vor Tagen, dass die
Beweise gegen Gu „unwiderlegbar und umfangreich“ seien. Es gilt daher als
so gut wie ausgemacht, dass die 53-Jährige verurteilt wird.
Und doch dürfte dieser Prozess gegen die Ehefrau des einst schillernden
Spitzenpolitikers für Spannung sorgen: Denn das Strafmaß steht noch nicht
fest. Das aber wird Aufschluss darüber geben, wie mit ihrem Ehegatten Bo
und seinem politischen Vermächtnis verfahren wird.
An diesem Donnerstag beginnt in Hefei im Osten Chinas der Prozess gegen Gu
Kailai und ihren persönlichen Assistenten Zhang Xiaojun. Beiden wird
vorgeworfen, im November vergangenen Jahres den britischen Geschäftsmann
Neil Heywood – einst ein enger Freund der Bo-Familie – vergiftet zu haben.
Heywood war in seinem Hotelzimmer in der Stadt Chongqing tot aufgefunden
worden.
## Polizeichef sorgte für politischen Eklat
Zunächst waren die Behörden von einer Alkoholvergiftung ausgegangen und
ließen die Leiche unverzüglich im Krematorium einäschern. Doch im Februar
sorgte Wang Lijun, ehemaliger Polizeichef von Chongqing und einst enger
Vertrauter von Bo, für einen politischen und diplomatischen Eklat.
Vollkommen unerwartet suchte er Zuflucht im Konsulat der USA im
benachbarten Chengdu. Er sei auf der Flucht vor dem Bo-Clan und müsse um
sein Leben fürchten.
Damit löste Wang eine gleich zweifache Vertrauenskrise aus. Mit seiner
Bitte ausgerechnet bei den US-Amerikanern gestand er, dass er als
ehemaliger Spitzenbeamter den Justiz- und Sicherheitsbehörden nicht
vertraut. Zugleich brachte er eine Korruptionsaffäre ans Licht, die die
gesamte Führungsriege in Peking in Misskredit bringt.
Denn aus den Aussagen des ehemaligen Polizeichefs geht hervor, dass Heywood
über Jahre hinweg Vermögen der Familie Bo ins Ausland geschafft hat, was
wiederum offenbart: Chinas Spitzenpolitiker selbst misstrauen dem von ihnen
geführten Staat.
Was genau in den Stunden vor Heywoods Vergiftung vorgefallen war, ist
offiziell zwar nicht bestätigt, aber es wird davon ausgegangen, dass der
Brite Gu Kailai erpresst hat. Der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua
zufolge soll es zwischen Gu und Heywood einen „Interessenkonflikt“ gegeben
haben.
## Ungünstige Vorzeichen für die Angeklagte
Für den mutmaßlichen Mord muss sich Gu nun verantworten. Schon die
Ausgangslage beim Prozessauftakt ist für sie ungünstig. Die 53-Jährige, von
Beruf selbst Anwältin, durfte ihre Verteidigung nicht frei wählen. Ihr
werden zwei Pflichtverteidiger aus der Provinzstadt Hefei zur Seite
gestellt.
Und auch die Wahl des Prozessortes dürfte nicht in ihrem Sinne sein. Der
Familie Bo werden gute Kontakte zu der Justiz sowohl in Chongqing als auch
in Peking nachgesagt, nicht jedoch zu der in Hefei.
Ob die Gattin des einstigen Spitzenpolitikers tatsächlich die Höchststrafe
bekommen wird, also die Todesstrafe? Ein Zeichen will die Parteiführung um
Premierminister Wen Jiabao sicherlich setzen. Aber immerhin handelt es sich
um die Ehefrau des bis vor Kurzem noch profiliertesten Politikers, der
zudem nach wie vor zahlreiche Unterstützer innerhalb der Führung hat.
Was bei der Anklage zudem auffällt: Gu soll zwar wegen Mord angeklagt
werden, aber nicht wegen wirtschaftlicher Vergehen. Der Pekinger
Rechtsexperte Pu Zhiqiang sieht darin ein Zeichen dafür, dass zumindest ihr
Ehemann von der Affäre strafrechtlich verschont bleiben soll. Schließlich
geht es dabei um das Vermögen der gesamten Familie Bo und damit auch um Bo
Xilai selbst. Dennoch ist gegen den geschassten Politiker bislang keine
Anklage erhoben worden. Es soll allenfalls ein parteiinternes
Disziplinarverfahren geben.
## Bo hat viele hochrangige Unterstützer
Bo ist seitdem zwar von der politischen Bildfläche verschwunden, doch seine
Unterstützer sind es nicht. Zu ihnen gehört auch der für innere Sicherheit
zuständige Hardliner Zhou Yongkang, zugleich auch mächtiger Generalsekretär
des Komitees für Politik und Recht. Aber auch Chinas einstiges
Staatsoberhaupt Jiang Zemin hatte die allzu drastische Herabsetzung Bos im
Frühjahr scharf kritisiert.
Bo soll mit Zhou ein Komplott gegen den bereits als künftigen
Staatspräsidenten bestimmten Xi Jinping und den als Premier vorgesehenen Li
Keqiang geplant haben.
Bo sollte zum Führungswechsel Ende des Jahres zunächst einen Sitz im
Ständigen Ausschuss des Politbüros, dem eigentlichen Machtzentrum der
Zentralregierung, einnehmen. Mit einer zweijährigen Übergangszeit hatten
Zhou und Bo vor, selbst die Macht zu übernehmen. Bis dahin wollten sich die
Putschisten den Rückhalt unter anderem des Militärs sichern. Dieser Plan
ist mit dem Sturz von Bo nun vereitelt. Doch der Machtkampf ist noch nicht
entschieden.
9 Aug 2012
## AUTOREN
Felix Lee
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