| # taz.de -- 175.-176. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Zweifel an der Anklage | |
| > Das Gericht regt die Streichung von 7 der 18 Anklagepunkte an. Es | |
| > bezweifelt, dass die Beweislage die Führungsverantwortlichkeit des | |
| > FDLR-Präsidenten belegt. | |
| Bild: Die Angeklagten mit ihren Anwälten: rechts Murwanashyaka, links Musoni. | |
| STUTTGART/BERLIN taz | Im Kriegsverbrecherprozess gegen Ignace | |
| Murwanashyaka und Straton Musoni, Präsident und 1. Vizepräsident der im | |
| Kongo kämpfenden ruandischen Hutu-Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur | |
| Befreiung Ruandas), hat das Gericht angeregt, die Anklage zu reduzieren. Am | |
| 9. September, dem ersten Tag des Prozesses nach der Sommerpause, schlug der | |
| 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Stuttgart der Bundesanwaltschaft vor, | |
| sieben der 18 Anklagepunkte zu streichen. | |
| Es handelt sich vor allem eine Reihe von der FDLR zugeschriebenen | |
| Verbrechen, für die die einzigen Beweismittel offenbar Aussagen | |
| kongolesischer Opfer sind, sowie den Vorwurf, den FDLR-Einheiten habe | |
| regelmäßig Kinder unter 15 Jahren angehört. | |
| Die Bundesanwaltschaft hat sich noch nicht dazu geäußert, ob sie diesem | |
| Vorschlag des Senats folgt. | |
| Kongolesische Opferzeugen sagen im Stuttgarter Verfahren anonymisiert per | |
| Videolink aus; nicht einmal das Gericht kennt ihre Identität und ihren | |
| Aufenthaltsort. Dies hat die Verteidigung bereits in der Vergangenheit dazu | |
| veranlasst, diese Aussagen als komplett unbrauchbar zu bezeichnen. | |
| Im Juni hatte der Senat in seiner Antwort auf einen Antrag der Verteidigung | |
| auf Einstellung des Verfahrens - der im übrigen abgelehnt wurde - eine | |
| „Beeinträchtigung des Konfrontationsrechts“ der Zeugen bestätigt, nachdem | |
| mehrfach Zeuginnen ihre Befragung durch die Verteidigung auf eigenen Wunsch | |
| abgebrochen hatten. Es sei in mehreren Fällen davon auszugehen, dass ein | |
| Tatnachweis „zum jetzigen Zeitpunkt“ nicht zu führen sei, so der Senat | |
| damals. | |
| ## Nur „Versuch“ von Befehlsgewalt? | |
| Weiterhin sind im Senat nach über zwei Jahren Verhandlung offenbar Zweifel | |
| daran aufgekommen, dass Murwanashyaka, wie es die Anklage fordert, gemäß §4 | |
| des Völkerstrafgesetzbuches als „militärischer Befehlshaber“ zu verurteil… | |
| ist - also als jemand, der „in einer Truppe tatsächliche Befehls- opder | |
| Führungsgewalt und Kontrolle ausübt“, wie es im Gesetzestext heißt. | |
| Möglicherweise sei sein Handeln nur als Versuch von Befehlsgewalt zu | |
| werten, so der Senat in einem rechtlichen Hinweis am Ende des 175. | |
| Verhandlungstages. | |
| Vizepräsident Musoni, so der Senat weiter, könne möglicherweise gar nicht | |
| nach dem Völkerstrafgesetzbuch verurteilt werden, sondern lediglich wegen | |
| Mitgliedschaft und Rädelsführerschaft in einer terroristischen Vereinigung. | |
| Musoni hatte in seiner ersten Erklärung vor Gericht am 5. Juli jegliche | |
| Detailkenntnis der FDLR-Aktivitäten von sich gewiesen und auch behauptet, | |
| der militärische FDLR-Flügel FOCA sei eine „souveräne“ Organisation, die | |
| nicht von der FDLR gesteuert werde. | |
| Die Frage des Verhältnisses zwischen dem politischen und dem militärischen | |
| Flügel der FDLR sowie insbesondere zwischen FDLR-Präsident Murwanashyaka | |
| und FOCA-Kommandeur Sylvestre Mudacumura, dem wichtigen FDLR-Militärführer | |
| vor Ort im Kongo, ist auch immer wieder in Zeugenbefragungen behandelt | |
| worden und ist nicht abschließend geklärt. | |
| ## Opferzeugenbefragung vertagt | |
| Die rechtlichen Hinweise des Senats bedeuten keine endgültige Festlegung | |
| der Richter hinsichtlich ihres späteren Urteils. Sie sind einfach eine | |
| Zwischenbewertung der derzeitigen Beweislage. Die Beweisaufnahme dauert an. | |
| Die Befragung von Opferzeugen hätte eigentlich diese Woche zu Beginn der | |
| Wiederaufnahme des Verfahrens nach der Sommerpause fortgesetzt werden | |
| sollen. Angesichts der kriegerischen Auseinandersetzungen im Ostkongo in | |
| den vergangenen Wochen wurde dies jedoch verschoben. Stattdessen setzte der | |
| Senat die Befragung von Vizepräsident Musoni sowie die Auswertung von | |
| Telekommunikationsüberwachung fort. Ein Bericht hierüber folgt. | |
| Mitarbeit: Bianca Schmolze | |
| 11 Sep 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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