# taz.de -- 27./28. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Die gescheiterte Vermitt… | |
> FDLR-Präsident Murwanashyaka zeigte kein Interesse an einem Ende des | |
> militärischen Kampfes der ruandischen Miliz. Das sagt ein Unterhändler | |
> aus. | |
Bild: Drei FDLR-Soldaten, die sich in der Nord-Kivu-Provinz ergeben haben (Arch… | |
STUTTGART taz | Jahrelange Versuche, zwischen der Regierung der | |
Demokratischen Republik Kongo und der im Kongo kämpfenden ruandischen Miliz | |
FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) zu vermitteln, waren am | |
21. und 26. September Thema einer ausführlichen Zeugenbefragung beim | |
Stuttgarter Prozess gegen die FDLR-Führer Ignace Murwanashyaka und Straton | |
Musoni, die sich über zwei Tage hinzog. | |
Karel Lode, kirchlicher Unterhändler aus Norwegen, schilderte vor Gericht | |
seine Kontakte zu FDLR-Führungsmitgliedern und Einzelheiten mehrerer | |
gescheiterter Versuche, FDLR-Kämpfer aus dem Ostkongo entweder zur | |
Demobilisierung und Repatriierung nach Ruanda zu bewegen oder zur | |
Verlagerung in andere Landesteile des Kongo und damit weg von der Grenze zu | |
Ruanda, dessen Regierung die FDLR stürzen will. Dies hätte dazu beitragen | |
können, die Miliz in eine lediglich politische Vertretung ruandischer | |
Hutu-Flüchtlinge im Kongo umzuwandeln. | |
Doch obwohl FDLR-Führungsmitglieder einsichtig gewesen wären, dass ein | |
militärischer Sieg gegen Ruandas Regierung unmöglich sei und man | |
stattdessen auf politischen Wandel setzen solle, seien diese Versuche | |
erfolglos geblieben. FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka habe kein | |
Interesse an einer friedlichen Lösung gezeigt, und zwar als einziger aus | |
der FDLR-Führungsriege. | |
Noch im Mai 2008 hatte die FDLR-Abspaltung RUD (Sammlung für Einheit und | |
Demokratie) auf einem Treffen mit Kongos Regierung und internationalen | |
Diplomaten und Vermittlern eine Demobilisierung zugesagt. Es war eine Zeit, | |
in der ein gewisser Optimismus im Ostkongo herrschte: Im Januar 2008 hatte | |
eine Friedenskonferenz für die Kivu-Provinzen in Goma einen politischen | |
Prozess zwischen den lokalen ostkongolesischen Kriegsparteien in Gang | |
gesetzt. | |
## Freiwillige Demobilisierung | |
Diese Dynamik sollte unter anderem die ruandischen Milizen isolieren und | |
zur Demobilisierung ermutigen. Darauf arbeiteten kongolesische Regierungs- | |
und Kirchenvertreter hin, beispielsweise Bischof Kuye von der | |
protestantischen Kirche in Bukavu. Es gab ein Treffen mit der | |
FDLR-Abspaltung RUD in Rom am 9. Mai 2008 und ein weiteres in Kisangani am | |
26. Mai. Auf letzterem wurde im Beisein internationaler Diplomaten ein | |
Zeitplan zur freiwilligen Demobilisierung verabschiedet. | |
Die FDLR hatte sich damals nicht an diesem Prozess beteiligt, aus dem | |
schließlich sowieso nichts wurde, und lehnte ihn ausdrücklich ab. Im | |
Januar-Februar 2009 rückte Ruandas Armee im Ostkongo ein, um gemeinsam mit | |
Kongos Armee die FDLR zu bekämpfen. Die Hutu-Miliz wurde zunächst | |
empfindlich geschwächt. | |
Während sie mit Angriffen gegen die ostkongolesische Zivilbevölkerung | |
antwortete, wofür Murwanashyaka und Musoni jetzt in Stuttgart vor Gericht | |
stehen, starteten die kirchlichen Unterhändler einen erneuten Versuch, die | |
Miliz in einen politischen Prozess einzubinden. | |
## Ein Treffen abgelehnt | |
Für März 2009 wurde ein Treffen in Paris geplant, eingefädelt vom | |
kongolesischen Bischof Kuye. Aus diesem Treffen sei nichts geworden, weil, | |
so Lode, Ignace Murwanashyaka das ablehnte. Der FDLR-Präsident wollte nicht | |
über die protestantische ECC-Kirche im Kongo und in Norwegen verhandeln, | |
sondern allein über die katholische Gemeinde Sant'Egidio in Italien - die | |
bereits 2005 ein erstes Treffen zwischen der FDLR und Kongos Regierung | |
organisiert hatte. | |
In mehreren schriftlichen Notizen habe die FDLR-Führung jetzt erklärt, nur | |
Sant'Egidio würde als Vermittler akzeptiert. ECC, so Lode, arbeite viel | |
intensiver auf Gemeindeebene, während Sant'Egidio sich auf die oberste | |
Führungsebene beschränkt, was für letztere natürlich attraktiver ist. | |
Organisator des Pariser Treffens war der ruandische Politiker Hyacinthe | |
Nsengiyumva, alias Rafiki. Er war während des Völkermords in Ruanda 1994 | |
Minister für öffentliche Arbeiten und danach im Exil FDLR-Mitgründer. | |
Später überwarf er sich mit der FDLR-Führung und gründete die als | |
gemäßigter geltende Abspaltung RUD. Rafiki habe eine Strategie gesucht für | |
beide Organisationen, um den bewaffneten Kampf zu beenden, so Karel Lode. | |
## In Frankreich verhaftet | |
Rafiki war auch eine treibende Kraft hinter der Kisangani-Konferenz vom Mai | |
2008 sowie bei weiteren Treffen in Europa. Er ist seit August 2011 in | |
Frankreich unter Verdacht der Teilnahme am Völkermord in Ruanda in Haft, | |
womit er als Vermittler ausfällt. | |
Es gab im Laufe des Jahres 2009 und auch danach weitere Versuche, mit der | |
FDLR ins Gespräch zu kommen. Bei all diesen Treffen war Murwanashyaka nie | |
dabei, und es wurde aus ihnen auch nichts. Ein Grund für die Zurückhaltung | |
der FDLR war und ist das Misstrauen der ruandischen Miliz gegenüber der | |
UNO, auf deren Transporthubschrauber Milizenführer und Unterhändler | |
angewiesen sind, um sich im Ostkongo treffen zu können. | |
Aus FDLR-Sicht, so Lode, sei die Demobilisierungsabteilung der UN-Mission | |
im Kongo einseitig parteiisch zugunsten der Regierung Ruandas. Die FDLR | |
"trauen der internationalen Gemeinschaft als neutraler Zeuge und Beobachter | |
nicht", so Lode. Andererseits will er gehört haben, dass die FDLR unter | |
anderem Waffen von der UNO bekomme, mit Hubschraubern geliefert. | |
## Kindersoldaten | |
Ein zentrales Thema für Lode und insgesamt für die internationalen | |
Bemühungen im Ostkongo war und ist das Schicksal der Kindersoldaten der | |
FDLR und anderer bewaffneter Gruppen. Lode hat nach eigenen Angaben über | |
die Jahre hinweg Hunderte von Kindersoldaten interviewt. Kindersoldaten | |
gäbe es vor allem bei den kongolesischen Mai-Mai-Milizen, bei Kongos Armee | |
FARDC und bei den FDLR, bei letzteren aber nicht so dominant. | |
Mädchen würden als Kindersoldaten und auch als Sexsklaven missbraucht, | |
wobei sie oft nicht nur einem Mann zu Diensten stehen. "Dies gehört zu den | |
schlimmsten Sachen, die ich je erlebt habe", so Lode. | |
Mädchen würden Opfer systematischer sexualisierter Gewalt, wobei | |
Vergewaltigung da noch die "leichte Version" sei. Er habe bisher kein | |
Mädchen im Kongo getroffen, welches nicht Opfer sexualisierter Gewalt | |
geworden sei. Zwar gehe es allen Gruppen auch um den Schutz der | |
Zivilbevölkerung - zumindest Teile davon - doch seien alle Gruppen | |
gewalttätig. | |
Die Frage, ob ihm konkrete Fälle von Minderjährigen unter 15 Jahren in der | |
FDLR bekannt seien, konnte Lode nicht beantworten, da er Kindersoldaten als | |
Kämpfer unter 18 definiert. "Als ich mit ihnen sprach, gab es einige, die | |
waren weit unter 18", sagte er. Nach seinen Erkenntnissen meldeten sich 90 | |
Prozent der Jungs und 70 Prozent der Mädchen freiwillig. Warum? "Kämpfen | |
für ein Ziel, und manche aus finanziellen Gründen". | |
(Redaktion: Dominic Johnson) | |
28 Sep 2011 | |
## AUTOREN | |
Bianca Schmolze | |
Simone Schlindwein | |
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