# taz.de -- 31. Tag Kongo-Kriegsverbrecherprozess: Ein Satellitentelefon aus Be… | |
> Ein Exilruander aus Belgien berichtet über seine Kontakte zum angeklagten | |
> FDLR-Präsidenten Ignace Murwanashyaka. Und welche Hilfe dieser aus | |
> Belgien und Kongo erhielt. | |
Bild: FDLR-Kämpfer im kongolesischen Busch | |
STUTTGART taz | Im Kriegsverbrecherprozess gegen Ignace Murwanashyaka und | |
Straton Musoni, Präsident und 1. Vizepräsident der im Kongo kämpfenden | |
ruandischen Miliz FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), hat | |
sich die Verteidigung etwas Neues einfallen lassen: Ruandische Zeugen | |
sollen nicht mehr in ihrer Muttersprache Kinyarwanda befragt werden. Wie | |
die Rechtsanwälte zum Abschluss des Verhandlungstages 12. Oktober | |
forderten, sollen alle zukünftigen Befragungen ruandischer Zeugen auf | |
Französisch stattfinden. | |
Damit soll die Hinzuziehung eines ruandischsprachigen Dolmetschers, wie | |
bisher bei solchen Befragungen, überflüssig gemacht werden: Mit einem | |
Übersetzer aus Ruanda sei die Wahrheitsfindung unmöglich wegen des Risikos | |
der Informationsweitergabe an die ruandischen Behörden, heißt es. | |
Die Vernehmung des aus Ruanda stammenden Zeugen B. aus Belgien am 12. | |
Oktober fand bereits auf Französisch statt. B. ist seiner eigenen | |
Schilderung zufolge einer der vielen Hunderttausend ruandischer | |
Hutu-Flüchtlinge, die nach dem Völkermord an Ruandas Tutsi 1994 aus Ruanda | |
nach Zaire (Kongo) geflohen und dann 1996, als Ruandas Armee im Kongo | |
einmarschierte, quer durch das Land nach Westen gezogen waren, bis er nach | |
sieben Monaten Kongo-Brazzaville erreichte – also genau jene | |
Flüchtlingsbevölkerung, aus der sich später die FDLR rekrutierte. | |
B. zog zwar später nach Belgien, aber sein Schicksal ist ein interessanter | |
Einzelfall für die Art von Kontakten, die Exilruander mit der Exilführung | |
der FDLR hatten.nB. traf Murwanashyaka nach eigenen Angaben bereits Ende | |
1994 oder Anfang 1995 in den ruandischen Hutu-Flüchtlingslagern im Kongo, | |
wo Murwanashyaka Kleidung für Flüchtlinge verteilt habe – in einem der | |
Lager lebte auch Murwanashyakas Bruder. | |
Die beiden hielten später in Europa Kontakt, trafen sich in der Regel | |
mehrmals pro Jahr. Über Politik habe man allerdings nie geredet. Auffällig | |
sei vielmehr, dass Murwanashyaka sehr religiös geworden sei, morgens, | |
mittags und abends bete, was B. „bizarr“ fand. Und Murwanashyakas deutsche | |
Lebensgefährtin habe sich geärgert, dass ihr Ehemann trotz seines Studiums | |
arbeitslos sei und viel zu beschäftigt mit seinen politischen Aktivitäten. | |
Als Beispiel schilderte B. einen Besuch beim dem Paar Murwanashyaka in | |
Deutschland. Weil an diesem Tag der BBC-Rundfunk Murwanashyaka um ein | |
Interview zur Lage in Bukavu (Ostkongo) gebeten hatte, hängte der | |
FDLR-Präsident sich ans Telefon, um sich zu informieren; ein geplanter | |
gemeinsamer Stadtspaziergang in Worms fand schließlich ohne Murwanashyaka | |
statt. Das Paar ist inzwischen getrennt. Murwanashyaka bete seit der | |
Trennung noch mehr als vorher, merkte B. an. | |
## Belgischer FDLR-Polizist | |
Bei vielen Details dieser Vernehmung tauchten Widersprüche zwischen der | |
ursprünglichen polizeilichen Vernehmung des Zeugen B. in Belgien und der | |
Befragung im OLG Stuttgart auf. So zum Beispiel bei dem brisanten Detail, | |
ein ehemaliges FDLR-Mitglied namens Joseph Ngirabanzi habe bei der | |
belgischen Polizei gearbeitet und Murwanashyaka im Jahr 2006 ein | |
Satellitentelefon in einem Koffer gegeben. | |
B. relativierte jetzt diese in seinem belgischen Vernehmungsprotokoll | |
enthaltene Aussage: Er habe weder ein Satellitentelefon gesehen noch wisse | |
er, ob der Polizist Murwanashyaka wirklich etwas gegeben habe. Er erinnere | |
sich aber an einen belgischen Polizisten, der am Bahnhof Murwanashyaka | |
getroffen habe, einen Koffer dabeigehabt habe und gesagt habe: „Da drin ist | |
das Telefon“. B. weiter: „Ich habe den Koffer gesehen und ihm geglaubt“. | |
B. sagte, er habe nicht genug Zeit gehabt, das belgische Polizeiprotokoll | |
durchzusehen und vor der Unterzeichnung zu korrigieren, da die anwesenden | |
deutschen Ermittler schnell hätten abreisen wollen. Die Verteidigung hat | |
daher Widerspruch gegen die Verwendung von B's Aussage eingelegt. | |
## Die Flucht des Sprechers | |
Ungeklärt bleibt damit möglicherweise auch der interessanteste Aspekt der | |
Rolle des Zeugen B: sein Schwager ist nämlich Michel Habimana, alias Edmund | |
Ngarambe, Sprecher des militärischen FDLR-Flügels FOCA und während der | |
gemeinsamen kongolesisch-ruandischen Militäroperation „Umoja Wetu“ gegen | |
die FDLR im Ostkongo Anfang 2009 verhaftet. Oberstleutnant Habimana stellte | |
sich am 13. Februar 2009 zusammen mit anderen hohen FDLR-Militärs | |
freiwillig der ruandischen Armee und rief danach in Ruanda die FDLR zum | |
Ende ihres bewaffneten Kampfes aus. | |
Berichten zufolge war Habimana an der Ermordung der ruandischen | |
Premierministerin Agathe Uwilingiyimana zu Beginn des Völkermordes 1994 | |
beteiligt, diente später in einer Spezialeinheit des kongolesischen | |
Präsidenten Kabila und ist selbst auch mit Murwanashyaka verschwägertt: | |
siene Schwester, mittlerweile verstorben, war mit Murwanshyakas Bruder | |
verheiratet. Im November 2008 war Habimana in Abwesenheit von einem | |
ruandischen Gacaca-Gericht in Abwesenheit wegen Teilnahme am Völkermord zu | |
lebenslanger Haft verurteilt worden. Er soll mittlerweile im Gefängnis in | |
Ruanda sitzen. | |
Laut belgischem Polizeiprotokoll sagte B. ursprünglich aus, Murwanashyaka | |
habe ihm gesagt, Habimana habe sich freiwillig und ohne FDLR-Genehmigung | |
der RPF (Ruandische Patriotische Front) angeschlossen, der ruandischen | |
Regierungspartei von Präsident Paul Kagame in Ruanda. Habimana habe als | |
FOCA-Sprecher zurücktreten wollen, dies sei aber abgelehnt worden. In | |
Stuttgart sagte B. nun, im belgischen Protokoll stehe vieles nicht, was er | |
gesagt habe, dafür seien andere Dinge hinzugefügt worden. Murwanashyaka | |
habe gesagt, er wisse von nichts. | |
## Kabilas Schuld bei der FDLR | |
B. bestätigte auch, dass die FDLR und Kongos Regierung während der | |
Kongokriege ganz offiziell zusammenarbeiteten. Nach den von der | |
Kirchengemeinde Sant'Egidio vermittelten Rom-Verhandlungen zwischen der | |
FDLR und Kongos Regierung, die im Frühjahr 2005 zu einem bedingten | |
FDLR-Angebot der Einstellung des bewaffneten Kampfes führten – aus dem | |
schließlich nichts wurde – sei Habimana bei B. in Brüssel gewesen, als Teil | |
einer FDLR-Delegation. | |
Bei diesem Besuch sei unter anderem eine vertragliche Vereinbarung zwischen | |
der FDLR und Kongos Regierung aus der FDLR-Gründungszeit (2000) | |
angesprochen worden, wonach die Regierung Kabila der FDLR Sold für ihre | |
Militärs zu zahlen habe. | |
Damals war die ruandische Miliz Teil der Kabila-Streitkräfte zum Kampf | |
gegen Ruanda und ostkongolesische Rebellen. Die Verträge seien noch gültig, | |
hieß es bei diesem Besuch im Jahre 2005. Kongos Regierung habe das | |
anerkannt. | |
Redaktion: Dominic Johnson | |
18 Oct 2011 | |
## AUTOREN | |
Bianca Schmolze | |
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