# taz.de -- Aufarbeitung US-Spähaffäre: Frohe Botschaft in Berlin | |
> Die US-Vertretung öffnet ihre Pforten für Journalisten. Sie könnten | |
> fragen, was sie wollten, sagt der Botschafter – nur antworten könne er | |
> nicht auf alles. | |
Bild: Freundlich, offen und doch verschlossen: die US-Botschaft in Berlin. | |
BERLIN taz | Da lacht der Hausherr höflich. Gerade hat ein Journalist ihn | |
gefragt, ob denn die deutschen Behörden vielleicht doch mal einen Blick in | |
den obersten Stock der amerikanischen Botschaft werfen dürften. Die | |
Antwort, sagt US-Botschafter John Emerson knapp, sie laute: „Nein.“ Dann | |
schiebt er halb amüsiert, halb kumpelhaft hinterher: „Aber: Netter | |
Versuch!“ | |
Acht Tage ist es her, dass eine Nachricht um die Welt ging: Der | |
US-Geheimdienst soll jahrelang das Handy der Bundeskanzlerin abgeschöpft | |
haben – und im Dachgeschoss der amerikanischen Botschaft im Zentrum des | |
Berliner Regierungsviertels soll sich eine Abhörstation befinden. Nun hat | |
der Botschafter in ebenjenes Gebäude zum persönlichen Gespräch gebeten. Im | |
Erdgeschoss empfängt seine Exzellenz eine Runde von Reportern. | |
Emerson hat eine kurze Ansprache vorbereitet. Beruhigende Worte für die | |
aufgewühlten Germans. Washington nehme die Vorwürfe wirklich „sehr ernst“, | |
versichert er. Bis zum Jahresende wolle US-Präsident Barack Obama die | |
Geheimdienstarbeit auf den Prüfstand stellen. Womöglich, sagt Emerson, habe | |
die Kontrolle nicht ganz mithalten können mit dem technischen Fortschritt | |
im zurückliegenden Jahrzehnt. Damit wiederholt er fast wortgleich, was sein | |
oberster Chef Obama bereits vorgetragen hat. | |
Zu einer Entschuldigung ist der Diplomat an diesem Vormittag nicht bereit, | |
Emerson hat eine andere Botschaft mitgebracht: Natürlich seien Deutschland | |
und die USA „Partner und Freunde“. Er spricht über die vielen Amerikaner | |
mit deutschen Vorfahren, über die Sicherheits- und Wirtschaftsbeziehungen. | |
## Bei den Fakten hakt es | |
Schließlich serviert der Botschafter noch ein ganz exquisites Häppchen | |
diplomatischer Küchenpsychologie: „Freunde können einander enttäuschen von | |
Zeit zu Zeit. Aber in einer echten Freundschaft arbeitet man dann hart. Man | |
sieht sich die Fakten an, man kämpft sich durch und man geht weiter.“ | |
Emerson klingt jetzt pathetisch. „Hinterher kann man stärker sein als | |
zuvor.“ Er jedenfalls sei zuversichtlich, dass dies so kommen werde. | |
Nein, an Freundlichkeiten fehlt es nicht an diesem sonnigen Herbsttag auf | |
dem Gelände der US-Botschaft. Nur bei den Fakten hakt es noch. Ob Merkel | |
tatsächlich aus diesem Haus heraus ausspioniert worden sei? Dazu könne er | |
leider nichts sagen, entschuldigt der Diplomat und ergänzt jovial: Die | |
Journalisten seien herzlich eingeladen zu fragen, was sie fragen wollten. | |
Er könne die Vorwürfe nur leider nicht kommentieren. Ebenso wenig wie die | |
„Struktur dieses Gebäudes“. Bislang habe es jedenfalls noch keine Anfragen | |
deutscher Ermittler gegeben. | |
Ein Journalist hält Emerson ein Papier mit knallbunten Wärmebildfotos | |
entgegen, die angeblich zeigen, wo ein paar Etagen höher die Abhörtechnik | |
untergebracht ist. Er wisse nicht, wie man diese Fotos auf Englisch nenne, | |
entschuldigt der Reporter. „Kunst!“, ruft der Botschafter vergnügt – der | |
frühere Wirtschaftsanwalt nimmt die brisante Angelegenheit mit Humor. | |
Dabei sind gerade erst neue Ungeheuerlichkeiten aus dem Datenschatz des | |
Whistleblowers Edward Snowdens ans Licht gekommen: Im Rahmen des | |
Spähprogramms „Muscular“ soll der US-Geheimdienst NSA massenhaft Daten bei | |
den Internetgiganten Google und Yahoo abgreifen – ohne deren Einwilligung | |
oder Wissen, [1][meldet die Washington Post]. | |
## Google ist empört | |
Die NSA klinke sich in Leitungen zwischen Rechenzentren ein, vermutlich | |
außerhalb der USA. Alle möglichen Informationen von Hunderten Millionen | |
Menschen könnten betroffen sein. Der Chefjustiziar von Google zeigte sich | |
„aufgebracht“ darüber, „wie weit die Regierung anscheinend gegangen ist,… | |
Daten aus unseren privaten Glasfasernetzen abzugreifen“. Yahoo versicherte, | |
den Behörden keinen Zugriff auf seine Rechenzentren gewährt zu haben. | |
Zugleich meldet die Washington Post unter Berufung auf US-Beamte, der | |
deutsche Auslandsgeheimdienst BND habe 2008 die Kommunikation von | |
mindestens 300 US-Einwohnern ins Visier genommen. „Aus der deutschen | |
Botschaft in Washington wird keine Fernmeldeaufklärung durchgeführt“, | |
versicherte BND-Chef Gerhard Schindler der Zeit. Der Vorwurf ist damit noch | |
nicht dementiert. | |
Doch der US-Botschafter lässt dies unkommentiert. Stattdessen lobt er die | |
bewährte Zusammenarbeit der Geheimdienste beider Länder. Anschläge und | |
Cyberattacken seien verhindert worden – die Fortsetzung dieser Kooperation | |
sei im Interesse aller Bürger. Für seine Handykommunikation habe er ein | |
Blackberry und ein iPhone, verrät Emerson dann noch. Allerdings nutze er | |
beide nicht im Büro. | |
31 Oct 2013 | |
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[1] http://www.washingtonpost.com/world/national-security/nsa-infiltrates-links… | |
## AUTOREN | |
Astrid Geisler | |
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