# taz.de -- Schlagloch Geheimdienste: Deep Throat Down | |
> Wenn Drohnen drohen, hilft nur noch Weißbier. Vor allem muss es | |
> regelmäßig getrunken werden. Eine geheime Aufzeichnung. | |
Bild: Das Risiko eines Drohnenangriffs ist nie ganz auszuschließen. | |
So, Herr Kainer. Jetzt hören die Amis schon unsere Kanzlerin ab.“ | |
„Das müssen die doch. Das ist Demokratie, Herr Reiner! Wie hätte das denn | |
ausgeschaut, wenn die das ganze deutsche Volk ausspionieren, bloß die | |
Kanzlerin nicht. Und der Terror lauert überall, grad da, wo man ihn am | |
wenigsten vermutet.“ | |
„Jetzt regt sie sich aber auf. Weil sie ist halt was Besonderes, die | |
Kanzlerin. Die kauft nicht bei Amazon.“ | |
„Aber neulich hat sie im Neuland gegoogelt. Das war ganz schön mutig.“ | |
„Und sie simst. Da schreibt sie vielleicht Skihasl, und der | |
Überwachungscomputer liest Dschihad, oder sie macht eine Rombe, und die | |
Amis verstehen nur Bombe.“ | |
„Jetzt gehen Sie aber! Die Angela Merkel ist doch nicht verdächtig.“ | |
„Einen Verdächtigen erkennen kann jeder Streifenpolizist. Beim Geheimdienst | |
kommt es darauf an, die Unverdächtigen im Auge zu behalten.“ | |
„Also, dann ist Angela Merkel unverdächtig?“ | |
„Für einen Geheimdienst ist jeder verdächtig. Nicht bloß, weil er was tun | |
könnte. Sondern weil er was wissen könnte. Das Schlimmste ist, wenn die | |
Leute gar nicht wissen, dass sie etwas wissen. Darum muss sich dann der | |
Geheimdienst kümmern, dass die wenigstens sagen, was sie nicht wissen.“ | |
## Der Streifenpolizist | |
„Bloß natürlich die Verdächtigen nicht. Weil, um die kümmert sich ja der | |
Streifenpolizist.“ | |
„Der Streifenpolizist weiß aber gar nicht, dass sich der Geheimdienst nicht | |
um die Verdächtigen kümmert. Andererseits weiß er, dass so ein Verdächtiger | |
richtig bös werden kann. Also kümmert er sich lieber um was anderes. | |
Parkplatz oder so.“ | |
„Genau. Aber der Terrorist ist nicht dumm. Der parkt vor dem | |
Geheimdienstgebäude. Weil er denkt: Wo werden die am wenigsten denken, wo | |
ich bin? Jeder Dritte bei der NSA, vom Putzmann bis zur Programmiererin, | |
ist ein terroristischer Gegenspion.“ | |
„Wenn also die Amis die Angela Merkel ausspionieren, dann erfährt als | |
erstes al-Qaida, dass sie später zum Essen kommt, weil sie noch einen | |
Botschafter trifft oder Internet lernt?“ | |
„Ja. Und der Chinese. Der amerikanische Geheimdienst ist so voller Agenten | |
von der anderen Seite, Terroristen und Russen und Chinesen und | |
Whistle-Blower und Komparatisten, dass kaum noch Platz ist für die echten | |
amerikanischen Geheimdienstler.“ | |
„Und wir? Haben wir da gar keinen, wie sagt man, Zugriff? Ich wär | |
enttäuscht, wenn unser Geheimdienst keinen Agenten im amerikanischen | |
Geheimdienst hätte. Aber wir haben bestimmt welche. Wir wissen schon | |
vorher, was die Amis von uns wissen, bevor die Amis wissen, was Angela | |
Merkel am Telefon gesagt hat.“ | |
„Ja, aber wir sagen es nicht.“ | |
„Der Chinese sagt auch nichts.“ | |
## Obamas Geburtstag | |
„Aber das Vertrauen in die Amerikaner ist zerstört. Heißt es. Weil nämlich | |
alles herausgekommen ist. Frage ich Sie: Was ist denn das für ein | |
Geheimdienst, wo alles herauskommt?“ | |
„Schauen Sie, die Amis haben die größten Computer. Und da müssen die das | |
alles speichern. Das quillt denen schon zu allen Festplatten raus. Da | |
liegen die Abhörprotokolle nur so in den digitalen Papierkörben herum, da | |
hat keiner einen Überblick. Also: Die Einzigen auf der Welt, die nicht | |
wissen, was sie da abgehört haben, das sind die amerikanischen | |
Geheimdienstler. Und dann kommt eine Putzfrau und fischt ein geheimes | |
Gespräch von Merkel heraus und ruft ihren alten Freund Snowden an und sagt | |
ihm …“ | |
„Verschlüsselt natürlich.“ | |
„Logisch. Und fertig ist der Skandal. Aber der Geheimdienst weiß, dass er | |
das nicht übertreiben darf, weil sonst lassen wir ein paar Agenten von den | |
anderen auffliegen, und plötzlich merken wir, dass der BND die Gästeliste | |
von Obamas Geburtstag hat. Aber beim BND sind natürlich auch amerikanische | |
Geheimagenten.“ | |
„Wenn am Ende Angela Merkel von ihrem Geheimdienst erfährt, was sie am | |
Telefon gesagt hat und dass es vielleicht die Chinesen und al-Qaida auch | |
wissen, dann können wir uns um unsere Autos kümmern. Gefährlich ist das | |
doch nicht“. | |
„Nein, nein.“ | |
## Wieder die Chinesen | |
„Das Problem ist ja, dass ein Geheimdienst herausfinden muss, wenn einer | |
sich nicht normal verhält. Wie macht man das? Man findet erst mal raus, was | |
normal ist. Weil im Fernsehen kriegt man das nicht mehr gezeigt. Also, wenn | |
der amerikanische Geheimdienst uns beobachten täte, dann würde er | |
herausfinden, dass wir uns am Freitag und am Mittwoch hier auf ein Weißbier | |
treffen. Oder zwei. Normalerweise.Und sagen wir mal, Sie kommen nicht auf | |
unser Weissbier an einem Freitag oder einem Mittwoch. Da sagt sich der | |
amerikanische Geheimdienst: Oha! Das ist nicht normal. Da müssen wir eine | |
Drohne schicken.“ | |
„Da können Sie sehen, wie wichtig das ist, dass wir regelmäßig unser | |
Weißbier trinken, weil natürlich auch genau registriert wird, wie sich der | |
Weißbierabsatz im alten Europa entwickelt, zum Beispiel, wenn diese Woche | |
so und so viel Glas Weißbier mehr getrunken werden. Da werden sie | |
hellhörig, die Amis.“ | |
„Oder die Chinesen.“ | |
„Könnte ja sein, dass sich da Terroristen einen Mut ansaufen wollen. Oder | |
aber es gibt Bewegungen auf dem Weißbiermarkt, dass der Dow-Jones nur so | |
wackelt. Und da kurbeln die ihre Weißbierproduktion an. Erst die Amis. Dann | |
die Chinesen. Und schon haben sie wieder einen Vorteil. America first! | |
Verstehen Sie?“ | |
„Freilich. Das ist wie mit den Autos. Da sagt die Kanzlerin zu ihrem Vize | |
über ihr Handy, du, wir müssen schnell in Europa so eine Abgasnorm | |
verhindern, wegen der Autoindustrie und den Parteispenden. Gewählt sind wir | |
ja eh. Und der Obama, der kann sich sagen: Schau an, die Merkel, die will | |
die Abgasnormen in Europa verhindern. Das sag ich gleich Chrysler und Ford | |
und Esso, und da haben wir wieder einen Standortvorteil.“ | |
„Ja, und wir schauen blöd. Da können unsere Autos die Luft verpesten, wie | |
sie wollen, wenn der amerikanische Geheimdienst das schon vorher weiß. | |
Nächstens machen wir eine Wende der Energiewende, oder wir schaffen die | |
Kirchensteuer ab, und der amerikanische Geheimdienst weiß es immer schon. | |
Und deswegen machen wir mit dem Freihandelsabkommen weiter, wie wenn nichts | |
wär.“ | |
„Es ist ja auch nichts.“ | |
30 Oct 2013 | |
## AUTOREN | |
Georg Seeßlen | |
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