# taz.de -- Neue Rechte für Frontex: Kehrt um, zurück nach Afrika | |
> Europas Grenzschützer sollen Flüchtlinge künftig auf dem Meer stoppen und | |
> zurückschieben können. Das sieht ein Reformvorschlag der EU-Kommission | |
> vor. | |
Bild: Italienische Küstenwächter stoppen ein Flüchtlingsboot im Mittelmeer. | |
BERLIN taz | Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll in Zukunft auf dem Meer | |
aufgegriffene oder aus Seenot gerettete Flüchtlinge direkt in Länder | |
außerhalb Europas zurückschieben dürfen – ohne dass sie vorher einen | |
Asylantrag stellen können. Auch das Stoppen, Durchsuchen und Abdrängen von | |
Booten mit Papierlosen auf Hoher See, also außerhalb der europäischen | |
Hoheitsgewässer, soll den Grenzschützern künftig ausdrücklich erlaubt sein. | |
Die neuen Befugnisse sind Teil eines Reformvorschlags der EU-Kommission zur | |
Neuregelung von Frontex-Operationen an den Seeaußengrenzen. Das Papier wird | |
derzeit vom Europäischen Parlament beraten, die Regelung soll noch in | |
diesem Jahr beschlossen werden. | |
Die Genfer Flüchtlingskonvention verbietet die völkerrechtlich | |
„Refoulement“ genannten Zurückweisungen. Diesem Verbot will die Kommission | |
dadurch Rechnung tragen, dass die „Bedürfnisse schutzbedürftiger Personen | |
besonders berücksichtigt“ werden – was das heißen soll, bleibt jedoch | |
weitgehend offen. | |
Die Rede ist lediglich davon, die Grenzbeamten „in | |
Flüchtlingsrechtsbestimmungen zu schulen“, sie sollen die Flüchtlinge „in | |
geeigneter Weise“ über die Zurückschiebung aufklären und ihnen eine | |
Möglichkeit zum Widerspruch geben. Über die Widersprüche wird an Ort und | |
Stelle entschieden – Rechtsschutz gibt es nicht. Die Zurückweisung soll | |
ausgeschlossen sein, wenn im Zielland „Todesstrafe, Folter oder | |
unmenschliche Behandlung“ drohen. | |
## Widerstand im Parlament | |
Schon 2010 hatte die Kommission eine ähnliche Regelung erlassen. Das | |
EU-Parlament klagte dagegen jedoch beim Europäischen Gerichtshof – es | |
fühlte sich nicht ausreichend beteiligt. Die Richter gaben den Abgeordneten | |
recht. | |
Auch jetzt regt sich Widerstand im Parlament: „Es ist überhaupt nicht | |
nachvollziehbar, wie die Grundrechte auf Hoher See gewahrt werden sollen“, | |
sagt die grüne Parlamentarierin Ska Keller. „Schon jetzt gibt es immer mehr | |
Zurückschiebungen. Wenn die Kommission diese Praxis jetzt legalisiert, wird | |
Frontex das als Aufforderung verstehen, in Zukunft noch mehr Menschen | |
sofort zurückzuschieben.“ | |
Die Verweise auf Grundrechtsschutz seien von der Kommission „viel zu | |
schwammig formuliert, da kann alles Mögliche drunter verstanden wissen, | |
auch die Zurückschiebung in Länder wie Libyen, wo es garantiert kein Asyl | |
gibt“, sagt Keller. Sie will, dass die Zurückweisungen verboten bleiben. | |
„Stattdessen brauchen wir endlich eine Verpflichtung zur Seenotrettung.“ | |
Tatsächlich will auch die Kommission laut ihrem Entwurf alle an | |
Frontex-Operationen beteiligten Einheiten künftig verpflichten, „jedem in | |
Seenot befindlichen Schiff und jeder in Seenot befindlichen Person Hilfe zu | |
leisten“. Doch daraus wird möglicherweise nichts: Italien, Spanien, | |
Frankreich, Zypern, Malta und Griechenland haben am 10. Oktober ein Papier | |
verfasst, in dem sie die Streichung der Seenotrettungsklausel verlangen. | |
Diese Haltung hat sich der Rat daraufhin zu eigen gemacht. | |
3 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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