# taz.de -- Lampedusa-Flüchtlinge: „Widerstand ist Pflicht“ | |
> Um gegen den harten Kurs des Senats zu protestieren, hat sich der | |
> Elternrat der Stadtteilschule am Hafen selbst angezeigt – wegen | |
> Unterstützung der „Illegalen“. | |
Bild: Unterstützung aus der benachbarten Schule: Flüchtling in der St. Pauli-… | |
taz: Herr Herrmann, Sie und der gesamte Elternrat der Stadtteilschule am | |
Hafen haben sich als Unterstützer der Lampedusa-Flüchtlinge selbst | |
angezeigt, warum? | |
Michael Herrmann: Weil wir es unerträglich finden, dass der Senat – konkret | |
war es Staatsrat Michael Sachs – gesagt hat, wer die Flüchtlinge bei ihrem | |
illegalen Aufenthalt unterstützt, mache sich strafbar. Das war ein | |
Abschreckungsversuch. Das betrifft auch die Schüler mit ihrem guten | |
Handeln. | |
Schüler der Klasse 10b hatten in einer Petition gefordert, den 80 Männern | |
aus der benachbarten St. Pauli-Kirche die beheizbare Schulturnhalle als | |
Winterquartier anzubieten. | |
Es hieß ja, dass das eine rechtswidrige Unterstützung sei, weil die | |
Menschen gegen das Aufenthaltsrecht verstießen. Nach dem Motto: Wenn man | |
jemand unterstützt, der gegen ein Recht verstößt, verhält man sich | |
ebenfalls rechtswidrig. Dabei ist das Argument doch Blödsinn. Eine | |
humanitäre Unterstützung ist dem doch übergeordnet. Aber wenn man Menschen | |
davon abbringen will, sich solidarisch zu erklären, kann man das tun, indem | |
man ihnen vermittelt, dass sie sich strafbar machen. Genau dieses Vorgehen | |
des Senats verurteilen wir. Dabei sollte man vor den Schülern, den Pastoren | |
und anderen Unterstützern doch viel eher den Hut ziehen. | |
Ist die Selbstanzeige eine symbolische Aktion? | |
Wir haben nicht damit gerechnet, dass hier die Polizei einmarschiert. Das | |
ist auch nicht passiert. Es geht uns eigentlich darum, diese | |
Unverschämtheit des Senats zurückzuweisen, der die Unterstützer zu | |
Straftätern machen will. Nur weil sie sich solidarische erklären mit | |
Menschen, die sich in Not befinden. | |
Sie sehen darin eine Kriminalisierung der Schüler? | |
Das ist eine versuchte Kriminalisierung, sie ist ja nicht wirklich | |
gelungen. Ich halte das aber für eine verwerfliche Haltung des Senats | |
gegenüber Protestierenden. Das ging ja auch gegen alle, die zum Beispiel | |
Lebensmittel und Kleider spendeten. Offenbar ging die Hoffnung des Senats | |
nicht auf, dass die Empörung und Unterstützung von selbst verschwinden. | |
Wie kam es überhaupt zu dem Turnhallen-Vorstoß? | |
Die Schüler haben das gemacht, nachdem sie in der Nachbarschaft erlebt | |
haben, wie dort 80 Menschen um ihr Recht kämpfen, hier bleiben zu dürfen. | |
Dann kam noch das Unglück im Mittelmeer dazu mit über 300 Toten. Daraufhin | |
haben sich Schüler engagiert und dem Senat die Stirn geboten. Das fand ich | |
extrem bemerkenswert und wichtig, das zu unterstützen. Unsere Schüler | |
kommen ja nicht aus Blankenese und sind auch nicht übermäßig politisch | |
gebildet. Ich finde, wir können stolz sein auf diese Aktion. | |
Hat das die ganze Schule ergriffen? | |
In der ganzen Schule wurde über die Aktion der Klasse 10b gesprochen. Die | |
Schülerschaft hat sich dahinter gestellt. Und es geht dort auch weiter, die | |
bearbeiten das Thema jetzt weiter im Politik- und Projektunterricht. | |
Und wie hat der Senat darauf reagiert? | |
Die Klasse hatte vor wenigen Tagen ein Gespräch bei Innensenator Michael | |
Neumann (SPD). | |
Mit welchem Ergebnis? | |
Das verlief, wie solche Gespräche eben verlaufen: Der Innensenator erklärt | |
seine Position dazu, sagt, dass alles rechtens ist und dass die Forderungen | |
der Flüchtlinge überhöht seien. Dass sie erstmal ihre Personalien | |
bekanntgeben sollen. Für die Schüler ist das nicht gerade aufbauend, wenn | |
sie was machen wollen und dann vor dem Senator sitzend erkennen, dass er | |
gar nicht wirklich darauf eingeht. Dabei haben sie ja Recht, weil eine | |
Unterbringung in der Turnhalle würde den Menschen das Leben erleichtern und | |
es wäre mit einem gewissen Aufwand auch machbar. | |
Glauben Sie noch daran, dass die Turnhalle für die Kirchenflüchtlinge | |
geöffnet wird? | |
Das kommt ja darauf an, wie sich das weiterentwickelt. Die ersten drei | |
Flüchtlinge haben sich ja nun bei der Ausländerbehörde gemeldet. Ich habe | |
gehört, dass man denen Wohnunterkünfte in Containern angeboten hat, | |
inzwischen seien sie aber wieder in der Kirche. Wenn es nicht zur | |
Aufstellung der Container kommt, bietet sich die Turnhalle an. Dort gibt es | |
– anders als in der Kirche – Toiletten und Duschen. Und sie ist beheizt. | |
Sie rufen in Ihrer Erklärung auch zum Ungehorsam gegen Rassismus auf. | |
Befürchten Sie weitere Kontrollen auf Hamburgs Straßen? | |
Wir können es nicht hinnehmen, dass die Regierenden der Polizei befehlen, | |
rassistische Kontrollen durchzuführen. Ungehorsam und Widerstand gegen | |
Rassismus sind unsere Pflicht. | |
2 Nov 2013 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
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