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# taz.de -- Möbelanfertigung im Flüchtlingsprojekt: Von Lampedusa zur Designe…
> Ohne Arbeitserlaubnis produzieren Flüchtlinge beim Berliner Start-up
> Cucula Möbel mit Sinn. Und was sagt die Ausländerbehörde dazu?
Bild: Nein, das ist keine Arbeit, das ist „Hospitanz“: Malik beim Bauen ein…
BERLIN taz | Es fällt Malik schwer, über die Flucht aus dem Niger zu
sprechen. 2007 war das, als in seiner Heimat ein blutiger Aufstand
ausbrach. Malik war 14, sein Weg führt ihn über Libyen nach Lampedusa, dann
nach Berlin.
Bei seiner Ankunft spricht er weder Deutsch, noch hat er eine Ahnung von
Asylrecht oder dem deutschen Sozialsystem. „Ich wusste gar nicht, dass es
so was wie Asyl gibt“, sagt Malik heute. „Ich wollte nur arbeiten und eine
Perspektive haben.“
Malik hat Glück. Seine Geschichte könnte ein Beispiel für Integration und
wirtschaftliche Eingliederung werden: Mit dem Flüchtlingsprojekt Cucula
will er sich ein Leben in Deutschland aufbauen.
## "Soziales Start up"
Die Idee des Berliner Vereins: Ein soziales Start-up für nachhaltig
produzierte Designmöbel von und mit Flüchtlingen soll entstehen, die Cucula
– Refugees Company for Crafts and Design in Berlin-Treptow.
Angefangen hat es mit dem Kunst- und Kulturhaus Schlesische 27 (S 27). Im
Oktober 2013 bot die S 27-Geschäftsführerin Barbara Meyer Flüchtlingen im
Camp am Oranienplatz an, sie zum Schutz gegen die Kälte im S 27
unterzubringen. Malik kommt mit, Saidou, Maiga, Moussa und Ali folgen.
Im S 27 lernen sie den Möbeldesigner Sebastian Däschle kennen, der hier
regelmäßig Projekte anbietet. Er schlägt den fünf Männern vor, ihnen zu
helfen, Möbel für ihr Zimmer zu bauen. Betten, einen Tisch, vielleicht
einen Kleiderschrank. Alles nach den Anleitungen des Italieners Enzo Mari,
der schon in den 70er Jahren Do-it-yourself-Modelle als Kritik an der
Massenfertigung entwickelte und die Vorlagen für alle zur Verfügung
stellte.
Als die Möbel fertig sind, kommt Däschle die Idee, die Flüchtlinge in ein
Projekt einzubinden, mit ihnen gemeinsam Möbel anzufertigen, diese
vielleicht sogar zu verkaufen. Das große Problem: Die Männer dürfen nach
dem deutschen Gesetz weder arbeiten noch eine Ausbildung machen. So richtet
Däschle erst einmal eine Hospitanz ein: Die fünf Männer verdienen zwar kein
Geld, erhalten aber „eine kleine Spende für Busticket und Arbeitskleidung“.
## Einfach mal Fakten schaffen
Dahinter steht die Idee, einerseits die scheinbar aussichtslose Realität
der Flüchtlinge zu verändern – aber auch, Fakten zu schaffen: Gut
integrierte Mitarbeiter eines ordentlichen Unternehmens in ihr
Herkunftsland zurückzuschicken fällt den Behörden vielleicht nicht so
leicht wie andere Abschiebungen.
Mittlerweile ist Cucula ein handfestes Projekt geworden. Malik und die
anderen fertigen ihre Stühle zwar immer noch nach dem Prinzip von Enzo
Mari, sie verbauen aber auch Wrackteile aus vor Lampedusa gesunkenen
Schiffen. Sogar auf der Mailänder Möbelmesse wurden die Produkte der
Flüchtlinge schon gezeigt.
Parallel hat Däschle ein Crowdfunding ins Leben gerufen. Bislang kamen
85.000 Euro zusammen, aber die Frist läuft noch bis zum 1. Januar. Mit dem
Geld will das Projekt fünf Ausbildungsstipendien für Flüchtlinge
realisieren: Sie bekämen 12.000 Euro pro Jahr und würden in dieser Zeit
handwerklich ausgebildet. „Die Jungs können sich so unabhängig von
staatlichen Geldern ein Leben in Deutschland aufbauen“, sagt Däschle.
Nur die Sache mit dem Status ist noch nicht geklärt. „Ich kann mir
vorstellen, dass die Ausländerbehörde das Projekt auflaufen lässt“, sagt
Rechtsanwalt Michael Matusche. „Die deutsche Gesetzgebung ist so ausgelegt,
dass man Menschen aus Afrika den Anreiz nehmen möchte, nach Europa zu
kommen.“ Wie die Entscheidung ausgeht, wird sich in den nächsten Wochen
zeigen. Bis dahin werden weiter Stühle gebaut.
29 Dec 2014
## AUTOREN
Joshua Kranz
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