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# taz.de -- Kunst-Projekt mit Flüchtlingen: Ein Passivhaus für Flüchtlinge
> Ein kleinerer Nachbau der Roten Flora steht über den Winter den
> Lampedusa-Flüchtlingen zur Verfügung. Eine Flüchtlingsunterkunft soll sie
> aber bewusst nicht sein.
Bild: Finden hier Raum zum Arbeiten und ein wenig Privatsphäre: Asuquo Udo und…
HAMBURG taz | Wie die Rote Flora soll sie aussehen, nur in klein: Im Garten
hinter der Kampnagel-Fabrik steht die „Eco Favela Lampedusa Nord“. Ein
Holzbau, der Flüchtlingen der Lampedusa-Gruppe bis Anfang Mai als
Aktionsraum zur Verfügung stehen soll. Von vorn sieht die Eco Favela
tatsächlich aus wie das besetzte Kulturzentrum. Der Grundriss beider
Gebäude ist gleich, der Nachbau entspricht seinem Original im Maßstab von
1:3.
Die KünstlerInnen der Gruppe Baltic Raw haben die Flora-Replik ursprünglich
als Veranstaltungsraum für das Kampnagel-Sommerfestival entworfen. Während
der Sommermonate gab es dort Theateraufführungen, Konzerte, Bar-Abende und
eine Debatte mit den AktivistInnen der echten Flora. Nun haben die
KünstlerInnen das Gebäude winterfest gemacht und den Flüchtlingen der
Lampedusa-Gruppe zur Nutzung übergeben.
Die Eco Favela soll aber kein Winternotquartier sein. „Hinter dem Projekt
steht die Idee, Flüchtlinge als vollwertige Mitglieder in das tägliche
Gesellschaftsgeschehen einzubinden“, sagt Móka Farkas von Baltic Raw. „Die
Flüchtlinge sollen hier einen Raum haben, in dem sie sich frei bewegen und
entfalten können.“
## Endlich Privatsphäre
Neben dem großen Eingangsraum, einer Küche und einem Badezimmer gibt es
fünf kleine Räume, die von jeweils einer Person genutzt werden. Auf zehn
Quadratmetern sollen die Flüchtlinge hier etwas haben, das ihnen zwischen
Sammel- und Notunterkünften häufig fehlt: Privatsphäre.
Die Ausstattung der kleinen Zimmer ist multifunktional – „Wir haben
überlegt, wie man auf so wenig Raum eine möglichst vielfältige Nutzung
erreichen kann“, sagt Farkas. In jedem Raum steht ein Bett, das man an die
Wand klappen kann. Aus der Unterseite des Bettes entklappt sich ein
Schreibtisch. Arbeit ist ein zentrales Anliegen der Flüchtlinge – ohne
einen legalen Aufenthaltsstatus bekommen sie keine Arbeitserlaubnis und
sind auf die Unterstützung anderer angewiesen. „Es ging auch darum, einen
warmen, geschützten Raum zu schaffen, in dem jeder machen kann, was er
kann“, sagt Farkas. „Ob er das dann ökonomisch verwerten will, muss jeder
selbst entscheiden.“
Eines der Zimmer wird bereits als Arbeitszimmer genutzt: Eine Nähmaschine
steht auf dem Schreibtisch, ein Koffer mit Nähutensilien an der Wand.
Alimosess näht hauptsächlich Kleidung. Früher hat er als Schneider
gearbeitet. Die Nähmaschine ist das gleiche Modell, das er auch in Ghana
benutzt hat. Der Raum sei gut zum Arbeiten, sagt er, „Es ist warm und es
ist ruhig.“
## Emissionsfreies Haus
Finanziert hat sich das Projekt hauptsächlich durch Crowdfunding: Mehr als
11.000 Euro sind für die Ausstattung und die Infrastruktur
zusammengekommen. Zwei private Stiftungen haben gespendet. Nun entspricht
das Holzgebäude den Standards eines Passivhauses. Außerdem ist das Haus
emissionsfrei. Die Dusche funktioniert mit einer
Regenwasser-Aufbereitungsanlage, es gibt ein Kompost-Klo.
Die Resonanz sei insgesamt sehr positiv, sagt Kampnagel-Intendatin Amelie
Deuflhard. Mit dem Projekt hätten sie viel Hilfsbereitschaft erfahren:
„Viele Leute wollen etwas an der Situation der Flüchtlinge verbessern,
wissen aber nicht wie.“ Da Flüchtlinge häufig in Lagern untergebracht
seien, kämen die meisten Leute nicht mit ihnen in Kontakt. „Unser Ziel ist
es, einen Dialog zu generieren“, sagt Deuflhard.
Ein wichtiger Aspekt der Eco Favela ist daher ihre Öffentlichkeit. „Es geht
hier nicht darum, Flüchtlingsunterkünfte zu bauen“, sagt Mareike Holfeld,
die für die Kommunikation auf Kampnagel zuständig ist. Kampnagel sei
schließlich ein Kunstort und nicht zuständig für die Unterbringung von
Flüchtlingen. Es gehe vielmehr darum, einen anderen Umgang mit Flüchtlingen
vorzuleben, indem man einen offenen Ort schaffe, wo man sich auf Augenhöhe
begegnen könne.
Auch Farkas hält die Öffentlichkeit für einen zentralen Aspekt des
Projekts. Im Gegensatz zu vielen privaten Flüchtlingsunterbringungen sei
die Eco Favela kein Versteck. Dass in einer Demokratie Menschen heimlich
untergebracht und versteckt werden müssen, nennt sie einen Skandal.
5 Dec 2014
## AUTOREN
Katharina Schipowski
## TAGS
Rote Flora
Favelas
Theater
Kampnagel
Schwerpunkt AfD
Berlin
Wirtschaft
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