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# taz.de -- Intendantin Deuflhard über Kunstasyl: „Angriff auf die Humanitä…
> Hamburgs Staatsanwaltschaft ermittelt wegen eines Kunstprojekts: Das
> Kampnagel-Theater ließ Flüchtlinge überwintern. Eine künstlerische
> Straftat?
Bild: Ziel von Ermittlungen: Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard.
taz: Frau Deuflhard, die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Sie wegen
„Beihilfe zum Verstoß gegen das Aufenthaltsrecht für Ausländer“ – aber…
sind ganz entspannt?
Amelie Deuflhard: Ja – ich bin mir keiner Straftat bewusst. Im Gegenteil:
Wir haben mit einem künstlerischen Projekt sehr viel Aufmerksamkeit auf die
noch immer ungeklärte Situation der Lampedusa-Gruppe gelenkt.
Also können Sie dem Verfahren durchaus etwas Positives abgewinnen.
Ja, nämlich dass es die Frage aufwirft: „Wie gehen wir in Europa mit den
Flüchtlingen um, die hier nach schwierigsten Reisen ankommen?“ Und die muss
in jedem Fall politisch verhandelt werden. Der Diskurs wird durch unser
Projekt und durch das ganze Aufsehen aktiviert.
Wie haben Sie denn von den Ermittlungen erfahren?
Den Vorgang finde ich tatsächlich erstaunlich: Ich habe erst durch die
Nachfragen eines Journalisten davon erfahren. Von der Staatsanwaltschaft
habe ich noch kein Schreiben bekommen. Ich hatte noch nie mit der
Staatsanwaltschaft zu tun – weiß also nicht, ob das vielleicht so üblich
ist, dass man gar nichts von denen hört? Aber ich finde es befremdlich.
Die Strafanzeige gegen Sie wurde ja schon im Dezember gestellt – haben Sie
nicht damit gerechnet, dass daraufhin ermittelt wird?
Nein. Ich dachte, die Anzeige wird fallengelassen. Es ist ja auch nicht so,
dass mich irgendjemand angezeigt hat, sondern die AfD. Die ist ja nicht
gerade unverdächtig, Menschen ausgrenzen zu wollen, die unter uns leben.
Außerdem haben sich direkt alle politischen Parteien außer der AfD mit mir
solidarisch erklärt, als die Anzeige kam.
Sehen Sie die Ermittlungen als Angriff auf die Kunstfreiheit?
Ja, auf jeden Fall. Die Gruppe Baltic Raw, die das Projekt entwickelt hat,
arbeitet seit Jahren mit sozialen Skulpturen. Bei der Eco Favela spreche
ich von „Kunstasyl“, als Pendant zum Kirchenasyl. Am Anfang, als wir noch
nicht wussten, ob das mit der Eco Favela funktioniert, habe ich den
Bewohnern gesagt: „Ich glaube, ihr seid hier fast so sicher wie in der
Kirche.“ Es ging ja auch fünf Monate lang gut. Bei den Ermittlungen würde
ich allerdings nicht nur von einem Angriff auf die Kunstfreiheit, sondern
auch von einem Angriff auf die Humanität sprechen. Im Winter ein paar
Menschen von der Straße zu holen, scheint mir nicht besonders verwerflich.
Im Gegenteil: Es scheint mir eine Bürgerpflicht.
Nimmt man die Politik damit nicht aus der Verantwortung? Indem man
individuelle Lösungen schafft?
Durch die Öffentlichkeit, die das Projekt erreicht hat, ist es ja keine
individuelle Lösung. Natürlich ist es ein Kunstprojekt! Es ging ja auch
nicht nur um die Unterbringung von fünf Menschen, sondern um ein
sozial-künstlerisches Experiment. Wir wollten zur gesellschaftlichen
Teilhabe animieren, zur Nachbarschaft, zur Kommunikation. Wäre es einfach
nur um Unterbringung gegangen, hätte ich eine Vier-Zimmer-Wohnung gemietet.
Das wäre auch ein schönes Winterquartier gewesen. Und ich schwöre Ihnen: Da
hätte kein Hahn nach gekräht.
Glauben Sie, die Ermittlungen sollen ein politisches Signal an Sie, an
Kampnagel sein?
Das kann ich nicht beurteilen. Aber ich glaube es eigentlich nicht, weil
sich ja sehr viele Menschen mit mir solidarisch erklärt haben. Ich fühle
mich da nicht allein. Ich glaube, die Ermittlungen werden bald eingestellt.
Aber wissen kann man es natürlich nicht.
Es ist doch auch fraglich, ob die Anzeige Bestand hat, weil die
Lampedusa-Flüchtlinge ja gar nicht illegal hier sind.
Stimmt, viele haben italienische Papiere. Aber das spielt für mich keine
Rolle. Ich finde, dass man auch Menschen, die illegal hier sind,
unterbringen sollte. Es geht ja um die Frage: Was machen wir mit den
Flüchtlingen, die hier ankommen, weil die italienische Regierung – unser
EU-Partner – sie hierher schickt. Gegen EU-Recht! Dann sind die Flüchtlinge
hier und man schiebt sie nicht ab, aber man darf sie auch nicht
unterbringen. Was ist das für ein politischer Wahnsinn? Ich bin froh, dass
ich zur Vergrößerung dieser Debatte beitrage. Ich habe keine Verantwortung
dafür, dass diese Menschen hier sind. Ich bin keine Schlepperin und habe
sie nicht hierher gebracht. Ich habe sie nur untergebracht.
Ist das Projekt Eco Favela jetzt beendet?
Ja, seit dem 30. April ist es vorerst vorbei. Aber der Antrag auf
Verlängerung läuft und es gibt schon Folgeprojekte. Das Haus soll wieder
transformiert werden und als Diskursraum weiterbestehen. Wir wollen mit
verschiedenen Kooperationspartnern debattieren, zum Beispiel mit
Flüchtlingsinitiativen und dem „Recht auf Stadt“-Netzwerk. Das
Flüchtlingsthema wird uns auf Kampnagel noch lange beschäftigen.
5 May 2015
## AUTOREN
Katharina Schipkowski
## TAGS
Kampnagel
Hamburg
Flüchtlinge
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Kirchenasyl
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Schwerpunkt AfD
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Flüchtlinge
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