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# taz.de -- Kirchenasyl und Demokratie: Schutz unter dem Kreuz
> Nur wenige Hundert Flüchtlinge finden Aufnahme in deutschen Kirchen. Zu
> viele, meint Innenminister Thomas de Maizière.
Bild: Der syrische Flüchtling Youssef lebt im Kirchenasyl in Bayern.
Stuttgart taz | „Darf eine Einrichtung – sei sie noch so hochgeschätzt wie
die Kirche – sich über bestehendes Recht hinwegsetzen?“ Das fragt sich
Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Freitag auf dem Kirchentag in
Stuttgart.
Nach seiner wiederholten Kritik treffen sich am 8. Juni VertreterInnen der
katholischen und evangelischen Kirche mit der Spitze des Bundesamts für
Migration und Flüchtlinge (BAMF) in Nürnberg. Dabei soll es um die
sogenannten Dublin-III-Fälle gehen, die Kirchenasyl bekommen würden. Nach
Dublin III werden Flüchtlinge in das EU-Land abgeschoben, in dem sie ihren
Asylantrag gestellt haben – selbst wenn in diesen Ländern menschenunwürdige
Bedingungen herrschen.
Diese Fälle waren Auslöser für das BAMF und de Maizière, die Praxis der
Kirche zu kritisieren und sie ändern zu wollen. Nun wollen sich Kirche und
Regierung über neue Vorgehensweisen verständigen.
Kirchenasyl wird nur in Einzelfällen gewährt. Vor fünf Jahren waren es 31
Flüchtlinge, 2014 dann 430. Für de Maiziére ein zu starker Anstieg. Dabei
hängt der vor allem mit gestiegenen Zahlen von Asylbewerber_innen zusammen.
## Kirchenasyl ist eine juristische Grauzone
De Maizière geht dennoch davon aus, dass es sich inzwischen nicht mehr nur
um Einzelfälle handelt. Er fürchtet, das Kirchenasyl werde
instrumentalisiert, um die Flüchtlingspolitik der Regierung zu kritisieren:
„Es geht um die Frage, ob eine Kirche sagt: Wir bekämpfen das Dublin-System
politisch, und deswegen nutzen wir Einzelfälle, um uns zu wehren.“
Juristisch ist das Kirchenasyl eine Grauzone, da es aus dem
Selbstverständnis der Kirche als heiligem Ort hervorgegangen ist. Die
Geflüchteten und ihre Helfer_innen machen sich eigentlich strafbar, wenn
sie sich einer Abschiebung widersetzen. Das wird aber fast nie verfolgt.
Der Verfassungs- und Kirchenrechtsprofessor Hans Michael Heinig sieht den
Anstieg beim Kirchenasyl als Ausdruck eines weit größeren Problems. „Das
Kirchenasyl leistet keinen Beitrag dazu, die Probleme auf einer Sachebene
strukturell anzugehen – kann es auch nicht. So verstanden schadet es mehr,
als dass es nutzt. Solche Fragen müssen wir demokratisch verhandeln.“
„Kirchenasyle sind angesichts der Flüchtlingszahlen ein sehr kleiner
Bereich“, findet Dietlind Jochims. Sie ist Vorsitzende der Ökumenischen
Bundesarbeitsgemeinschaft Asyl in der Kirche und wird bei den Gesprächen in
Nürnberg mitverhandeln. „An den Kirchenasylen zeigt sich ja auch etwas: Die
Summe aller Einzelfälle gibt dem System ein Gesicht. Und natürlich sind es
immer Einzelfallentscheidungen, aber wenn wir das siebzigste Mal ähnliche
Probleme mit Aufnahmebedingungen in Bulgarien haben – dann ergibt sich
daraus ein Bild.“
5 Jun 2015
## AUTOREN
Sarah Emminghaus
Marion Bergermann
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