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# taz.de -- Einschüchterung von Asylbewerbern: Gefährliche Dolmetscher
> Bei den Befragungen zum Asylantrag zählt jedes Wort. Eine Initiative
> prüft den Verdacht, Eritreer würden von Übersetzern eingeschüchtert.
Bild: Aus Eritrea geflohene Menschen finden in Europa schwere Bedingungen vor (…
Frankfurt/M. taz | Wer in Deutschland Asyl beantragt, bekommt von Amts
wegen einen Übersetzer für die Anhörung. Doch was, wenn die Dolmetscher die
Aussagen der Geflüchteten verfälschen?
Die Frankfurter Initiativen Teachers on the Road und United4 Eritrea weisen
darauf hin, dass in Deutschland lebende eritreische Dolmetscher genau damit
schon öfter aufgefallen sind. Eine Studie der Konferenzdolmetscherin Eden
Mengis scheint diesen Verdacht nun zu erhärten.
Die Lage von Eritreern in ihrem Heimatland ist prekär. Männer können nach
ihrem 18. Lebensjahr unbefristet zum Militärdienst eingezogen werden,
Frauen müssen bis zum 28. Geburtstag gegen niedrige Bezahlung für den Staat
arbeiten. Präsident Isayas Afewerkis Regierung kontrolliere alle Ebenen der
Macht, politisch, wirtschaftlich, sozial, journalistisch und religiös,
kritisiert Human Rights Watch. Wahlen gab es in dem Land noch nie. Daher
flüchten Monat für Monat Tausende aus dem Land. Laut Flüchtlingskommissar
der Vereinten Nationen waren es im vergangenen Jahr über 300.000 Menschen.
Gelingt die Ausreise, ist die Odyssee noch lange nicht vorbei. Auch
außerhalb Eritreas gibt es Anhänger des Regimes. Sie arbeiten teilweise im
Auftrag der Regierung, erklärt Irina Dannert, die sich bei Teachers on the
Road, einer Frankfurter Flüchtlingsinitiative, engagiert. Erst vor wenigen
Monaten hatte die italienische La Repubblica einen solchen Fall publik
gemacht.
## Hochsensibler Moment
Regierungstreue Eritreer arbeiten laut Teachers on the Road und
United4Eritrea als Übersetzer im Asylanhörungsprozess. Genau an der
hochsensiblen Stelle, an der sich entscheidet, ob die Fluchtgründe
ausreichen, um Asyl zu erhalten. Im Zuge des Verfahrens haben die
Dolmetscher außerdem Zugang zu den Daten der Flüchtlinge. Adresse und
Familienzugehörigkeit sind heikle Daten, die in den falschen Händen viel
Unheil anrichten können.
„Immer wieder wird uns zugetragen, dass Aussagen von Flüchtlingen im
Asylanhörungsverfahren nicht korrekt übersetzt wurden“, sagt Irina Dannert
der Taz. Für den Verfahrensausgang kann ein falsch übersetze Aussage Folgen
haben. Zwar werden zurzeit fast keine Flüchtlinge nach Eritrea abgeschoben,
doch geht es darum, ob die Härtefallregelung für sie gilt. Das heißt, ob
sie nur geduldet werden, ob sie in Deutschland ihren Antrag stellen dürfen,
oder dauerhaftes Asyl erhalten.
Bei einem solchen Verfahren war eine Aktivistin von United4Eritrea als
Zuschauerin anwesend. „Da hat die Dolmetscherin einfach Teile nicht
übersetzt. Beispielsweise, dass der Mann in Italien gefoltert wurde und im
Gefängnis saß“, erklärt Seghen Gebreyosus von United4 Eritrea. Als die
Aktivistin die Richterin darauf hingewiesen habe, habe die kein Interesse
daran gezeigt. Die Dolmetscherin blieb im Amt, der Geflüchtete wurde
abgeschoben.
## Bestätigte Verdachtsfälle
Dass diese Fehlübersetzung publik wurde, war eher Zufall. Üblicherweise
sind die Verfahren nicht öffentlich. „Außer dem Dolmetscher gibt es keinen
anderen, der sowohl des Deutschen als auch der eritreischen Amstssprache,
Tigrinya, mächtig ist und eingreifen könnte“, sagt Eden Mengis, die zu dem
Thema ihre Masterarbeit schreibt. Sie hat Leitfadeninterviews mit
Flüchtlingen und Dolmetschern geführt, und gefragt, inwiefern die
Neutralität der Dolmetscher ein Auswahlkriterium für die Tätigkeit beim
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) darstellt. Und ob bereits
Fälle bekannt sind, in denen es wegen der politischen Haltung der
Dolmetscher zu Problemen kam.
In Mengis‘ Arbeit bestätigen sich die Verdachtsfälle der
Flüchtlingsinitiativen, auch wenn ihre Stichprobe nichts über genaue Zahlen
aussagt. „Sie haben null Chancen gegen diese Dolmetscher“, erklärt einer
der anonym befragten Dolmetscher. „Ich habe schon mitgekriegt, dass es
einen Mann gibt, der sagt: ‚Nein, sag das nicht.‘ Dann erschrecken sich die
Flüchtlinge, weil sie wissen, dass er von der Regierung ist.“ Auch von
Aussagen der Dolmetscher gegenüber Geflüchteten, sich nicht allzu kritisch
über das Heimatland zu äußern, ist die Rede. Solche Anmerkungen kommen
starken Drohungen gleich. Denn wer aus Eritrea flieht, macht sich strafbar,
gefährdet oft noch zurück gebliebene Freunde, Familienmitglieder, Kollegen.
Zwar sei es kein Automatismus, dass regimetreue Eritreer falsch übersetzen,
so Mengis. Aber bei der Gefahr, für die Geflüchteten, die in so einem Fall
bestünde, sei es durchaus überlegenswert, die Dolmetscher für die
Asylverfahren genau zu überprüfen und denjenigen mit Kontakt zur Botschaft
– sprich den regimetreuen – die Arbeit zu untersagen.
Beim BAMF streitet man das Ganze ab. Es sei nur ein Einzelfall bekannt, in
dem ein konkreter Dolmetscher beschuldigt wurde, nicht ordnungsgemäß zu
übersetzen und mit der eritreischen Botschaft in Kontakt zu stehen. Als
dieser Fall überprüft wurde, habe sich jedoch nichts ergeben. Auch würden
mögliche Kontakte der Dolmetscher zu den Botschaften geprüft.
Eine Frankfurter Initiative für Geflüchtete hat das Thema nun selbst in die
Hand genommen. Der Verein Mekri überprüft zurzeit die öffentlich
zugängliche Liste der eritreischen Dolmetscher. „Viel Arbeit, aber man
bekommt doch recht schnell heraus, wo jemand steht“, sagt Seghen Gebreyosus
der taz.
Dieser Artikel wurde am 6. Juli um 19.13 Uhr geändert.
5 Jul 2015
## AUTOREN
Alina Leimbach
## TAGS
Asylsuchende
Eritrea
Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
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Thomas de Maizière
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