Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Asyl in Deutschland: Sonderverfahren für Balkanier
> Antragsteller aus Südosteuropa sollen bis zu ihrer Abschiebung in
> Einrichtungen der Länder bleiben. So will der Bund die Kommunen
> entlasten.
Bild: Soll es bald nicht mehr geben: ein Asylbewerber aus Kosovo in einer Ersta…
BERLIN taz | Asylsuchende aus den Staaten des westlichen Balkans sollen
künftig in einem gesonderten Verfahren behandelt werden. Das gab
Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Dienstag bekannt. Kern des vom
Minister selbst „Balkanverfahren“ genannten Konzepts: Die Asylbewerber
sollen bis zu ihrer absehbaren Abschiebung in den Zentralen
Erstaufnahmeeinrichtungen bleiben.
Bislang ziehen alle Flüchtlinge nach einer gewissen Zeit von dort in
kommunale Flüchtlingsheime um. Mit der Änderung will de Maizière die
Kommunen entlasten – auf Kosten der Länder. Denn die betreiben und bezahlen
die Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen.
In diesem Jahr stammen bislang etwa die Hälfte aller Asylantragsteller in
Deutschland aus südosteuropäischen Staaten wie Bosnien, Kosovo, Mazedonien
oder Serbien. Eine Aufenthaltserlaubnis erhält quasi keiner von ihnen.
Insgesamt rechnet das Innenministerium mit 400.000 Anträgen in diesem Jahr.
Bereits am vergangenen Freitag hatte de Maizière angekündigt, das Personal
des Asyl-Bundesamtes (BAMF) mit 2.000 neuen Stellen fast zu verdoppeln. So
soll die Dauer der Asylverfahren verkürzt werden – besonders für die
Flüchtlinge „ohne Bleibeperspektive“, wie de Maizière sagte. Die
gesetzliche Grundlage für ein beschleunigtes Verfahren hatte die
Bundesregierung im letzten Jahr geschaffen, als sie Bosnien, Serbien und
Mazedonien als „sichere Herkunftsstaaten“ einstufte.
## Abschiebung wird Bundessache
Weiterhin kündigte de Maizière an, dass künftig nicht mehr die Länder für
die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber aus den Balkanstaaten zuständig
sein sollen. Diese Aufgabe wird vor allem die Bundespolizei übernehmen.
Eine Gesetzesänderung sei für das Balkanverfahren nicht notwendig, die
Länder müssten sich lediglich damit einverstanden erklären, dass die
Asylsuchenden aus diesen Ländern nicht nach dem üblichen EASY-Verfahren
gleichmäßig in Deutschland verteilt, sondern gesondert in die Zentralen
Aufnahmestellen geschickt werden.
Die Länder seien einverstanden, so de Maizière, daher werde das
Balkanverfahren „unverzüglich“ beginnen. Im Gegenzug kündigte er
Verbesserungen für die übrigen Asylsuchenden an. Sie sollen schneller
Sprachkurse aufnehmen dürfen und in Arbeit vermittelt werden. Zusätzliches
Geld für die Kommunen gibt es aber nicht.
## Kommunen begeistert
Nachdem sie am vergangenen Freitag nicht am „Flüchtlingsgipfel“ im
Kanzleramt teilnehmen durften, hatte de Maizière ihre Verbandschefs am
Dienstag nach Berlin geladen. Mit dem Balkanverfahren konnte er die
Kommunen auf seine Seite ziehen, ohne mehr Geld auf den Tisch legen zu
müssen, wie die Länder es verlangen.
Alle drei Vertreter der Kommunen begrüßten die Pläne de Maizières. Es sei
wichtig, die Westbalkan-Flüchtlinge „gar nicht erst zu kommunalisieren“,
sagte Städtetagspräsident Ulrich Maly. Dem Hauptgeschäftsführer des
Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, gefiel er sogar so
gut, dass er gleich forderte, sämtliche Asylbewerber, also nicht nur die
aus dem Westbalkan, in den Zentralen Erstaufnahmeeinrichtungen zu lassen.
Damit wären die Kommunen praktisch komplett entlastet – die Integration der
Flüchtlinge aber würde sich teils um Jahre verzögern.
Bislang waren die Länder in Sachen Flüchtlingsversorgung als
Interessensvertreter der Kommunen gegenüber dem Bund aufgetreten – und
hatten in deren Namen mehr Geld verlangt. Die Länder erstatten den Kommunen
die Kosten aber in sehr unterschiedlichem Ausmaß. Im Herbst hatte Berlin
den Ländern 500 Millionen Euro als Hilfe für die Flüchtlingsunterbringung
zugesagt. Landsberg sprach in diesem Zusammenhang am Dienstag von
„klebrigen Hände“ der Länder: Es sei „völlig unstreitig, dass es da
Probleme gibt“.
13 May 2015
## AUTOREN
Christian Jakob
## TAGS
Thomas de Maizière
Mazedonien
Serbien
Bosnien
Kosovo
Balkan
Flüchtlinge
Asyl
Asylsuchende
Flüchtlinge
Mittelmeer
Jean-Claude Juncker
Flüchtlinge
Senat
Schwerpunkt Angela Merkel
## ARTIKEL ZUM THEMA
Einschüchterung von Asylbewerbern: Gefährliche Dolmetscher
Bei den Befragungen zum Asylantrag zählt jedes Wort. Eine Initiative prüft
den Verdacht, Eritreer würden von Übersetzern eingeschüchtert.
Flüchtlingshilfe in Österreich: Therapeutin mit Zivilcourage
Telefonketten mit der Pfarrgemeinde: Die konservative Bürgermeisterin eines
kleinen Ortes in Vorarlberg steht aktiv für Flüchtlinge ein.
Flüchtlingsquote in der EU: Ablehnung auf Ablehnung
Die Pläne zu einer quotierten Verteilung von Flüchtlingen stoßen auf
heftige Kritik. Neben Großbritannien lehnen auch Tschechien, Polen und
Ungarn die Regelung ab.
Ringen um Aufnahme von Flüchtlingen: Solidarität. Ausnahmsweise.
Die EU-Kommission will Quoten zur Verteilung von Flüchtlingen einführen.
Die Dublin-Regelung soll trotzdem bleiben.
Flüchtlingsheime: Für zu gut befunden
Seit Herbst 2014 wartet der Betreiber eines Flüchtlingsheims in Neukölln
auf die Genehmigung. Das könne an „übererfüllten“ Standards liegen,
befürchtet der Bezirk.
Gesundheitsversorgung für Flüchtlinge: Gleichbehandlung ist möglich
In Bremen und Hamburg haben Flüchtlinge eine reguläre Krankenkassenkarte.
So bekommen sie unproblematisch medizinische Hilfe.
Unterbringung von Flüchtlingen: Ein Stück aus dem Tollhaus
Wie das Land Millionen versenkt, indem es Heime baut, ohne das Grundstück
zu besitzen. Und wie ein Heimbetreiber versucht, gute Presse zu bekommen.
Flüchtlingsgipfel im Kanzleramt: Kein Geld für Kommunen
Es gibt keine finanzielle Unterstützung für Städte und Gemeinden. Dafür
wird das Bundesamt für Migration personell fast verdoppelt.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.