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# taz.de -- Kirchentag in Stuttgart: Die Christen wippen
> Mit Techno-Gottesdiensten versucht die evangelische Kirche, junge
> Menschen für den Glauben zu begeistern. Das klappt längst nicht bei
> allen.
Bild: Bewegt euch! Stehtanz-Rave am Donnerstagabend.
STUTTGART taz | „Jesus wäre Raver.“ Da ist sich Daniel sicher. Der
28-jährige Theologiestudent aus Jena wartet im düster-kahlen Stuttgarter
Club Lehmann darauf, dass DJ Jan Maiwald die ersten Beats spielt. Neben ihm
auf der Tanzfläche stehen junge Christen zwischen 15 und 30. In einer Ecke
hat Pfarrer Roland Kühne in schwarzem Gewand vor einem Kreuz Position
bezogen und blickt lächelnd auf seine Schäfchen. Die Techno-Gottesdienste,
die es seit 2007 gibt, sind seine Idee. So könne man die Jugend für den
Glauben begeistern, erklärt Kühne. Es sei okay, Spaß zu haben.
Der religiöse Rave ist einer der Versuche der Kirche, innovativ und modern
zu sein, um junge Menschen zu erreichen. Das stößt jedoch auch auf
Befremden – auch bei der Zielgruppe. „Alles reizt mich mehr als das“, sagt
etwa der 16-jährige Lukas Böbinger, der lieber zum Taizé-Gottesdienst auf
der Jugendmeile geht. Es sei einfach zu gewollt. „Das hat die Kirche nicht
nötig, sie darf sich nicht verraten.“
Techno-Gottesdienst? „Darf schon sein“, sagt Bruder Matthias von der
Ordensgemeinschaft Don Bosco, der gerade Luftballons zuknotet. Doch sein
Blick sagt etwas anderes. Obwohl Bruder Matthias weiß, dass die Kirche sich
Neues einfallen lassen muss, um die Jugend anzusprechen, hat er erst mal
eigene Erwartungen an sie: „Die müssen vom Gedanken der Spaßgesellschaft
wegkommen.“
Doch so läuft das nicht. Hinter dem Luftballontisch hat der Bund der
Deutschen Katholischen Jugend drei Pavillons aufgebaut. Vor dem
Workshopzelt mit Zirkuspädagogen und einem Café bilden sich lange
Schlangen. Das Zelt mit der Aufschrift „Pray & Silence“, das zum Innehalten
und Gebet einlädt, dagegen: leer.
Voller ist es dafür im Lehmann-Club. Einer von rund 100 Gästen ist Michael
Nolte, Ehrenamtlicher in der Jugendarbeit der Kirche. Er findet schon ganz
gut, was die Kirche für den Nachwuchs so tut, will sich hier aber ein Bild
davon machen, ob auch Formen wie diese ein Weg für die Zukunft sein
könnten.
Nun erklingt der erste Track aus den Boxen, die Christen wippen – zunächst
noch etwas zaghaft. Zwei Stunden lang wird getanzt und gebetet, getanzt und
gelesen, getanzt und geredet … Und dann noch mal gebetet. Das Konzept geht
für viele nicht auf. Der Club leert sich. Auch Michael Nolte geht wieder.
„Das ist für mich in dieser Kombination keine Form, um junge Leute in die
Kirche zu holen“, sagt er.
Ähnlich sehen das Sophie und Friederike aus der Nähe von Bielefeld. Was sie
jetzt machen sollen, wissen sie noch nicht genau. Weil es zwischen
elektronischer Musik im Club und spirituellem Gemeinschaftsgesinge keine
Angebote für Teenager gibt, werden sie wohl einfach durch Stuttgart laufen.
Die Kirche hat es wieder nicht geschafft.
5 Jun 2015
## AUTOREN
Hannah Weiner
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