# taz.de -- Kolumne Über Kreuz: Leicht gequetscht im Sarg | |
> In einem Sarg ist es nicht sehr bequem. Oben am Kopf und unten an den | |
> Füßen ist es eng. Probeliegen auf dem Kirchentag. | |
Bild: Na, wie ist es? | |
Ich habe in einem Sarg gelegen. Zur Probe. Und nur, weil ich wissen wollte, | |
was hinter dem schwäbischen Programmtitel „Da legschd di niedr“ steckt. Man | |
steht also da, auf dem Kirchentag in einem Raum – mit noch anderen, vielen | |
sogar, aber in die Kiste klettern wollen nur zwei – und dann legsch di | |
niedr. | |
Als ich das mache, mich vorsichtig auf das weiße Leinentuch lege, ist es | |
oben am Kopf und unten an den Füßen ein bisschen eng. Ich passe gerade so | |
in das Standardmodell. Alle, die größer als 1,80 Meter sind, kommen in das | |
nächstgrößere Format. In einen „Truhensarg“, lerne ich. | |
Zu wissen, dass ich mal leicht gequetscht in diesem Teil liegen werde, ist | |
kein schönes Wissen. Es sei denn, ich sterbe sehr alt, weil ich dann wieder | |
zusammengeschrumpelt bin. Mit meinen Armen weiß ich nicht wohin, also | |
kreuze ich sie auf dem Bauch. Neben den Körper winkeln geht auch, aber | |
irgendwie glaube ich, das gehört sich nicht. Mit Kirchenritualen kenne ich | |
mich nicht so aus. Muss ich auch nicht, finde ich, als stolze Ungetaufte, | |
die nicht mehr in die katholische Dorfkirche mit muss. | |
Der Deckel kommt nicht auf den Sarg, der steht an einen Stuhl gelehnt. Mit | |
Deckel wäre es wahrscheinlich beklemmend geworden. Aber eigenartig ist es | |
auch so. Weil ich es mir dramatischer vorgestellt hatte, so zu liegen, und | |
weil ich außerdem nicht tiefsinnig werde. Die Menge an Neugierigen, auf die | |
ich von unten blicke, und der Umstand, dass der Sarg bunt bemalt ist – mit | |
Acrylfarbe und Vierecken auf weißem Grund – der lässt mich nicht an den Tod | |
denken oder über meine Endlichkeit sinnieren. Das passiert an anderen | |
Orten. In Bussen, vollen Wohnzimmern oder wenn ich an Menschen denke, die | |
mir wichtig sind. | |
Der Sarg gehört dem Mitarbeiter des Stuttgarter Bestattungshauses, der ihn | |
hier ausstellt. Jedes Jahr malt er eines der Vierecke, die auf der | |
Oberfläche mit Bleistift vorgezeichnet sind, bunt aus. Hundertzwei können | |
es werden, sagt er. Die Leute hier finden das lustig. Ich finde das gut. | |
6 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Marion Bergermann | |
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