# taz.de -- Kirchentag mit Bodo Ramelow: Warmer Applaus für einen Linken | |
> Thüringens Ministerpräsident ist der prominenteste Christ der | |
> Linkspartei. Inhaltlich bietet er auf dem Kirchentag wenig | |
> Überraschendes. | |
Bild: Gläubiger Linker: Bodo Ramelow | |
STUTTGART taz | Ganz am Ende – falls es das auf Kirchentagen gibt – sagte | |
der eingeladene Bibelarbeiter: „Heute vor einem halben Jahr bin ich zum | |
Ministerpräsident von Thüringen gewählt worden. Und das Abendland ist immer | |
noch nicht untergegangen.“ Und dafür erhielt Bodo Ramelow, prominentester | |
Christ der Linkspartei, tüchtig Beifall in der Stuttgarter Liederhalle. Der | |
Thüringer aber verneigte sich nur eine Spur, offenbar gerührt. Vorher hatte | |
er – Nettozeit: 30 Minuten – sich abzuarbeiten an der biblischen Stelle | |
Prediger 3,9-13. Unter anderem steht dort: „Ja, wo immer Menschen essen und | |
trinken, Gutes wahrnehmen in all ihrer Mühe, ist das ein Geschenk Gottes.“ | |
Am liebsten, so Ramelow, hätte er diese in der Bibel zuvor notierte Passage | |
ausgewählt, um seine Exegese abzuliefern: „Ein Jedes hat seine Zeit.“ Aber | |
man habe es ihm wohl nicht leicht machen wollen. Beifall! | |
Ramelows Stichwort war „Mühe“ – die ein Mensch nicht scheuen sollte, aber | |
sie sich nur lohne, wenn es jenseits der Arbeit noch Räume und Zeiten gebe, | |
in Familie, unter Freunden oder nur für sich zu sein. Gott habe die Welt | |
schön gemacht – sie dürfe nicht hässlich werden, erstickt durch Ausweitung | |
der Arbeitszeiten (Ladenschlussgesetz), durch ewige Optimierung des | |
Ökonomischen … und so weiter. | |
Mehr freihändig, nicht vom Blatt ablesend, erzählte Ramelow, der populärste | |
Landespolitiker der Linken abgesehen von Gregor Gysi, Persönliches. Dass er | |
mal der einzige auf einem Links-Parteitag war, der gegen eine | |
Beschlussvorlage war, die das Kirchliche geißelte. Das habe ihm sein | |
Gewissen verboten, so Ramelow. Er habe sich trotzdem nicht gut gefühlt: Wer | |
wolle schon einzeln bleiben? Noch mehr Applaus wärmster Art. | |
Das war eben sein Thema: Das Gute, das der Mensch hervorbringt. Gäbe es nur | |
kein materielles Darben, keine Angst vor Unsicherheit des Lebens, keine | |
Ausbeutung (das Wort benutzte er nicht, meinte es aber). Das hört sich wohl | |
an, gut, gefällig und absolut kirchentasgkompatibel. Das war keine | |
besondere Verneigung vor dem christlichen Laienpublikum, sondern entspricht | |
dem Sein Ramelows. Ein Mann, der für eine Politik steht, die den Ausgleich | |
sucht, das Moderierende, das Schlichtende – so wie er jetzt Schlichter ist | |
im Tarifkonflikt mit den Bahnarbeitern. | |
Das Schöne am obersten Politiker von Thüringen ist mithin, dass er eine | |
feine, sonore, hübsche Stimme hat, dass er einzunehmen weiß und er fern | |
dieser gewissen linken Biestigkeit eine Aura verströmt, die interessierte | |
Angstmacherei vor Linken freundlichst zerbröselt. Er hat nichts | |
Provokantes, er ist das, so war es zu bestaunen bei dieser Bibelarbeit, was | |
man einen leutseligen Nachbarn nennen könnte, der die Solidarität unter | |
Beieinanderwohnenden nicht zerstört sehen will. | |
Der Mann hat viel Zukunft vor sich, in Thüringen gewiss, aber auch bei | |
evangelischen Festen wie dem Kirchentag, die ihn prüfte – und mit | |
herzlichem Beifall in den noch frühen Tag verabschiedete. | |
5 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Jan Feddersen | |
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