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# taz.de -- Kirchentag im Zoo Stuttgart: Adam, Eva und das Einhorn
> Im Stuttgarter Zoo lernen Kirchentagsbesucher, dass Menschen nicht die
> Krönung der Schöpfung sind. Ein heißer Ausflug ins Gehege.
Bild: Ein Gruß von der Klapperschlange im Stuttgarter Zoo.
Stuttgart taz | Einen Reisesegen will Christan Turrey sprechen, bevor er
seine biblische Zooführung fortsetzt. Der Safarihut aus Bast wirft einen
scharfkantigen Schatten über seine Augen. Doch wird er kaum die ersten
Worte gesprochen haben, „Gott segne euren Tag. Er gebe auch
strahlenden...“, ehe ihn ein lautes „Pliiiiing“ unterbricht.
Mit mechanisch verzerrtem Klang erschallt eine tiefe Männerstimme aus einem
Lautsprecher, irgendwo über seinem Kopf und den Köpfen seiner Reisegruppe
montiert: „Aktionswochenende für fleischfressende Pflanzen im Stuttgarter
Zoo Wilhema.“
Die Natur hat sich an diesem Tag gegen den Journalisten und Theologen
Turrey verschworen. Die Schlangen und Kröten haben sich längst versteckt,
als er sich, gemeinsam mit BesucherInnen des Kirchentags, den Gehegen
nähert. Die Sonne brennt und lässt einige Gesichter aufquellen.
Die Bibel und die Tiere, das ist eine Geschichte der Ausbeutung. Tauben und
Schafe als Opfergaben, Affen zur Belustigung, Elefanten für die
Kriegsführung.
## Nicht die Krone der Schöpfung
Die Gruppe läuft durch ein Gewächshaus bis zu den Wachteln, die unter
Christen früher beliebte Nahrung waren. Nur ein kleiner Vogel zeigt sich im
Käfig, drückt sich in die Ecke, er wird kritisch beäugt. „Da braucht man
aber einige, um satt zu werden“, sagt einer.
Turrey möchte mit den Führungen für ein neues Verständnis der biblischen
Mensch-Tier-Beziehung werben. Der Mensch sei eben nicht die Krone der
Schöpfung. „Einen Vorteil des Menschen gegenüber dem Tier gibt es da nicht.
Beide sind Windhauch“, steht etwa im Buch Kohelet. Es gäbe sogar einige
Stellen, an denen sich Pflegerichtlinien für Tiere finden.
Weiter geht’s zum Klassiker der Bibeltiere: Der Schlange. Einige aus der
Gruppe beginnen, ihre Finger in den Käfig zu stecken und deuten auf
Holzklötze und Gestrüpp. Irgendwo darunter soll sich die göttliche
Schöpfung versteckt haben. Die will Turrey seinem Publikum aus biblischer
Sicht näher bringen. „Die Schlange hat ja allgemein einen schlechten Ruf
bei den Christen“, sagt er. Adam und Eva, Baum der Erkenntnis, Exodus.
## Evolution und Bibel
Später dann kämpfte der heilige Georg gegen die Lindwürmer. „Das ist das
gleiche Tier, nur ein paar Fassungen weiter.“ Die Bibel stünde der
Evolutionstheorie nicht entgegen, sagt er. Sie belege sie sogar. Von den
TeilnehmerInnen kein Widerspruch.
Die Fähigkeit zur kritischen Bibelarbeit ist immer wieder nötig: Aufgrund
von Übersetzungsfehlern und Unwissenheit wird sonst aus einem Pfau schnell
mal ein Perlhuhn, der nicht so sympathische Geier zum majestätischen Adler
und der Seelöwe zum Seeungeheuer. Und was war noch mal mit dem Einhorn, das
an mehreren Stellen Erwähnung findet?
Eine der letzten Stationen ist der Somali-Wildesel. „Oh Mama, Iiiaaaa!“,
ruft ein kleines Mädchen und zeigt auf zwei der Tiere. Ochs und Esel an
Jesus Krippe, der Einzug in Jerusalem auf dem Eselsrücken. Bei wichtigen
Ereignissen scheint das Packtier oft nicht weit von Jesus gewesen zu sein.
Während Turrey von der biblischen Bedeutung der Esel erzählt, ignoriert die
Gruppe die kopulierenden Esel im Hintergrund. Manchmal kommt eben selbst
beim biblischsten Tier einfach die Natur durch.
6 Jun 2015
## AUTOREN
Imre Balzer
Markus Lücker
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Evolution
Stuttgart
Margot Käßmann
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