| # taz.de -- Privatsphäre von Flüchtlingen: Ratsfrauen auf Kontrollgang | |
| > Vier CDU-Politikerinnen haben in Hannover unangemeldet eine | |
| > Flüchtlingsunterkunft inspiziert und eine Debatte über Privatsphäre | |
| > ausgelöst. | |
| Bild: Flur in einer Unterkunft: privat oder nicht? Darüber streitet der Stadtr… | |
| HAMBURG taz | Sie gingen durch Flure und Küchen einer | |
| Flüchtlingsunterkunft, begutachteten Rauchmelder und sollen, so teilte die | |
| Stadt Hannover jedenfalls mit, Fotos gemacht haben. Vier CDU-Ratsfrauen | |
| lösten mit ihrem unangemeldeten Besuch der Unterkunft in der Zweibrückener | |
| Straße in Hannover-Kirchrode eine Diskussion über den schmalen Grad | |
| zwischen dem Recht der Abgeordneten, sich zu informieren, und dem Schutz | |
| der Privatsphäre von Flüchtlingen aus. | |
| Der Grüne Patrick Drenske sagte der Neuen Presse gar, es sei sinnvoller, | |
| sich in Flüchtlingsnetzwerken zu engagieren, statt „wie Godzilla durch | |
| Unterkünfte zu rennen“. | |
| Georgia Jeschke war bei dem Besuch am 6. März dabei und versteht die | |
| Aufregung im Stadtrat nicht. Ein Unterstützerkreis vor Ort habe sich über | |
| Chaos bei den Möbelspenden und häufige Feuerwehreinsätze beklagt – die | |
| Rauchmelder im Gebäude lösten seit 2014 rund 30 Fehlalarme aus. | |
| Daher wollte sie die Unterkunft kontrollieren. Ihr Mandat berechtige sie | |
| dazu, städtische Einrichtungen jederzeit zu betreten, sagt Jeschke. Sie | |
| habe versucht, bei der Stadtverwaltung einen Termin für die Besichtung zu | |
| bekommen, aber das wäre erst Monate später möglich gewesen. Darum zogen die | |
| vier CDU-Politikerinnen auf eigene Faust los. | |
| In dem ehemaligen Pflegeheim leben derzeit rund 140 Flüchtlinge. Die | |
| Eingangstür der Unterkunft war an jenem 6. März unverschlossen. „Wir | |
| konnten einfach reingehen“, sagt Jeschke. Die Politikerinnen suchten nach | |
| dem Hausmeister, zeigten ihre Ausweise und besichtigten mit ihm die | |
| Gemeinschaftsräume. | |
| „Wir waren in keinem Privatzimmer“, betont sie. „Es geht mich nichts an, | |
| wie jemand dort lebt.“ Nachdem sie sich die Rauchmelder angesehen hätten, | |
| seien sie wieder gegangen – ohne Fotos in der Unterkunft gemacht zu haben. | |
| Nur vor dem Haus schoss die kleine CDU-Truppe ein privates Erinnerungsfoto. | |
| Den migrationspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Lars Kelich, stört | |
| einiges an dieser Version der Geschichte. „Was hat eine Kommunalpolitikerin | |
| mit einem technischen Defekt der Rauchmelder zu tun?“, fragt er. Der | |
| Vorfall zeige, dass den CDU-Frauen die Privatsphäre der dort lebenden | |
| Menschen egal sei. „Sie sehen eine unterschiedliche Wertigkeit zwischen der | |
| einheimischen Bevölkerung und Flüchtlingen“, sagt er und fordert eine | |
| Entschuldigung. | |
| Rückendeckung bekommen Jeschke und ihre Kolleginnen vom niedersächsischen | |
| Flüchtlingsrat. „Wenn keine Privaträume betreten wurden, halte ich das | |
| nicht für falsch“, sagt Geschäftsführer Kai Weber. Es sei sogar im | |
| Interesse der Flüchtlinge, wenn Politiker die Einrichtungen besuchen | |
| könnten – auch unangemeldet. | |
| Denn das sei eine Möglichkeit, private Betreiber wie in diesem Fall die | |
| Firma Fair Facility Management aus Isernhagen zu kontrollieren und zu | |
| sehen, ob gesetzliche Standards eingehalten werden. | |
| Die Stadt Hannover pocht trotzdem auf eine frühzeitige Anmeldung. Die | |
| Besucher wirbelten sonst den Tagesablauf von Flüchtlingen und Betreuern | |
| durcheinander, sagt Stadtsprecher Alexis Demos. | |
| In dem konkreten Fall hätten die CDU-Politikerinnen mehrere vorgeschlagene | |
| Besichtigungstermine abgelehnt. Strafanzeige stellen will die Stadt aber | |
| nicht. „Grundsätzlich haben Ratsmitglieder das Recht, sich über die | |
| Zustände in städtischen Einrichtungen zu informieren“, sagt er. Auch die | |
| Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt ohne Anzeige nicht wegen | |
| Hausfriedensbruchs. | |
| Jeschke hat ihr Besuch nachdenklich gestimmt. „Es ist leichtsinnig, eine | |
| Massenunterkunft unbewacht zu lassen“, sagt sie. Menschen mit bösen | |
| Absichten könnten hineinspazieren – oder eben CDU-Ratsfrauen. | |
| 10 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Andrea Scharpen | |
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