# taz.de -- Verletzung der Privatsphäre: Landkreis verpfeift Asylbewerber | |
> Der Landkreis Cuxhaven soll unrechtmäßig Papiere eines Flüchtlings | |
> fotografiert und weitergeleitet haben – ohne Konsequenzen. | |
Bild: Dürfen Beamte nicht einfach öffnen: Schrank in Asylbewerberunterkunft. | |
HAMBURG taz | Der Landkreis Cuxhaven hat sich möglicherweise unrechtmäßig | |
italienische Dokumente eines Asylbewerber beschafft und an die städtische | |
Ausländerbehörde weitergeleitet. Die Papiere erleichtern der Behörde die | |
Abschiebung des Somaliers in sein vermutetes Erstaufnahmeland Italien. Der | |
Flüchtling bestreitet gegenüber dem lokalen Arbeitskreis (AK) Asyl, dass er | |
die Papiere herausgegeben hat. Sie seien in einem kleinen Koffer in seinem | |
Zimmer gewesen. | |
In einem Brief der Ausländerbehörde an das Bundesamt für Migration von | |
August 2013, der der taz vorliegt, schreiben die Beamten, dass die | |
italienischen Dokumente „im Zusammenhang mit einer Kontrolle in der | |
Unterkunft des Ausländers“ gesichtet worden seien. Die Ausländerbehörde | |
selbst führt solche Kontrollen jedoch nicht durch. | |
Auf Nachfrage bestätigt Lothar Matthes von der Stadt Cuxhaven, dass die | |
Dokumente „nur vom Landkreis stammen können“. Dessen Sozialdezernent | |
Friedhelm Ottens versicherte jedoch im April, seine Mitarbeiter würden beim | |
Betreten von Unterkünften nicht die persönlichen Gegenstände der Bewohner | |
durchsuchen. | |
Damals hatten sich Asylbewerber darüber beschwert, dass Mitarbeiter des | |
Landkreises ihre Privatsphäre missachteten. [1][Die taz berichtete.] | |
Nun teilte Ottens schriftlich mit, dass die Dokumente im Rahmen einer | |
Identitätsfeststellung der Polizei „vorgelegt und bekannt geworden“ sind. | |
Mitarbeiter des Landkreises seien dabei gewesen. | |
Unklar bleibt bei dieser Stellungnahme, warum die Identität des Somaliers, | |
der offensichtlich bereits in einer Unterkunft des Landkreises | |
untergebracht war, überhaupt festgestellt werden musste. | |
## Keine Rechtsgrundlage | |
Gegenüber dem AK Asyl vermutete der Betroffene, dass es sich um eine | |
Situation handelte, in der es in der Unterkunft Ärger gegeben habe. Er | |
selbst jedoch sei gegangen, bevor die Polizei kam. Der Somalier bestreitet, | |
dass er die Dokumente freiwillig an Beamte der Polizei oder des Landkreises | |
weitergegeben hat. | |
„Er hat seine Unterlagen in einem kleinen Koffer aufbewahrt“, sagt | |
Unterstützer Karl-Heinz Zulkowski-Stüben, „da müssen die Polizisten dran | |
gewesen sein.“ | |
Die behördlichen Kopien der italienischen Unterlagen des Somaliers seien | |
dann einfach irgendwann in den Akten seines Asylverfahrens aufgetaucht, | |
erinnert sich Zulkowski-Stüben. „Um solche persönlichen Dokumente zu | |
kopieren, braucht man aber einen richterlichen Beschluss“, sagt er. | |
Der Landkreis hingegen bezieht sich in seiner Stellungnahme auf das | |
Asylbewerberleistungsgesetz. Demnach hätten die Mitarbeiter die | |
italienischen Dokumente rechtmäßig fotografiert und an die Ausländerbehörde | |
weitergeleitet. Der Vorfall werde deshalb auch keine disziplinarrechtlichen | |
Konsequenzen in der Behörde haben, schreibt Ottens. | |
Doch damit macht es sich der Sozialdezernent zu einfach, findet | |
Rechtsanwalt Paulo Dias aus Hannover, der auf Asylrecht spezialisiert ist. | |
Mitarbeiter des Landkreises dürften die Privaträume von Flüchtlingen nicht | |
ungebeten betreten. | |
Dies könne als Hausfriedensbruch gewertet werden. „Und auch die Polizei hat | |
dazu nicht das Recht.“ Die Beamten dürften Menschen nur kontrollieren, wenn | |
eine konkrete Gefahr für die öffentliche Sicherheit vorliege. „In diesem | |
Fall gibt es keine Rechtsgrundlage“, sagt Dias. „Italienische Dokumente zu | |
haben ist keine Straftat.“ | |
Der Rechtsanwalt sieht aus diesem Grund eine große Erfolgschance für eine | |
etwaige Klage gegen den Landkreis vor dem Verwaltungsgericht. „Das Handeln | |
der Behörden war rechtswidrig“, sagt Dias. | |
Unterstützer Zulkowski-Stüben hat schon mit dem betroffenen Asylbewerber | |
über eine Anzeige gesprochen. „Zur Zeit geht es ihm dafür aber zu | |
schlecht.“ | |
14 Jun 2015 | |
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## AUTOREN | |
Andrea Scharpen | |
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