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# taz.de -- Kunstfreiheit: Flüchtlinge als soziale Plastik
> Auf Kampnagel könnte ein Teil der Lampedusa-Gruppe demnächst ein Quartier
> für den Winter bekommen. Das müsste nicht einmal genehmigt werden.
Bild: Bald möglicherweise ein Winterquartier: Flora-Nachbau auf Kampnagel.
HAMBURG taz | Ginge es nach dem Willen der Künstlergruppe „Baltic Raw“,
könnte auf dem Gelände von Kampnagel bald ein neues Quartier für
Lampedusa-Flüchtlinge entstehen. Die Hamburger Künstler haben eine
[1][Crowdfunding-Kampagne gestartet], um ein Holzhaus zu einer
wintertauglichen Unterkunft umzufunktionieren.
Bereits im vergangenen Jahr hatte Kampnagel-Intendantin Amelie Deuflhard 40
Geflüchtete in einer Halle auf dem Theatergelände untergebracht. Als
Aktivisten nun erneut nachfragten, ob Kampnagel nicht wieder ein
Bettenlager machen könnte, winkte Deuflhard ab: „Es macht keinen Sinn mehr,
dass man die Flüchtlinge von Institution zu Institution und von einer
Kirche zur anderen weiterreicht und immer schlafen sie unter miserablen
Bedingungen auf dem Boden.“
Etwas anderes sei es bei einem Kunstprojekt, das einen vorbildhaften
utopischen Entwurf biete, der für diese und andere Städte interessant sein
könnte.
Diesen Vorschlag will die Gruppe nun umsetzen: „Verglichen mit üblichen
Containerunterkünften ist dieser Bau immer noch ein unglaublicher Luxus“,
sagt Künstlerin Móka Farkas. Das drücke der Name Eco-Favela allerdings
nicht aus. Der stehe vor allem für die flüchtige Architektur. Denn das
Projekt ist als Winterquartier für fünf Monate geplant und versteht sich
als experimentelle Anordnung, die – ausgestattet mit Wasser, Toiletten und
Strom – vollkommen autark von der jeweiligen Umgebung sein soll. In dem 100
Quadratmeter großen Gebäude sollen etwa sieben Flüchtlinge untergebracht
werden.
Als Kunstprojekt ist das Vorhaben nicht einmal genehmigungspflichtig. Denn
die Kunst ist frei. „Genau das nutzen wir“, sagt Farkas. Auch das Gebäude
ist bereits vorhanden. Denn für das Internationale Sommerfestival baut die
Künstlergruppe die Rote Flora nach. In der Flora-Kopie, die während
Festivals als Zentrum und Außenbühne dient, werden ab Mittwoch zweieinhalb
Wochen lang Konzerte und Theaterstücke aufgeführt. Weil das Gebäude bis
Anfang Mai kommenden Jahres auf dem Kampnagel-Gelände stehen bleiben kann,
entstand die Idee, das Haus für das Winterquartier zu nutzen.
Die Gruppe der 300 Lampedusa-Flüchtlinge, die vor dem libyschen Bürgerkrieg
nach Italien geflohen sind, bittet Hamburg seit anderthalb Jahren um ein
Bleiberecht. Denn in Italien finden sie weder Arbeit noch Obdach. In
Hamburg hätten sie dagegen eine Perspektive – wenn der SPD-Senat wollte.
Doch er will nicht. Es gehe nicht darum, mit dem Kunstprojekt eine
Entscheidung des Senats zu unterlaufen, sagt Deuflhard, die Mitte Juni mit
anderen Hamburger Kulturschaffenden das [2][Lampedusa-Manifest] vorstellte.
„Aber im Rahmen der Kunst kann ich mich damit identifizieren.“
„Seit vielen Jahren empfinde ich es als Teil meiner Aufgabe, dass ich mich
als Kunstschaffende sowohl mit politischen Bewegungen als auch mit der
Politik in unserer Stadt und der globalen Politik beschäftige“, sagt sie.
Außerdem baue man ja kein Lager für 400 Flüchtlinge, sondern errichte eine
soziale Plastik, die auch als Prototyp vorbildhaft sein könnte für andere
temporäre, flexible multifunktionale Nutzungen. Um einen Nachbau zu
ermöglichen, sollen Pläne und Technik veröffentlicht werden.
4 Aug 2014
## LINKS
[1] http://www.startnext.de/ecofavela
[2] http://manifest-fuer-lampedusa-hh.de/
## AUTOREN
Lena Kaiser
## TAGS
Flüchtlinge
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Kunst
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Sitzblockade
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