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# taz.de -- Berliner Flüchtlingsproteste: Am Ende ihrer Kräfte
> Jetzt haben auch die letzten Flüchtlinge in der Gürtelstraße aufgegeben –
> zermürbt von falschen Versprechungen. An ihrer Situation ändert das
> nichts.
Bild: Protest vor der Flüchtlingsunterkunft in Berlin-Friedrichshain.
BERLIN taz | Am Schluss waren es noch sechs. Sechs Männer, die fast zwei
Wochen auf dem Dach einer Flüchtlingsunterkunft in Friedrichshain
ausgeharrt hatten, nachdem sie aufgefordert worden waren, Berlin zu
verlassen. Sechs Männer, die fast zwei Wochen ohne Essen und mit minimalen
Wasserrationen auskommen mussten, weil die Polizei keine Versorgung zuließ.
Die geschwächt und frustriert abbrachen und am Sonntagabend „freiwillig“
das Dach verließen, wie die Polizei meldete. Für die nächsten fünf Wochen
kommen sie in der Heilig-Kreuz-Gemeinde in Kreuzberg unter. Wie es danach
weitergeht, ist unklar.
Die Flüchtlinge vom Dach, die aus dem Niger über Libyen nach Europa
geflohen waren, wohnten bis April 2014 auf dem Kreuzberger Oranienplatz in
dem Protestcamp, das FlüchtlingsaktivistInnen dort im Herbst 2012 errichtet
hatten. Im Frühjahr handelte die Integrationssenatorin Dilek Kolat (SPD)
mit einem Teil der BesetzerInnen vom Oranienplatz ein „Einigungspapier“
aus, das den Flüchtlingen unter anderem eine „umfassende Prüfung“ ihrer
Asylanträge, Unterbringung und monatliche Zahlungen zusicherte. Im Gegenzug
sollten die Flüchtlinge ihre Zelte am Oranienplatz abbauen. Gegen das
Papier gab es unter den Flüchtlingen viel Widerstand, viele standen den
Zusagen schon damals skeptisch gegenüber.
Das damals ausgehandelte Papier, so scheint es nun, hilft den Flüchtlingen
allerdings kein Stück weiter. Innensenator Frank Henkel (CDU) argumentiert
in Gerichtsprozessen, das Papier sei „rechtlich nicht bindend“, da nicht
Henkel, sondern nur seine Kollegin Kolat unterschrieben habe – obgleich die
Einigung damals vom gesamten Senat als Lösung präsentiert worden war.
Kreuzbergs grüne Bürgermeisterin Monika Herrmann warf dem Senat vor, seine
Zusagen gegenüber den Flüchtlingen nicht einzuhalten: „Das ist eine Schande
für Berlin“, sagte sie am Montag.
## Die Behörden haben Alle abgelehnt
Auch abgesehen von diesen rechtlichen Fragen nützen die im Papier
getroffenen Vereinbarungen den Flüchtlingen kaum: Alle 139 Fälle, die
bisher erneut in Berlin geprüft wurden, sind abgelehnt worden. „Wir haben
starke Zweifel daran, dass es hier tatsächlich umfassende Prüfungen gab“,
sagt Anwältin Berenice Böhlo, die mehrere der Flüchtlinge vertritt. Doch
die Entscheidungen stehen: Alle 139 erhielten mit dem ablehnenden Bescheid
auch die Aufforderung, unverzüglich ihre Unterkunft, in die sie nach
Inkrafttreten des Einigungspapier zogen, zu verlassen.
Wer in einem anderen Bundesland registriert ist, wird dorthin
zurückgeschickt, die Gruppe der über Italien nach Deutschland gereisten
Lampedusa-Flüchtlinge wird zur Rückreise dorthin aufgefordert. „Viele von
uns werden sich lieber illegal in Berlin durchschlagen, als zurückzugehen“,
sagt Ahmed, der vergangene Woche aus seiner Unterkunft geworfen wurde.
Mit dem gescheiterten Protest in der Gürtelstraße ist die selbst
organisierte Flüchtlingsbewegung, die mit der Oranienplatz-Besetzung große
Beachtung fand, in einer Sackgasse. Dem Senat ist es gelungen, den Protest
zu delegitimieren und die Flüchtlinge als Erpresser darzustellen.
Aufmerksamkeit für ihre Situation konnten sie erkämpfen – eine Verbesserung
ihrer Lage nicht.
8 Sep 2014
## AUTOREN
Malene Gürgen
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