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# taz.de -- Berliner Startup mit Flüchtlingen: Ein Stuhlbein aus Lampedusa
> Eine Initiative will Flüchtlingen helfen, die ohne Ausbildung in
> Deutschland sind. In einer Möbelwerkstatt verarbeiten sie dabei auch ihre
> Vergangenheit.
Bild: Malik Agachi schleift Möbel mit Vergangenheit.
BERLIN dpa | In der kleinen Möbel-Werkstatt in Berlin-Kreuzberg haben vier
junge Männer kurz vor Weihnachten noch viel zu tun. Die Schleifmaschinen
laufen ununterbrochen, die letzten Aufträge sollen noch vor den Feiertagen
fertig werden. In den Regalen stapeln sich helle Holzstühle, mitten im Raum
stehen fertige Bänke und das Gerüst eines Bettkastens.
Es könnte ein ganz normaler Ausbildungsbetrieb sein. Tatsächlich ist
„Cucula“ ein Projekt, das mit den Möglichkeiten eines liberalen
Ausländerrechts spielt. Die vier Männer stammen aus Afrika, aus Mali und
Niger. Sie sind vor etwa zwei Jahren mit einem Flüchtlingsboot in Lampedusa
angekommen. Ihre Asylverfahren laufen – Ausgang ungewiss.
„Wir wollen eine Utopie schaffen, an die sich die Wirklichkeit anpassen
muss“, sagt einer der Projektleiter, Sebastian Däschle. Die Utopie ist die
Werkstatt, ein Start-up von und für Flüchtlinge, in dem diese eine
Ausbildung machen können. Eigentlich – und das ist die Wirklichkeit –
brauchen sie dafür eine Aufenthaltserlaubnis von den Behörden.
Däschle ist Designer und Architekt. Er zeigt den Männern, wie sie nach den
Plänen des italienischen Designers Enzo Mari einfache Möbel bauen können.
Ihre gemeinsame Sprache sind die Baupläne.
## Crowdfunding läuft gut
Über eine [1][Crowdfunding-Kampagne auf „Startnext“] sammelt das Projekt
noch bis Ende des Jahres Geld. Als Dankeschön für Spenden gibt es
Möbelstücke. So sollen Ausbildungsstipendien für die Flüchtlinge finanziert
werden. Es sieht bisher gut aus. Die Mindestsumme von 70.000 Euro hat die
Gruppe bereits eingeworben, bis zum Jahresende läuft die Kampagne noch.
Die Reaktionen auf „Startnext“ sind überwiegend positiv. Nur zu teuer sind
manchen die Stühle. Bis zu 500 Euro kostet ein Exemplar. Eine günstige
Variante gibt es für 160 Euro. „Ihr habt zu wenig und zu teure Produkte im
Angebot“, heißt es in einem Kommentar. „Die Idee ist toll, aber 200 Euro
für einen Stuhl, der nicht bequem aussieht, scheint mir zu viel.“
Bisher hätten die Behörden nicht gesagt, dass die Flüchtlinge ohne
Arbeitserlaubnis nicht in der Werkstatt arbeiten dürfen, sagt Jessy
Medernach. Die 30-Jährige kümmert sich um rechtliche Dinge und begleitet
die Flüchtlinge auch bei ihren Asylverfahren. Däschle ist zuversichtlich,
dass die Männer eine Aufenthaltserlaubnis für die Ausbildung in der
Werkstatt bekommen, wenn die Crowdfunding-Kampagne positiv ausgeht.
## Arbeit für alle
Die Arbeit in der Werkstatt ist für die Männer die erste Ausbildung. Nur
einer von ihnen ist zur Schule gegangen. Gearbeitet haben sie in ihren
Heimatländern als Tagelöhner, Koch oder Müllmann, sagt Däschle. „Wir woll…
zeigen, dass Deutschland seinen Arbeitsmarkt nicht nur für Fachkräfte
öffnen sollte, sondern auch für die, die keine Ausbildung haben.“
Unterdessen schleifen die Männer weiter an den Kiefernholz-Möbeln. Bei
manchen Stühlen gibt es eine Besonderheit: Sie haben eine Lehne oder ein
Bein aus einem bunten Stück Holz, das von Schiffswracks aus Lampedusa
stammt. Die Werkstatt hat passendes Holz auf einem Schiffsfriedhof in
Italien zusammengesucht und sich nach Berlin schicken lassen.
„Malik hat irgendwann gesagt, er müsse einen Stuhl aus seinem Schiff
bauen“, sagt Däschle. „Ich selbst hätte das nie gemacht.“ Aber die jung…
Männer wollen damit ihre Geschichte erzählen. Und die Überfahrt nach
Lampedusa ist eine Station davon, die sie wohl ihr Leben lang nicht
vergessen werden.
21 Dec 2014
## LINKS
[1] http://www.startnext.de/cucula
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