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# taz.de -- Deutsche Entwicklungspolitik: Nachhaltige Zerstörung
> Eigentlich soll sie kleinen Unternehmen helfen: Wie die Deutsche
> Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG) in Afrika
> Landgrabbing unterstützt.
Bild: Land bei Mopti in Mali.
BERLIN taz | Für den Agrarinvestor Modibo Keita war es ein Bombengeschäft:
Pacht und Pachtoptionen auf insgesamt 27.000 Hektar fruchtbares,
bewässertes Land, nutzbar für 30 Jahre – umsonst. Nur für das aus dem Fluss
Niger gepumpte Wasser für seine neuen Felder sollte der Agrarunternehmer
bezahlen. Mit weiteren Kosten mochte die malische Regierung den Unternehmer
nicht belasten – schließlich sollte er in der Region Segou, drei
Autostunden östlich der Hauptstadt Bamako, Arbeitsplätze schaffen.
Die von der malischen Regierung geheim gehaltenen Verträge liegen der taz
vor. Keita möge lediglich „prioritär lokale Arbeitskräfte nutzen“, heiß…
darin. Am 31. Mai 2010 unterschrieb Malis damaliger Agrar-Staatsekretär
Abou Sow den Acker-Deal mit Keitas Firma Moulin Moderne du Mali.
Ein Teil der Flächen, die die Regierung da in die Hände eines
Großgrundbesitzers vergab, wurde von kleinen Bauern bewirtschaftet. Zwei
Dörfer sollten ihre Äcker hergeben. Ein klassisches Landraub-Geschäft, wie
es in vielen Ländern in Afrika, Asien und Lateinamerika abläuft – bis auf
einen Umstand: An diesem ist mittelbar der deutsche Staat beteiligt. Wie
das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) kürzlich
einräumte, bekam Keita zwei Kredite von der malischen Agrarentwicklungsbank
Banque Nationale de Développement Agricole (BNDA). Die gehört zu 21 Prozent
der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft mbH (DEG), die
wiederum eine 100-prozentige Tochter der staatlichen deutschen
Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) ist.
Der offizielle Auftrag der 1962 gegründeten DEG lautet, private Unternehmen
in Entwicklungsländern zu fördern. Die als gemeinnützig geltende DEG ist
von der Steuerpflicht befreit. Sie verteilt jährlich Kredite in Höhe von
etwa 1,5 Milliarden Euro, ihre Bilanzsumme liegt bei rund 7 Milliarden. Ein
Drittel ihrer Investitionen fließt in Beteiligungen an Banken in
Entwicklungsländern – so wie in Mali.
## Schlägertrupps geschickt
Zwei Wochen nach Vertragsunterzeichnung verbot Keita den Bäuerinnen und
Bauern, ihre Felder zu betreten. Er ließ Bulldozer anrücken und Bäume
fällen, um Parzellen zusammenlegen zu können. Als die Bauern protestierten,
schickte er Schlägertrupps, darunter Polizisten und Soldaten. Die
Dorfbewohner berichten, eine ältere Frau sei vor den Augen ihres Sohnes
totgeschlagen worden. Es habe gezielte Vergewaltigungen gegeben. Das auf
Landfragen in Entwicklungsländern spezialisierte Oakland Institute aus
Kalifornien hat den Fall untersucht. Es bestätigt Schilderungen der Bauern.
In einem Bericht spricht es von Gewalt, „schweren
Menschenrechtsverletzungen“ und „Gefahren für die Lebensgrundlagen der
Bauern“.
Ein „Unding“, sagt der Grünen-Abgeordnete Uwe Kekeritz. Er sitzt im
Entwicklungsausschuss des Bundestages, der die DEG beaufsichtigen soll.
Doch das sei unmöglich: „Sie sagen immer: Was wir machen, ist rein
privatwirtschaftlich, und wir dürfen deshalb keine Informationen
rausgeben“, sagt Kekeritz. Die Abgeordneten bekäme „keinen Einblick, keine
Wirkungsberichte“. Es sei völlig unklar, wem die DEG zu welchen Konditionen
wofür Kredite gebe. Näheres erfahre auch der Bundestag nur zufällig durch
Recherchen privater Initiativen wie Fian (Food First Informations- und
Aktions-Netzwerk). „Man kann für die übrigen Geschäfte nur Schlimmes
vermuten“, so Kekeritz.
Die DEG wiederum beruft sich darauf, „nachhaltige Entwicklung zu fördern“.
Kredite gebe es nur für Unternehmen, die „unsere Überzeugung teilen“ und
sich verpflichteten, die Umwelt- und Sozialverträglichkeit ihrer Vorhaben
zu belegen, sagt DEG-Sprecherin Anja Strautz. Es gebe eine „sorgfältige
Umwelt- und Sozialprüfung“, die DEG „begleitet aktiv die Umsetzung der mit
ihren Kunden vereinbarten Umwelt- und Sozialaktionspläne“. Diese
orientierten sich an den Richtlinien von UN, Weltbank und der
Internationalen Arbeitsorganisation ILO. Zur Mali-Causa sagt Strautz, dass
„nach unserem Kenntnisstand kein Kredit der BNDA an den Unternehmer Keita
aus Mitteln der deutschen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit
refinanziert“ worden sei.
## Bundesregierung lehnt Einmischung ab
Kürzlich besuchten deutsche Aktivisten der Initiative
Afrique-Europe-Interact (AEI) die beiden Dörfer. „Weil die Bauern nicht
mehr auf ihre Felder können, herrscht in den Dörfern Hunger“, sagt Olaf
Bernau von AEI. „Ein Prozess, den die Dorfbewohner angestrengt haben, wird
verschleppt.“ AEI wandte sich an Entwicklungsminister Gerd Müller. Der soll
der DEG Druck machen, damit diese ihren Einfluss bei ihrer malischen
Tochter geltend macht und die BNDA Keita die Kredite kündigt.
Die Bundesregierung lehnt das ab. Man nehme, so schreibt das BMZ in der
Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, im Rahmen von Beteiligungen der
DEG „keinen direkten Einfluss auf einzelne Kreditentscheidungen“. Bei
Vorhaben, die „mit Eigenmitteln“ der DEG finanziert werden, müsse die
Offenlegung von Projektinformationen „im Lichte der strengen Anforderungen
des Bankgeheimnisses und des privatrechtlichen Charakters des
DEG-Engagements betrachtet werden“. Mit anderen Worten: Mit ihren
sogenannten Eigenmitteln kann die DEG machen, was sie will.
Mit dem Argument, sie betreibe Geschäfte mit privatrechtlichem Charakter,
weigert sich die DEG seit Jahren, Auskunft zu erteilen. Dabei wurden
zumindest in Mali nicht nur „Eigenmittel“, sondern öffentliche Gelder
ausgegeben: Im Jahr 1992 schlossen das BMZ und die Regierung in Bamako ein
Abkommen, womit sich die DEG mit 2 Millionen Mark aus Treuhandmitteln bei
der BNDA einkaufte – der Bank, die heute dem Investor Keita Kredite gibt.
## Landkonflikt in Honduras
Es ist nicht das erste Mal, dass Geschäfte der DEG von
Entwicklungsorganisationen kritisiert werden. In Honduras hat die DEG –
gemeinsam mit einer holländischen Bank – etwa 75 Millionen Dollar in die
Ficohsa Bank investiert. Einer deren größter Kunden ist das
Agrarunternehmen Corporación Dinant. Der Biospritproduzent kauft in der
Region Bajo Aguán im Norden von Honduras im großen Stil Land auf. Darauf
baut er Ölpalmen in Monokultur an.
Gegen die dort lebenden Menschen soll Dinant mit massiver Gewalt
vorgegangen sein. Human Rights Watch spricht von 92 ermordeten Bauern und
Gemeindesprechern in Bajo Aguán. Die DEG zog nach eigenen Angaben eine
direkte Finanzierungszusage an Dinant „vor dem Hintergrund des
Landkonfliktes“ zurück. Bis heute finanziert sie den Investor aber über
ihre Tochter Ficosah weiter. In Entwicklungsländern, so erklärt die DEG auf
Anfrage, sei die „Unterstützung lokaler Banken von großer Bedeutung, um die
Privatwirtschaft als Motor für Entwicklung zu fördern“.
2011 pachtete die Genfer Firma Addax im westafrikanischen Sierra Leone
57.000 Hektar Land für 50 Jahre, um darauf Zuckerrohr für die Produktion
von Biosprit anzubauen. Damals erklärte Addax, es müssten „nur zwei Weiler
mit etwa 80 Bewohnern physisch umgesiedelt werden“. Sie würden eine
Entschädigung nach dem Standard der Weltbank erhalten. Ein Team des
Schweizer Fernsehens besuchte das Gebiet und wollte wissen, wie die
Bewohner für die Wegnahme ihres Landes entschädigt wurden. Die Antwort:
Addax zahle einen einzigen Franken pro Monat und Person an die Bauern. Die
Firma habe Schulen, Hospitäler und Jobs in der Biospritproduktion
versprochen, aber nichts davon eingelöst. Lediglich ein Reisfeld pro Dorf
werde bestellt, doch dies reiche nicht, um die Menschen zu ernähren. Für
das Projekt bekam Addax ein Kreditpaket von 133 Millionen Euro. Einer der
Finanziers: die DEG.
## Pestizidvergiftungen in Paraguay
Im Januar 2013 gab die DEG bekannt, sich mit 25 Millionen Dollar bei dem
Gensojaproduzenten Payco in Paraguay eingekauft zu haben. Nach Recherchen
von Fian hat das Payco-Engagement in der Region Caazapa zu Landkonflikten
mit indigenen Gemeinden geführt. Die NGO berichtet von tödlichen
Pestizidvergiftungen, Gifteinsatz per Sprühflugzeug, Plantagen auf Land mit
strittigen Besitzverhältnissen. Payco verfolge eine „klare
Expansionsstrategie“ in einem „menschenrechtlich hochsensiblen“ Bereich, …
Fian.
Auch in Sambia hat die DEG zwischen 2009 und 2013 mindestens 25 Millionen
Dollar in den Agrarkonzern Zambeef investiert, damit dieser neue
Palmölplantagen anlegen kann. Auch die liegen laut Fian in Gebieten mit
Landkonflikten.
Auf die Vorwürfe angesprochen, heißt es bei der DEG, man habe 2014 ein
Beschwerdeverfahren eingerichtet. Das stelle sicher, „dass Einzelpersonen
und Organisationen, die der Meinung sind, dass sie negativ durch ein von
der DEG finanziertes Vorhaben betroffen sind, gehört werden“. Bislang ist
dort nur eine Beschwerde eingegangen. Es geht um einen von der DEG mit 25
Millionen Dollar geförderten Staudamm in Panama. Die Prüfung der Beschwerde
läuft.
## Fragwürdiger Ansatz
Dabei müssten solche Geschäfte schon wegen ihrer Größe für die DEG tabu
sein. Denn die soll auftragsgemäß „kleine und mittlere“, nicht aber
Großunternehmen fördern. Doch die kleinste Summe für DEG-Kredite beträgt 1
Million Euro – und das darf nur ein Drittel des Investitionsvolumens sein.
Die DEG finanziert also erst Projekte ab einem Umfang von mindestens 3
Millionen Euro.
Der Grüne Kekeritz sagt, er habe kürzlich bei einer Sitzung des
Entwicklungsausschusses die DEG-Vertreterin gebeten, „ein einziges Beispiel
für ein Projekt mit positiver Wirkung“ zu nennen. Die Antwort hätte aus
„zehn Sekunden Schweigen“ bestanden. Schon die Größenordnungen der
DEG-Projekte seien inakzeptabel: „Wie will man mit Millionenbeträgen kleine
Unternehmen erreichen?“, fragt er. „Großkonzerne brauchen keine
entwicklungspolitische Hilfe. Wir schaden den Kleinen oftmals, wenn wir die
Großen fördern.“ Uwe Kekeritz fordert deshalb, die Gemeinnützigkeit der DEG
zu überprüfen.
Auch Fian klagt, es sei „praktisch unmöglich, sich ein Bild der
menschenrechtlichen Praxis“ bei den DEG-Projekten zu machen. Mit 27
weiteren Nichtregierungsorganisationen hat Fian deshalb jetzt beim
Bundestag eine Petition eingereicht. Der soll die DEG verpflichten,
Informationen über ihre Beteiligungen und Kredite zu veröffentlichen.
6 Feb 2015
## AUTOREN
Christian Jakob
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