# taz.de -- Landgrabbing in Deutschland: Chinesen kaufen Äcker | |
> Der chinesische Finanzinvestor Fosun beteiligt sich an Deutschlands | |
> größtem Ackerbaukonzern KTG Agrar. Die Bauern sind sauer. | |
Bild: Hier wird in Berlin gegen Landgrabbing demonstriert – allerdings in Afr… | |
BERLIN taz | Unabhängige Landwirte kritisieren den geplanten Einstieg der | |
chinesischen Beteiligungsgesellschaft Fosun bei Deutschlands größtem | |
Ackerbaukonzern [1][KTG Agrar]: „Jetzt kaufen chinesische Versicherer uns | |
brandenburgischen Bauern mit unseren Steuergeldern die Flächen weg“, | |
erklärte Karsten Jennerjahn, Präsident des [2][Bauernbunds Brandenburg.] | |
KTG kassiert jährlich rund 11 Millionen Euro EU-Agrarsubventionen. | |
Man könnte Jennerjahns Vorwurf auch so formulieren: Landgrabbing – also die | |
illegitime Aneignung von Boden – durch Chinesen findet jetzt nicht mehr nur | |
etwa in Afrika statt, sondern auch in der Bundesrepublik. Der Streit ist | |
typisch für ganz Ostdeutschland, wo Finanzinvestoren derzeit riesige | |
Agrarflächen zusammenkaufen. | |
Die börsennotierte KTG bewirtschaftet allein in Deutschland 36.000 Hektar | |
Land, das ist eine Fläche, die größer ist als ganz Dresden. Die | |
milliardenschwere [3][Fosun] hat einen Großteil ihrer Mittel weltweit in | |
Versicherer investiert. Beide sind also Global Player, von denen sich die | |
etwa 400 „bäuerlichen Familienbetriebe“ des Bauernbunds bedroht fühlen. | |
Die Chinesen wollen 9,03 Prozent an der KTG Agrar SE erwerben. Der | |
Kaufvertrag soll einer [4][Mitteilung des Hamburger Unternehmens] zufolge | |
„in Kürze“ vollzogen werden. Fosun werde die Deutschen dabei unterstützen, | |
den Markt der Volksrepublik zu erschließen und die Firma zu finanzieren. | |
## Reicher Investor | |
„Es ist nicht auszuschließen, dass die KTG, mit frischem Kapital | |
ausgestattet, ihre Einkaufstour fortsetzt“, befürchtet denn auch | |
Bauernbund-Chef Jennerjahn. Er wirft der KTG mit ihren 234 Millionen Euro | |
Jahresumsatz schon lange vor, kleine und mittlere Höfe auf dem heiß | |
umkämpften Markt für Agrarflächen auszustechen. KTG könne einfach mehr Geld | |
bieten als Bauern vor Ort. | |
KTG wies die Vorwürfe zurück. „Bereits seit 2007 haben wir uns dazu | |
verpflichtet keine Flächen zu kaufen, die von anderen Landwirten | |
bewirtschaftet werden“, schrieb Konzernchef Siegfried Hofreiter der taz. | |
Deshalb werde KTG auch in Zukunft „nicht zu den Preistreibern“ gehören. | |
Bauernbund-Geschäftsführer Reinhard Jung überzeugt das nicht: „Selbst wenn | |
sie nicht kaufen würden, pachten sie immer noch Flächen – und damit stehen | |
sie in Konkurrenz zu unseren Betrieben.“ | |
Um wenigstens „die schlimmsten Auswüchse“ des Landgrabbings zu mildern, | |
fordert der Bauernbund von der Landesregierung in Potsdam, bei | |
Flächenverkäufen ein Vorkaufsrecht für ortsansässige Landwirte einzuführen. | |
Tatsächlich hat Agrarminister Jörg Vogelsänger (SPD) am Mittwoch | |
angekündigt, gemeinsam mit dem Bauernbund und anderen Verbänden einen | |
entsprechenden Erlass zu erarbeiten – die Details sind aber noch unklar. | |
## Vorkaufsrecht für Ortsansässige | |
Für den Fraktionschef der Grünen im Landtag, Axel Vogel, ist die | |
Ankündigung ein Schritt in die richtige Richtung. „Aber sie greift viel zu | |
kurz“, sagte Vogel der taz. „Landeseigenes Land sollte nicht verkauft, | |
sondern verpachtet werden.“ Dann hätte der Staat mehr Einfluss. Außerdem | |
müsse Brandenburg im Bundesrat dagegen kämpfen, dass Investoren von | |
außerhalb der Landwirtschaft Anteile an Agrarfirmen erwerben dürfen. Sonst | |
könnte ein Vorkaufsrecht für ortsansässige Landwirte leicht umgangen | |
werden: Die Anleger würden keinen Boden, sondern lokale Unternehmen kaufen, | |
denen die Äcker gehören. | |
Auch auf Bundesebene tut sich etwas in Sachen Bodenverteilung: | |
Agrarminister Christian Schmidt legte am Mittwoch neue Grundsätze für die | |
Privatisierung von ehemals volkseigenem Acker- und Weideland in | |
Ostdeutschland vor. Danach sollen möglichst Lose von höchstens 15 statt | |
bisher 25 Hektar ausgeschrieben werden. Der Bauernbund begrüßt das. „Je | |
kleiner die Lose, desto eher können normale Menschen mithalten“, sagte | |
Geschäftsführer Jung. Aber die Regel komme viel zu spät, da die meisten | |
Flächen schon vor Jahren privatisiert wurden. | |
Überhaupt keine Bewegung gibt es in Sachen EU-Agrarsubventionen. Der größte | |
Teil der jährlich 57 Milliarden Euro wird pro Hektar gezahlt: Wer viel Land | |
hat, bekommt auch viel Geld vom Staat. Der Bauernbund fordert schon lange, | |
dass die Beträge für Großbetriebe gedeckelt werden – bislang erfolglos. | |
5 Jul 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.ktg-agrar.de/%201 | |
[2] http://www.bauernbund-brandenburg.de/index.php/8-pressemitteilungen/97-baue… | |
[3] http://ir.fosun.com/phoenix.zhtml?c=194273&p=irol-IRHome%201 | |
[4] http://www.ktg-agrar.de/news-archiv/news-detail/ktg-agrar-se-die-von-fosun-… | |
## AUTOREN | |
Jost Maurin | |
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