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# taz.de -- Größter deutscher Agrarkonzern ist pleite: Wachstum in die Insolv…
> Die Insolvenz von Deutschlands größtem Ackerbaukonzern KTG zeigt:
> Agrarunternehmen von diesem Umfang sind kaum zu managen.
Bild: Dicke Traktoren, dürre Gewinne: KTG-Fahrzeuge bei der Ernte
Berlin taz | Nonnendorf ist KTG-Land: Auf fast allen Feldern rund um den
brandenburgischen 250-Einwohner-Ort fahren die Traktoren von Deutschlands
größtem Ackerbaukonzern KTG Agrar. Mit rund 30 Beschäftigten ist er der
wichtigste Arbeitgeber. Doch nun geht die Angst um. Denn KTG hat sich am
Dienstag [1][für zahlungsunfähig erklärt].
In Ostdeutschland bewirtschaftet der börsennotierte Konzern aus Hamburg
ganze Landstriche, Ende vergangenen Jahres insgesamt [2][etwa 38.000 Hektar
(eigene Zahl)], eine Fläche fast so groß wie Köln. Hinzu kommen noch 8.000
Hektar in Litauen und Rumänien. Kein Landwirtschaftsunternehmen der
Republik beeinflusst die Umwelt auf einer so großen Fläche. Keines
produziert mehr Biogetreide wie Weizen, Roggen oder Mais. Und keines ist so
sehr ein Symbol für die Agrarindustrie im Ackerbau, die Kleinbauern
verdrängt und gleichzeitig Millionensubventionen kassiert.
Deshalb befeuert die KTG-Pleite die Diskussion darüber, wie groß ein
landwirtschaftliches Unternehmen sein sollte. „Hier zeigt sich wieder
einmal, dass es ein Irrweg ist, zu glauben, größere Betriebe seien bessere
Betriebe“, sagt die Grünen-Europaabgeordnete Maria Heubuch. Die
Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft, die einflussreichste Stimme
der linken Agrarbewegung, wertet die Krise der KTG [3][in einer
Presseerklärung] als „Signal gegen den Agrarindustriehype“. Und der
[4][Bauernbund Brandenburg, der „bäuerliche Familienbetriebe“ vertritt,
erklärt]: „Die Propheten des unbegrenzten Größenwachstums werden jetzt wohl
etwas leiser werden.“
Parlamentarierin Maria Heubuch hat einen Betrieb mit 48 Milchkühen und 34
Hektar im Allgäu. „Uns auf den Höfen redet man seit Jahrzehnten ein, dass
wir wachsen müssen, dass wir rationalisieren müssen, dass wir dann
weltmarktfähig sind“, sagt sie. „Und nun sehen wir hier einen Betrieb mit
45.000 Hektar, und auch der war nicht weltmarktfähig, er war nicht
überlebensfähig. Größe an sich rettet uns nicht.“
## Auch Kleinbauern nutzen ihre Maschinen gut aus
KTG hatte immer wie folgt argumentiert: Weil der Konzern so viel Land habe,
könne er beispielsweise seine Mähdrescher besser ausnutzen. Aber diesen
Größenvorteil hält Heubuch für nicht sehr bedeutend. Kleinere Bauern
nutzten ihre Maschinen auch gut aus, wenn sie sie mit Kollegen teilten,
etwa über Organisationen wie die Maschinenringe.
Große Agrarkonzerne dagegen hätten einen gravierenden Nachteil: „Die
Entfernung der Entscheidungsträger zum eigentlichen Geschäft, nämlich zur
Arbeit auf dem Hof, ist viel zu groß, um das noch gut managen zu können.“
Landwirtschaftliche Betriebe seien keine Fabriken mit Maschinen, die,
einmal eingestellt, ihr Produkt ausspucken. „Wenn ich nicht vor Ort bin und
sehe, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist zur Ernte, weil das Getreide
gut aussieht und das Wetter gerade mitmacht, sondern das eine theoretische
Entscheidung ist von irgendjemand, dann funktioniert das nicht“, sagt
Heubuch.
Tatsächlich gibt es Gerüchte, wonach KTG vergleichsweise wenig pro Hektar
erntet. Das Unternehmen weist das zurück. „Die Erträge waren
durchschnittlich, oft auch besser“, teilt die PR-Agentur des Konzerns mit.
Mit Zahlen will KTG das aber nicht belegen. Es bleiben also Zweifel.
Alfons Balmann ist [5][Direktor des Leibniz-Instituts für Agrarentwicklung
in Transformationsökonomien]. Er ist bei Kleinbauernvertretern wie dem
Bauernbund nicht sonderlich beliebt. Aber selbst er sagt: „Holdings wie die
KTG Agrar haben in der Regel in Westeuropa keine Überlegenheit gegenüber
regional agierenden Unternehmen.“ Auch er hält es für sehr schwierig,
Landwirtschaft aus der Ferne zu betreiben.
## Andere Großbetriebe sind rentabel
Anders als die Grünen-Politikerin Heubuch verteidigt Balmann allerdings
nach wie vor die ostdeutschen Großbetriebe, die in einer Region verankert
sind. „Gerade die sehr großen ostdeutschen Unternehmen einschließlich der
mit über 2.000 Hektar haben in den letzten Jahren enorm rentabel
gewirtschaftet“, sagt der Agrarökonom.
Er beruft sich auf Daten aus der Buchführung von Testbetrieben. Sie hätten
so viel Land, dass ihre Mitarbeiter sich spezialisieren können und dass sie
stark genug seien etwa in Verhandlungen mit Lieferanten.
KTG dagegen habe auf Pump und viel zu schnell expandiert, vor allem dank
des Kapitals von Anleihekäufern und Aktionären. Ende 2015 bezifferte der
Konzern seine Verbindlichkeiten mit 606 Millionen Euro. Dabei setzte er im
gesamten Jahr 2015 lediglich 326 Millionen Euro um und verbuchte nur 3,7
Millionen Euro Gewinn.
Für seinen hohen Schuldenstand musste KTG meist auch noch exorbitante
Zinsen zahlen: mehr als 7 Prozent. Dass der Konzern eine für Anfang Juni
geplante Zinszahlung einer Anleihe nicht leisten konnte, hat schließlich
die Insolvenz ausgelöst. „Ein solide finanziertes Agrarunternehmen aber,
das überwiegend mit Eigenkapital wirtschaftet und viele eigene Flächen hat,
kann derzeit Bankdarlehen für unter 2 Prozent bekommen“, sagt Balmann.
Groß zu sein kann also sehr wohl Vorteile haben. Aber KTG war einfach zu
groß.
## Agrarsubventionen fördern Größe
Doch die Agrarsubventionen der EU animieren dazu, riesige Betriebe
aufzubauen. Denn das Geld wird pro Hektar verteilt. Wer also viel Land hat,
bekommt auch viel Subventionen. Zwar könnte die Bundesregierung laut
EU-Recht durchaus entscheiden, dass kleinere Höfe mehr erhalten und dass
große Unternehmen ab einer bestimmten Grenze kein zusätzliches Geld
bekommen. Aber bislang sperrt sich die schwarz-rote Koalition dagegen,
trotz aller Warnungen von Leuten wie Maria Heubuch.
Die Grüne will zudem, dass das Land, das KTG Agrar von der öffentlichen
Hand gepachtet hat, „an kleine und mittelgroße bäuerliche Betriebe vergeben
wird“. Allerdings ist bislang unklar, wie viel Hektar vor allem der Bund
der KTG überlassen hat. Das Unternehmen sagt nur, der Anteil sei
„vernachlässigbar“. Die bundeseigene Bodenverwertungs- und -verwaltungs
GmbH verweigert Angaben dazu „aus Datenschutzgründen“.
Ungewiss ist außerdem, was jetzt mit Nonnendorf und den anderen KTG-Dörfern
passiert. Das Geschäft laufe weiter, die Tochtergesellschaften, die die
KTG-Niederlassungen verwalten, seien nicht von dem Insolvenzantrag
betroffen, beteuert der Konzern selbst. Aber wie sehr man sich auf diese
Versprechungen der Pleitiers von KTG Agrar noch verlassen kann, ist
fraglich.
10 Jul 2016
## LINKS
[1] http://www.ktg-agrar.de/news-archiv/news-detail/ad-hoc-restrukturierung-und…
[2] http://www.ktg-agrar.de/fileadmin/Dateien/Investor-Relations/Publikationen/…
[3] http://www.abl-niedersachsen.de/fileadmin/Dokumente/AbL-Niedersachsen/Press…
[4] http://www.bauernbund-brandenburg.de/index.php/8-pressemitteilungen/128-bau…
[5] https://www.iamo.de/institut/mitarbeiterinnen-und-mitarbeiter/details/balma…
## AUTOREN
Jost Maurin
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Landwirtschaft
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