# taz.de -- Sigmar Gabriel besucht China: Angespannte Stimmung | |
> Angeblich soll die chinesische Wirtschaft immer noch auf planmäßigem | |
> Wachstumskurs sein. So richtig glauben können das viele nicht. | |
Bild: Verschifft werden immer noch eine ganze Menge chinesischer Produkte. | |
Peking taz | Als Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) vor einem | |
Jahr die Volksrepublik besuchte, hatten die Ökonomen die | |
Wirtschaftserwartungen zwar schon heruntergeschraubt, doch zumindest den | |
deutschen Unternehmen ging es im Reich der Mitte noch gut. Der Konsum | |
boomte. Und deutsche Produkte waren angesagt. | |
Das sind sie heute noch immer. Trotzdem finden Gabriel und seine 65-köpfige | |
Wirtschaftsdelegation bei ihrem Besuch in Peking in diesen Tagen eine | |
deutlich angespanntere Stimmung vor. Der chinesische Autoherstellerverband | |
hat seine Absatzprognose von 7 auf 3 Prozent mehr als halbiert. Die | |
chinesischen Importe schrumpfen. | |
Und nach einem völlig übertriebenen Börsenboom in der ersten Jahreshälfte | |
sind die Aktienkurse in den vergangenen vier Wochen um zeitweise mehr als | |
30 Prozent abgestürzt. Nur mit massiver Staatshilfe konnte die chinesische | |
Führung die Kurse wieder stabilisieren. „Die einstmals riesigen | |
Wachstumszahlen sinken“, bemerkte Gabriel nach Gesprächen mit chinesischen | |
Ministern. | |
Für die deutsche Wirtschaft steht viel auf dem Spiel: Das Handelsvolumen | |
mit der Volksrepublik liegt bei mehr als 153 Milliarden Euro, 40 weitere | |
Milliarden Euro haben deutsche Firmen im Reich der Mitte investiert. China | |
ist Deutschlands wichtigster Wirtschaftspartner. | |
## Zweifel an diesen Zahlen | |
Die offiziellen Daten sehen auf den ersten Blick auch gar nicht so | |
miserabel aus. Das Statistikamt in Peking teilte am Mittwoch mit, dass | |
Chinas Wirtschaft im zweiten Quartal um 7 Prozent gewachsen sei, genau so | |
viel, wie sich die chinesische Führung vorgenommen hatte. Unabhängige | |
Ökonomen rechneten mit weniger. | |
Doch Zweifel an diesen Zahlen sind mehr denn je angebracht. Nicht nur die | |
Importe, sondern auch die Exporte sind im zweiten Quartal deutlich geringer | |
geworden. Vor allem Chinas große Staatsunternehmen weisen erhebliche | |
Überkapazitäten auf. Das Statistikamt führt das Wachstum vor allem auf die | |
„steigende Kauflaune der Verbraucher“ zurück. Immerhin gaben die Beamten | |
aber zu: „Sowohl die inneren als auch die äußeren Konjunkturbedingungen | |
sind kompliziert.“ | |
Zu allem Übel hat die chinesische Führung vor zwei Wochen ein neues | |
Sicherheitsgesetz verabschiedet, das nicht nur Bürgerrechtlern, sondern | |
auch ausländische Unternehmen in China Sorge bereitet. | |
## Offenlegung von Quellcodes | |
Denn dieses neue Gesetz ermächtigt die Polizeibehörden zu umfassenden | |
Kontrollen des Datenverkehrs und sogar zur kompletten Abschaltung des | |
Internets. Unternehmen sollen einem weiteren Gesetzentwurf zufolge | |
verpflichtet werden, die Quellcodes ihrer Firmensoftware | |
herauszugeben.Gabriel soll sich Delegationsteilnehmern zufolge „sehr | |
besorgt“ über diese Pläne gezeigt haben – zumal China mit der deutschen | |
Wirtschaft eine Kooperation bei der „Industrie 4.0“ genannten Vernetzung | |
von Produktionsketten anstrebt. Gabriel hat am Dienstag ein Abkommen dafür | |
unterzeichnet. | |
Der jüngste Börsencrash hat sich deutschen Unternehmern zufolge bislang | |
aber noch wenig auf ihre Geschäfte ausgewirkt. Die meisten meinen, für eine | |
Bewertung sei es noch zu früh. Einige Analysten glauben auch, dass die | |
unmittelbaren Auswirkungen gering bleiben werden. Denn auch wenn er | |
zeitweise fast 4 Billionen US-Dollar Marktwert vernichtete – real hatte es | |
dieses Vermögen gar nicht gegeben und war auch noch kaum in die | |
Realwirtschaft geflossen. | |
15 Jul 2015 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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